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# taz.de -- Ermittlungen gegen Juventus Turin: Aufgeblähte Geschäfte
> Italiens Rekordmeister Juventus Turin muss neben einer sportlichen Krise
> gleich drei Ermittlungsverfahren überstehen. Es geht um Bilanztricks.
Bild: Im Fokus der Behörden: Juve-Präsident Andrea Agnelli (2. v. l.) und Viz…
Es sieht übel aus in Turin. Nach 14 Spieltagen liegen die Bianconeri
bereits 14 Punkte hinter Tabellenführer SSC Neapel. Ein
Champions-League-Platz ist sieben Zähler entfernt. Kein Wunder, meinen
Spötter, dass [1][Juventus-Chef Andrea Agnelli] zu den hartleibigsten
Verfechtern der Super League gehörte, die den Teilnehmern die Mühen
nationaler Qualifikationen erspart hätte.
Zur negativen sportlichen Bilanz gesellt sich die finanzielle. Auf 389,2
Millionen Euro sind nach Abschluss der Saison 2020/21 die Schulden
angewachsen. Und jetzt sieht sich das Management des Klubs gleich drei
verschiedenen Ermittlerteams gegenüber, die Bilanztricks vermuten.
Die italienische Börsenaufsicht Consob bezeichnete bereits im Juli die 172
Millionen Euro Einnahmen aus der Saison 2019/20 und die 43,2 Millionen Euro
aus der abgelaufenen Saison als zweifelhaft. Eine große Disziplinarmacht
kommt der Consob nicht zu. Aber Anleger sind gewarnt. Der Börsenkurs gab
nach, um mehr als 25 Prozent seit Juli. Wie es im Finanzkapitalismus so
ist, ließ die Börsenaufsicht aber eine Kapitalerhöhung von 400 Millionen
Euro zu. Von denen steuerte Exor, die Familienholding der Agnellis, 255
Millionen Euro bei. Den Rest versuchen Banken bei Privatanlegern und
Investmentfonds loszuwerden.
Keine 24 Stunden nach dieser Kapitalerhöhung ließ die Staatsanwaltschaft
Turin Geschäftsräume von Juventus durchsuchen und beschlagnahmte zahlreiche
Unterlagen. Die Ermittlung „Prisma“ begann bereits im Mai. Die
Staatsanwälte beziehen noch die Saison 2018/19 ein. Von den 322 Millionen
Euro, die Juventus durch Transferaktivitäten eingenommen haben will, halten
die polizeilichen Ermittler 282 Millionen für „Einkünfte aus Geschäften mit
anomalem Profil“.
## 42 zweifelhafte Transfers
Was das meint, lässt sich am Hin-und-Her-Geschäft mit dem [2][ebenfalls
hochverschuldeten FC Barcelona] hübsch erklären. Im letzten Sommer
wechselte der Brasilianer Arthur für 72 Millionen Euro von Barcelona nach
Turin. Der Bosnier Miralem Pjanic ging für 61 Millionen Euro den
umgekehrten Weg. Sportlich machte der Wechsel wenig Sinn. Nur sporadische
Einsätze gab es für die Neuzugänge. Finanztechnisch war die Sache aber
reizvoll. Denn die Ausgaben können über mehrere Jahre gestreckt werden,
während die Einnahmen sofort verbucht werden und die Spieler selbst auch
mit dem – stark überhöhten – Wert in den Bilanzen auftauchen.
In 42 Spielertransfers der Juventus in den letzten drei Jahren vermutet die
Staatsanwaltschaft aufgeblähte Bewertungen. Darunter sind Deals mit
Manchester City, mit den Ligakonkurrenten Sampdoria und FC Genua, aber
auch mit unterklassigen Vereinen wie Pro Vercelli, Parma, Pescara und Pisa.
Besonders pikant ist das Transferaufkommen bei der U23-Truppe der Juve. Die
spielt in der dritten Liga. In der Saison 2019/20 wurden für sie 39
Millionen Euro an Transferleistungen aufgebracht. Alle weiteren 59 Klubs
derselben Spielklasse zusammen gaben gerade mal einen einstelligen
Millionenbetrag aus. Es reichte dennoch nur für einen Platz im Mittelfeld.
Auf der Liste der Beschuldigten steht die ganz große Juve-Prominenz,
angefangen von Präsident und Milliardenerbe Andrea Agnelli über
Vizepräsident Pavel Nedved bis hin zum im Sommer in die Premier League
gewechselten Chefeinkäufer Fabio Paratici. Ihnen wirft die
Staatsanwaltschaft Bilanzfälschung vor. Kann sie das nachweisen, drohen bis
zu acht Jahre Haft.
In der Zwischenzeit hat sich auch die Sportjustiz aus der Deckung getraut.
Sie kann bei überzogenen Spielerbewertungen Punkte abziehen. Die
Betrugspraxis geht auf die späten 90er Jahre zurück und wird seitdem als
„Bilanzdoping“ bezeichnet. Justiziabel ist das selten, vor Gericht
verteidigt man sich gern damit, Opfer eigener Fehleinschätzung gewesen zu
sein. Juventus hat aber in den Augen von gleich drei Ermittlungsinstanzen
den Bogen überspannt.
30 Nov 2021
## LINKS
[1] /Juventus-Chef-Agnelli-vor-Gericht/!5445278
[2] /FC-Barcelona-ohne-Messi/!5796137
## AUTOREN
Tom Mustroph
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