# taz.de -- Schulleiter über Coronalage an Schulen: „Das schaffen wir nicht … | |
> Schulen brauchen bei der Kontaktnachverfolgung mehr Hilfe durch die | |
> Gesundheitsämter, sagt Schulleiter Niedermöller. Schulschließungen wären | |
> fatal. | |
Bild: Die Schulen sind offen in Berlin – bleiben sie es auch? | |
taz: Herr Niedermöller, wagen Sie eine Prognose – bleiben die Schulen in | |
diesem Corona-Winter offen? | |
Arnd Niedermöller: Ich fürchte, angesichts der sehr hohen Inzidenzen, | |
kommen wir bis Weihnachten in eine Situation, wo schärfere Maßnahmen | |
beschlossen werden müssen. Diese Diskussion, dass man dann auch wieder über | |
Schulschließungen redet, sehe ich kommen. | |
Und Homeschooling wäre aus Ihrer Sicht eine solche geeignete Maßnahme? | |
Schulschließungen sind mit Auslaufen der Bundes-Notbremse ab Donnerstag ja | |
erstmal vom Tisch – gerade weil man sagt, die Kontaktreduzierungen müssen | |
in der vierten Welle dieses Mal woanders stattfinden. | |
Die Schulen müssen offen bleiben, wir müssen Wechselunterricht um jeden | |
Preis vermeiden. Doch ich frage mich, wie Eltern reagieren werden, wenn | |
einerseits doch wieder ein möglicher Lockdown für den Einzelhandel kommt, | |
aber die Kinder trotz hoher Inzidenz weiter zur Schule gehen müssen. | |
Brandenburg will die Präsenzpflicht erneut aufheben – sollte Berlin sich | |
daran ein Beispiel nehmen? | |
Das wäre nicht gut. In den letzten Lockdowns, als die Schulen im | |
Wechselunterricht oder im Homeschooling waren, haben wir die Erfahrung | |
gemacht: In der Regel erreichen wir die nicht mehr, die Probleme haben. | |
Diese Jugendlichen hängen wir ab – obwohl wir sie im letzten Lockdown teils | |
zum Lernen trotzdem in die Schule geholt haben. Wir haben in diesem | |
Schuljahr auch deutlich mehr Schüler, die auf Grund ihrer Noten die Klasse | |
wiederholen müssen. | |
Müssten die Schulen nach fast zwei Jahren Pandemie inzwischen nicht | |
vorbereitet sein auf Homeschooling? | |
Das Problem ist weniger, dass man das nicht organisiert bekäme. Da haben | |
viele Schulen extrem aufgerüstet in der Pandemie. Aber wir haben eben an | |
jeder Schule die Gruppe Schüler, die es nicht schafft, morgens aufzustehen | |
und selbständig zu lernen, wenn die tägliche Schulstruktur wegbricht. Von | |
den Lehrkräften bekomme ich auch die Rückmeldung: Es sind gar nicht | |
unbedingt die Wissenslücken, die das Problem sind. Es ist die | |
Konzentrationsfähigkeit, die in der Pandemiezeit gelitten hat. Viele müssen | |
sich überhaupt erst wieder an einen ganzen Schultag gewöhnen. Die größten | |
Probleme haben meiner Beobachtung nach insbesondere die Jahrgänge 8 und 9 – | |
da kommt die beginnende Pubertät hinzu, da wirkt sich die fehlende | |
Schulzeit besonders aus. Und das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf | |
die Noten. | |
Wie ist die Situation an Ihrer Schule – sind Lerngruppen geschlossen? | |
Nein. Aber wir sehen, dass das Infektionsgeschehen zunimmt. Wir finden bei | |
den Tests mehr positive Fälle. Es ist aber auch ein sehr heterogenes Bild | |
an den Schulen, die Situation ist je nach Kiez sehr unterschiedlich. | |
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern – schaffen die Ämter | |
die Kontaktnachverfolgung überhaupt noch? | |
Auch das ist sehr unterschiedlich. Zwei Bezirke, Steglitz-Zehlendorf und | |
Friedrichshain-Kreuzberg, haben es komplett in die Hand der Schulleitungen | |
gegeben. | |
Ist das im Zweifel vielleicht auch der schnellere Weg? Es gibt KollegInnen | |
von Ihnen, die sagen: Bevor wir aufs Amt warten, machen wir das lieber | |
selbst. | |
Das ist eine Entscheidung von Pest und Cholera: Eigentlich würde man sich | |
wünschen, dass das Gesundheitsamt diese Aufgabe erledigt, es ist ja auch | |
ihre originäre Aufgabe. Meine Erfahrung ist aber, dass das nicht so | |
passiert. | |
Wie ist dann der Ablauf bei Ihnen? | |
Wir hatten zum Beispiel am Montag 8 positive Schnelltests. Das heißt, das | |
Sekretariat ruf 8 Familien an. Dann muss auf die PCR-Nachtestung gewartet | |
werden. Je nach bestätigtem Positiv-Ergebnis müssen dann wieder alle | |
Familien angerufen werden, und es muss geschaut werden: Wer saß wann neben | |
dem infizierten Kind, wurde gut gelüftet, gab es Sportunterricht. Dann | |
müssen wir die Eltern der so ermittelten Risikokontakte, meistens fünf bis | |
sechs Kinder, anrufen. Das ist sehr zeitaufwendig. Meine Sekretärin hat | |
heute morgen gesagt, das schafft sie nicht mehr. Insofern: Wenn die Schulen | |
offen bleiben sollen – und das ist ja der erklärte Wille der Amtsärzte und | |
der Politik – dann bedarf es auch einer besonderen Unterstützung der | |
Schulen durch die Gesundheitsämter. | |
Einige Bezirke haben ja bereits wieder Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr | |
gestellt. | |
Es bräuchte pro Bezirk ein oder zwei Menschen, die sich nur um die | |
Kontaktnachverfolgung in den Schulen kümmern. | |
Entscheiden die Gesundheitsämter einheitlich über die Quarantäneauflagen? | |
Nein, da bekommen die Schulleitungen teilweise sehr unterschiedliche | |
Schreiben zu Gesicht: Eigentlich können sich Kontaktpersonen, wenn sie | |
symptomlos sind, nach fünf Tagen mit einem Schnelltest in der Schule | |
freitesten. Mitunter wird aber auch ein PCR-Test verlangt. Das ist nicht | |
transparent und verwirrt. Da wäre mein Apell an die Amtsärzte: Macht doch | |
einmal einheitliche Vorlagen für Berlin. | |
23 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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