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# taz.de -- Tschechiens neuer Ministerpräsident: Der Eiertanz
> In der Fünf-Parteien-Koalition in Tschechien knirscht es gleich zu
> Beginn. Der Akademiker Petr Fiala muss zwischen EU und Nationalstaat
> balancieren.
Bild: Wird's jetzt praktisch? Akademiker Petr Fiala ist seit Kurzem Ministerpr�…
Prag taz | Seinen ersten großen Showdown musste Petr Fiala bezwingen, da
war er noch gar nicht als tschechischer Ministerpräsident im Amt. Präsident
Miloš Zeman, Tschechiens letzter Politdinosaurier, der seit einer
Covid-19-Infektion stilvoll in einem gläsernen Terrarium amtiert, hieß den
neuen [1][designierten Ministerpräsidenten] Fiala auf die ihm spezielle Art
in der Exekutive willkommen, indem er dessen Kandidaten, den Piraten Jan
Lipavsky, nicht zum Außenminister ernannte. So watschte er den
konservativ-großbürgerlichen Politologieprofessor Fiala gleich zu Beginn
seiner Amtszeit ab.
Zwar gab Zeman nach zwei Tagen Zähnefletschen nach, als ihm klar geworden
war, dass Fiala seinen Außenminister auch per Verfassungsklage durchboxen
würde. Den Tonfall seiner künftigen Beziehungen zu Fiala hatte Zeman jedoch
klar gesetzt, bevor er ihn am Freitag schließlich zum Chef einer
Fünf-Parteien-Regierungskoalition ernannte.
Auch ohne Zeman wird das Regieren eine Herausforderung für den Akademiker
Fiala, der erst vor zehn Jahren in die praktische Politik gestolpert ist.
Als Theoretiker hatte sich der heute 57-Jährige zuvor ein halbes Leben lang
mit der Politik auf dem Papier beschäftigt.
Gleich nach der Wende, 1990, gründete Fiala, dessen Stammbaum in der
großbürgerlichen mährischen Bildungselite bis in die Erste
Tschechoslowakische Republik zurückreicht, die Politikwissenschaften an der
Brünner Masaryk-Universität neu mit. Seine Karriere blieb mit seiner Alma
Mater verbunden, die er immerhin sieben Jahre lang leitete, bevor er 2013
in der hohen Politik landete.
## Zwischen Nationalstaat und EU
Als Wertkonservativer – Fiala war zum Beispiel aktiv in der Paneuropäischen
Union, deren mährischen Ableger er lange Jahre leitete – fand er sich
politisch in der konservativ-bürgerlichen Partei ODS wieder, die sich nach
dem Rücktritt ihres Gründervaters Václav Klaus in einer permanenten
Identitätskrise befand. Innerhalb von sechs Jahren schaffte es Fiala vom
parteilosen Berater zum Vorsitzenden der Partei.
Die erfuhr unter Fiala einen Paradigmenwechsel, der nicht unbedingt von
allen Mitgliedern der Basis getragen wird: Die einst euroskeptische
Partei des [2][Václav Klaus] ist unter Fiala zu einer EU-freundlichen
Partei geworden.
Als deren Vorsitzender und umso mehr noch als Regierungschef wird Fiala nun
den Eiertanz zwischen einer weiteren europäischen Integration und dem Hang
zum Nationalstaat, der in Tschechien und innerhalb seiner Stammwählerschaft
nicht unerheblich ist, zu bewältigen versuchen.
Mit seinem gepflegten bürgerlichen Image und seinen akademischen Würden hat
Fiala es geschafft, eine breite und bunte Zahl von Wählerinnen und Wählern
hinter sich zu versammeln. Er verspricht das, wonach sich die Generation
Václav Havel so sehr sehnt: ein klares Bekenntnis zu westlichen Werten und
eine Abkehr vom korporativistischen Politikstil eines Andrej Babiš, eine
weiße Weste, am besten unterm Smoking.
22 Dec 2021
## LINKS
[1] /Neues-Regierungsbuendnis-in-Tschechien/!5814374
[2] /Tschechischer-Expraesident-beraet-die-AfD/!5284949
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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