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# taz.de -- Japans 54-jähriger Rekordfußballer: Lebendes Maskottchen
> Kazuyoshi Miura beendet mit 54 Jahren sein Engagement beim Erstligisten
> Yokohama FC. Aufhören will der in Japan verehrte Fußballer aber deshalb
> nicht.
Bild: Wie machst du das? Andres Iniesta (r.) ist interessiert am Fitnessgeheimn…
Wie immer genoss er die Fragen der Reporter. Wie sie ihm hörig das Mikrofon
hinstreckten, an kritische Fragen gar nicht dachten, einfach nur irgendein
Statement erbaten. Ob zur Farbe seines Anzugs, zur Laune seiner Frau oder
zum Befinden seiner Knie. „Der König“, wie sie ihn in Japan noch immer
nennen, kann seit Jahrzehnten sagen, was er will – die Schlagzeilen dazu
werden wohlwollend. Immerhin hat es das ostasiatische Land maßgeblich ihm
zu verdanken, dass es heute eine respektable Fußballnation ist.
So dreht sich die im noch jungen Jahr vielleicht größte Nachricht aus
Fußballjapan mal wieder um ihn: „Wir sind uns fast hundertprozentig einig“,
sagte er diese Tage in seiner Heimat Shizuoka, westlich von Tokio. „Ich
glaube, dass das, was die Medien berichten, auch so eintreten wird.“ Will
sagen: Kazuyoshi Miura, kurz „Kazu“ oder eben „King Kazu“ genannt, verl…
[1][seinen bisherigen Verein Yokohama FC] und heuert bei den Suzuka Point
Getters an, die Miuras zwei Jahre älterer Bruder Yasutoshi managt. Der
54-Jährige wechselt damit von der ersten in die vierte japanische Liga.
Rein sportlich ist das höchstens eine Randnotiz. In der vergangenen
Erstligasaison hat Miura nur einmal auf dem Platz gestanden,
fußballerische Akzente kommen von ihm seit Jahren nicht mehr. Sein letztes
Ligator schoss der Stürmer mit der Nummer 11 vor fast fünf Jahren, per Kopf
gegen Thespakusatsu Gunma in der zweiten Liga. Und die „acht Klubs“, mit
denen Miura laut Medienberichten nun verhandelt hat, sind allesamt
unterklassige Mannschaften.
Trotzdem ist der Transfer eine Sensation. Mit dem Wechsel in den
unterklassigen Fußball endet die längste Profifußballkarriere der Welt. In
den 36 Saisons, die Miura absolviert hat, gewann er Titel in Brasilien und
Japan. Seit geraumer Zeit schon ist er der älteste Profi der Welt. So
verwundert es nicht, dass Miuras Statement seit Tagen in der japanischen
Presse diskutiert wird.
## Ein Kuriosum für das Publikum
Wobei nicht mehr klar ist, auf wessen Wunsch der Vertrag beim Erstligisten
aus Yokohama nicht erneut um ein Jahr verlängert wurde, wie es bisher über
Jahre gehandhabt wurde. Als die Saison 2017 womöglich nicht ganz zufällig
an Miuras 50. Geburtstag mit einem Heimspiel für den Yokohama FC startete
und Miura auch in der Anfangsformation stand, war von der Tribüne nur noch
verhaltener Jubel zu hören. Euphorischer waren die Medien direkt nach
Abpfiff – die hatten ihm eine große Torte mit Miniaturfußballfeld
geschenkt.
Fans müssen heute oft schmunzeln, wenn sie den Namen „Kazu“ hören. Zuletzt
sah man ihn vor allem als lebendes Maskottchen, das für jüngere Spieler
eine gute Stütze sein kann und für das Publikum ein Kuriosum: Der Mann, der
einfach immer bleibt. Jeder Fußballliebhaber in Japan kennt Miuras
Biografie: Als Teenager schmiss er die Schule und ging nach Brasilien, um
dort Fußballprofi zu werden. In Japan war das doppelt ungewöhnlich: Der
Stellenwert von Schule ist traditionell hoch, und Profifußball kannte das
ostasiatische Land damals noch nicht.
Der fleißige Kazu aber kämpfte sich in der Fremde durch die
Jugendmannschaften und brachte es beim FC Santos, dem ehemaligen Klub von
Pélé, zu einem Profivertrag. Es folgten Stationen bei mehreren
brasilianischen Klubs, dem FC Genua in Italien und Dinamo Zagreb in
Kroatien. [2][1993 war er der einzige japanische Star in der neugegründeten
J-League.] Mit dem FC Yomiuri aus Tokio wurde er Meister und Spieler des
Jahres. Als Miuras Tore Japan 1998 zur ersten WM-Teilnahme schossen, war er
schon ein alternder Star. Und dann folgten noch gut zwei Jahrzehnte
ausklingender Karriere.
Miuras Werdegang ist aber nicht nur der eines Fußballers, der zu lange von
seinem frühen Ruhm lebt. Popkulturell ist seine Bedeutung noch viel größer
als fußballerisch, weil weltumspannender. Miura dient als offensichtliche
Vorlage für das weltweit beliebte Manga und Anime „Captain Tsubasa“ (auf
Deutsch: Die tollen Fußballstars). Auch hier bricht ein japanischer Junge
nach Brasilien auf, um Fußballer zu werden, und startet dann die große
Karriere.
Diverse Fußballprofis späterer Generationen sowohl in Japan als auch
weltweit – darunter Lionel Messi, Fernando Torres und Lukas Podolski –
haben „Captain Tsubasa“ als frühe Inspiration für ihre eigene
Fußballkarriere angegeben. Mit dieser Hinterlassenschaft hätte Kazu Miura
eigentlich schon viel früher ruhmreich abtreten können. Aber der König
wollte wohl einfach nicht loslassen. Und er tut es ja weiterhin nicht. In
der Ende Februar startenden Saison spielt er eben viertklassig. Wobei für
einen bald 55-jährigen auch dies schwierig werden dürfte. Beachtung wird er
weiter genießen.
7 Jan 2022
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## AUTOREN
Felix Lill
## TAGS
Fußball
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