# taz.de -- Rechtsradikale in der Ukraine: Klare Kampfansage | |
> Nach dem Überfall auf eine Bar in Kiew protestieren Jugendliche gegen | |
> rechte Gewalt. Der Angriff ist nur einer von vielen. | |
Bild: Die LGBTQ-Community in Kiew wird regelmäßig von Rechten angegriffen, hi… | |
Kiew taz | Mit Plakaten wie „Stoppt den rechten Terror“ und „we dance | |
together, we fight together“ haben über 200 Menschen am Montag Abend in der | |
ukrainischen Hauptstadt Kiew gegen zunehmende rechte Gewalt protestiert. | |
Die vorwiegend jugendlichen Demonstrierenden forderten eine Aufklärung des | |
Überfalls auf die Bar „Chwyljovyj“ im Kiewer Stadtteil Podil. | |
Am vergangenen Freitag Abend hatten zwanzig Rechtsradikale versucht, in die | |
Bar einzudringen, weil diese angeblich ein Treffpunkt von Drogensüchtigen | |
und [1][Angehörigen der LGBTQ-Community] sei. Dank einer beherzten | |
Verteidigung des Wachpersonals konnte das Eindringen verhindert werden. | |
Die anschließende Belagerung der Bar durch die Rechtsradikalen wurde für | |
die Barbesucher:innen indes zu einem traumatisierenden Erlebnis, als | |
diese mit Steinen und Brandsätzen auf die Fenster warfen. Nach Angaben des | |
ukrainischen Dienstes von BBC seien unter den knapp 20 Gästen auch drei DJs | |
aus Berlin gewesen. Die Belagerer hätten auch Sätze wie „White Power“ und | |
„Tod den Päderasten“ gebrüllt. | |
Die meisten Besucher:innen hatten sich auf die Toiletten zurückgezogen, | |
um dem Gas, das Angreifer wie Verteidiger eingesetzt hatten, zu entkommen. | |
Als die Polizei 15 Minuten nach dem Anruf am Ort des Geschehens eintraf, | |
waren die Angreifer verschwunden. Trotzdem wurden an diesem Abend 12 | |
Verdächtige vorübergehend festgenommen. Gegen sie wird jetzt wegen | |
„Rowdytums“ ermittelt. | |
## Konkrete Taten | |
Bei der Demonstration am Montag Abend berichtete der Besitzer der Bar | |
„Chwyljovyj“, die Polizei habe mit ihm Kontakt aufgenommen und ihrer | |
Besorgnis Ausdruck verliehen. „Aber uns reicht ihre Besorgnis nicht“ | |
erklärte er auf der Versammlung. „Wir wollen konkrete Taten sehen.“ | |
Der Überfall am Freitag, so berichtet das ukrainische Portal graty.me, | |
reihe sich ein in eine Serie von Angriffen und Beschimpfungen, die einige | |
Bars, in denen sich [2][die LGBT-Szene] gerne trifft, seit Monaten ertragen | |
müssten. Mit einem „Kreuzzug gegen Drogennester“ wollten rechtsradikale | |
Gruppierungen den Kiewer Stadtteil Podil „säubern“. | |
Auf Twitter verurteilte die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, | |
am Dienstag Abend den Überfall „der rechten Extremisten“ auf die Bar. Nun | |
sei es an den Behörden, so Feldhusen, den Fall unverzüglich aufzuklären. | |
Einer, der die rechte Szene schon seit geraumer Zeit beobachtet, ist Sergey | |
Movchan, Koordinator des Projektes violence-marker.org.ua. Für ihn ist die | |
Reaktion der staatlichen Behörden auf diese Gewalt völlig unzureichend. | |
„Offiziell spricht man nicht von rechter Gewalt, weil man ja nicht der | |
russischen Propaganda in die Hände spielen will.“ Leite die Polizei ein | |
Verfahren ein, werde kaum ermittelt. Wenn Rechtsradikale, was selten der | |
Fall sei, verurteilt würden, erhielten sie meist Bewährungsstrafen wegen | |
weniger schwerer Vorwürfen wie Rodwdytums. Eine ähnliche Tendenz sieht | |
Movchan auch in der ukrainischen Gesellschaft. „Sogar die Vertreter der Bar | |
Chwyljovyj sprechen von ´Unbekannten´ oder ´Banditen´ und entpolitisieren | |
somit diese Gewalt.“ | |
## Chanuka-Leuchter umgeworfen | |
Unterdessen berichtet das jüdische Portal jewishnews.com.ua von Übergriffen | |
gegen jüdische Symbolik. So seien auf dem Kreschtschatik, der zentralen | |
Einkaufsmeile Kiews, und im Zentrum der ostukrainischen Stadt Dnipro | |
Chanuka-Leuchter umgeworfen worden. | |
Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet am | |
vergangenen Montag von [3][Übergriffen Rechtsradikaler gegen Roma] in dem | |
Kiewer Vorort Irpin. Dort hätten, so HRW, Mitte Oktober 50 Rechtsradikale | |
gezielt Wohnungen von Roma aufgesucht, die Bewohner:innen beschimpft | |
und Wände beschmiert. Roma seien in der Ukraine häufig Opfer von Gewalt, so | |
HRW. Nur selten würden die Täter bestraft. Noch immer gebe es kein Urteil | |
zu dem Tod des Roma-Sprechers Nikolaj Kaspizkij 2017 in der Ortschaft | |
Wilschany, beklagt HRW. | |
1 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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