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# taz.de -- Petition der Woche: Ruhestörung? Ja, bitte!
> Neuerdings herrscht in Rorschach nachts Stille, die Glocken der
> Kolumbanskirche läuten nicht mehr. Aber eine Petition will den Lärm
> zurückbringen.
Bild: Kirchtürme dominierten schon 1935 das Ortsbild von Rorschach
Ein Uhr nachts: ding. Zwei Uhr nachts: ding, ding. Drei Uhr: ding, ding,
ding. Es gibt im kleinen Rorschach am Bodensee Menschen, die haben das
nächtliche Geläut der Kirchenglocken noch genau im Ohr. Nicht nur zur
vollen Stunde schallte es von der Kolumbanskirche durch den Ort, auch zu
jeder Viertel-, zur halben und zur Dreiviertelstunde. Und das vermissen
sie, so wie Barbara Camenzind.
In der kleinen Schweizer Gemeinde ist das nächtliche Bimmeln Gegenstand
gleich zweier Petitionen. Die erste hatte Erfolg, nun formiert sich der
Widerstand [1][in Form einer Gegenpetition].
Den Anfang machte eine Gruppe von Anwohner:innen eines benachbarten
Neubaugebiets. 34 von ihnen wandten sich wegen des in ihren Ohren
nächtlichen Lärms an den Kirchenverwaltungsrat. Seit dem 1. Dezember gilt
nun vorerst bis Ende Mai: Von 22 bis 7 Uhr schweigt die Kolumbanskirche.
Widerstand regt sich nun unter alteingesessenen Rorschacher:innen. Sie sind
seit Jahrzehnten an das Bimbam gewöhnt. Barbara Camenzind nennt es sogar
den „Herzschlag“ der Gemeinde. Ihr fehle das Läuten im Schlaf: „Wenn ich
orientierungslos aus einem schlechten Traum aufwache, erinnern die Glocken
mich, dass ich zu Hause bin.“ Dadurch fühle sie sich geborgen. „Es gehört
hier zum Lebensgefühl“, sagt die Musikerin.
## Die Glockengegner:innen kamen mit der Gentrifizierung
Um herauszufinden, ob es anderen Einwohner:innen von Rorschach ähnlich
geht, startete Camenzind, die sich auch ehrenamtlich in der Kirche
engagiert, eine Petition gegen das nächtliche Kirchenglocken-Aus. Innerhalb
von 14 Tagen sammelte sie 220 Unterschriften und reichte die Petition
ebenfalls beim Kirchenverwaltungsrat ein.
„In den letzten Jahren wurde Rorschach immer weiter gentrifiziert“, sagt
Camenzind. Alte Häuser seien Neubauten gewichen, die optische Gestalt
Rorschachs habe sich verändert. Die Musikerin ist sich sicher, dass jeder
Ort auch eine akustische Gestalt hat. Und deren Wandel möchte sie jetzt
aufhalten.
Zur Gentrifizierung der Gemeinde trägt auch das Neubaugebiet neben der
Kirche bei, in dem die Lautstärkemuffel wohnen. „Wir alten Rorschacher
leben schon immer mit dem Geläut und die Zugezogenen stören sich“, ärgert
sich Camenzind. Für die Anwohner:innen hat sie wenig Verständnis: „Man
zieht neben eine Kirche und wundert sich dann über die Glocken?“
„Jetzt haben wir eine Diskussionsgrundlage“, sagt Pius Riedener. Er ist
Präsident des Kirchenverwaltungsrates Rorschach und muss sich nun mit der
Petition auseinandersetzen. Für ihn gibt es mehrere Optionen: Es wäre sogar
eine Anfrage an das Bundesgericht in der Causa möglich. Vor allem aber
kommt es ihm erst einmal darauf an, die Problematik breit zu diskutieren.
Die Kolumbanskirche und ihre Glocken prägen Rorschach immerhin schon seit
über 800 Jahren.
Für die Glockengegner:innen hat er aber einen Tipp: „Wenn sie läuten,
kann man einen guten Gedanken fassen und innehalten.“ Achtsamkeit und ein
positives Mindset dank Glockenklang.
Der Streit spielt in der Schweiz, daher gibt es bereits
Kompromissvorschläge: Riederer kann sich einen Umbau der Glocke vorstellen,
um die Lautstärke zu dämmen. Auch Camenzind wäre kompromissbereit. Auf die
Klänge zu den Viertelstunden könne sie verzichten.
9 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.change.org/p/katholische-kirchgemeinde-region-rorschach-erhalt-…
## AUTOREN
Sophie Fichtner
## TAGS
Kirche
Nachbarschaft
Lärm
Petition der Woche
Weltkulturerbe
Schwerpunkt Rassismus
Herz
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