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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Stiefelstreit
> Geile Stiefel! Gar nicht billig! Leider nicht in meiner Größe. Und drohst
> du mit dem Anwalt, droh' ich mit der Anwältin. So einfach.
Das Leben ist leider kein Black Tie Event. Dennoch gibt es keinen Grund,
sich nicht schick anzuziehen. Und so kaufte ich letzte Woche auf einem
Onlineflohmarkt für 20 Euro ein Paar avocadogrüne Vintage-Stiefel, Größe
41, die, so hoffte ich, zu meinem avocadogrünen Ledermantel passen würden,
und mir das Aussehen einer Plattenproduzentin gäben, die auf dem Weg zum
Signen von ein paar Glamrockbands ist, und später noch auf einer koksigen
„Carlitto’s Way“-Party erwartet wird.
Am Dienstag kam das Paket mit den Stiefeln an. Die Verkäuferin hatte eine
Postkarte dazugelegt, auf der ein handschriftliches „Viel Spaß mit dem
Artikel!“ zu lesen war. (Die freundliche Ansprache beim Onlineverkauf hat
sich etabliert; neulich kaufte ich online eine Pumpe für mein Klo, und
bekam ebenfalls eine „Viel Spaß!“-Karte.)
Die Stiefel waren todschick. Nur nicht meine Größe: Auf den Sohlen stand
„36“. Ich brachte das Paket zurück zur Post, und mailte der
Stiefelprellerin, dass ihre Angabe zur Größe online nicht gestimmt hatte,
dass ich die Schuhe zurücksenden musste und eine Rückerstattung erwarte.
Sie schrieb, dass gebrauchte Klamotten nicht einschätzbar seien, und dass
die Größe bei derart tollen Einzelstücken keine Rolle spielt. Ich
antwortete, dass ich nur in die Stiefel hineinpasse, wenn ich mir die Zehen
abschnitte, weil meine Füße aussähen wie die von Jar Jar Binks. Sie
schrieb, dass ihr Mann Rechtsanwalt sei, und ich aufhören sollte, sie zu
belästigen.
Daraufhin überlegte ich, ob ich ihr schreiben sollte, dass ich AUCH
Rechtsanwältin sei, aber sie hätte mit einer kurzen Namensrecherche schnell
herausbekommen, dass ich nur eine Kulturjournalistin mit großen Füßen und
einer Schwäche für todschicke Stiefel bin. Dann schrieb ich, dass MEIN Mann
ebenfalls Rechtsanwalt sei, ach was sag ich, Richter, und zwar beim
Bundesverfassungsgericht, und dass er sie für immer in einen sibirischen
Gulag versetzen lassen würde, wenn sie nicht AUF DER STELLE die 20 Kröten
für die Botten rüberschieben würde. (Ein Mitglied des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts ist in meinem Alter und sieht nett aus, das ist
also nicht unrealistisch.) Die fertige Mail klang jedoch sehr nach den
fünfziger Jahren – seit wann muss ich einen Mann vorschicken?! Da schicke
ich doch lieber eine Frau vor. Ich schrieb also, dass MEINE Frau die
chinesische Juristin Xue Hanqin sei, Vizepräsidentin am Internationalen
Gerichtshof von Den Haag, und dass sie Mittel und Wege fände, Strafen für
den Verkauf falsch ausgezeichnete Langschaftstiefel aufzuerlegen, setzte
ein Smiley-Emoji mit einem Loch im Kopf darunter, und schickte die Mail ab.
Das Geld war einen Tag später auf dem Konto. Falls wer avocadogrüne Stiefel
in Größe 41 zu verkaufen hat: Bitte Bescheid geben, bin jetzt wieder
flüssig. Aber wehe, die Größe stimmt nicht.
3 Dec 2021
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Anwalt
Den Haag
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