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# taz.de -- Pirlo wird Trainerneuling in der Serie A: Höflicher Konterrevoluti…
> Andrea Pirlo war ein Genie auf dem Platz. Jetzt soll er Juventus an
> Europas Spitze coachen. Dabei hat er noch nie ein Team trainiert.
Bild: Als Spieler verehrt, als Trainer ohne jede Erfahrung: Andrea Pirlo
Am 30. Juli hat es eine große Pressekonferenz bei Juventus Turin gegeben.
Dabei wurde nicht etwa ein 100-Millionen-Transfer präsentiert, sondern der
neue Trainer der U23, die in der dritten Liga spielt, vorgestellt:
Weltmeister Andrea Pirlo. Ob der 41-Jährige da schon geahnt hat, dass er
nur eine Woche später zum Cheftrainer des italienischen Rekordmeisters
befördert würde?
Die Entlassung von [1][Maurizio Sarri] keine 24 Stunden nach dem
Champions-League-Aus kam jedenfalls nicht so überraschend wie die Meldung,
dass Pirlo sein Nachfolger wird. [2][Als Mittelfeldspieler war er genial],
mit dem AC Mailand holte er zweimal die Champions League und mit Juventus
viermal die Meisterschaft – als Trainer aber fehlt ihm jegliche Erfahrung.
Er hat noch nicht einmal die Trainerlizenz. Die Prüfung soll er Mitte
September bestehen. So ist sein Lebenslauf als Profi seine einzige
Qualifikation. „Er wird allen Anforderungen gerecht, um mit dem Team
weitere Erfolge zu erzielen“, heiß es in einer Mitteilung des Klubs.
Am Ende geht es bei Juventus immer nur darum, Titel zu sammeln. Zwar wurde
unter Maurizio Sarri der neunte „Scudetto“ hintereinander geholt, die
Mannschaft scheiterte aber sowohl im Pokalfinale gegen Neapel als auch im
Champions-League-Achtelfinale gegen Olympique Lyon.
Der wertvollste europäische Pokal ist in den letzten Jahren zur Obsession
bei Juventus geworden. Sarri sollte mit seiner offensiven Spielphilosophie
genau für jenen Fortschritt sorgen, der dem Team zum großen,
internationalen Triumph verhelfen würde. Doch in Turin fand Sarri kaum die
Voraussetzungen, um seinen Fußball spielen zu lassen. „Ich habe den
Eindruck, dass die Mannschaft mir nicht zuhört“, gestand der Trainer nach
der 0:1-Niederlage im Hinspiel gegen Lyon ein.
## Ungeliebter Vorgänger
Tatsächlich hat ihn der Klub nur eingeschränkt unterstützt. Zwar waren
Sportdirektor Fabio Paratici und Vizepräsident Pavel Nedved auf seiner
Seite, aber Präsident Andrea Agnelli ist nie so recht warm geworden mit
Sarri. Persönliche Vorlieben des Präsidenten erklären nicht nur die
Entlassung von Sarri, sondern auch die Wahl von Pirlo. Pirlo und Agnelli
sind schon lange befreundet.
Tatsächlich scheint das Profil von Pirlo viel besser zum Klub zu passen als
das seines Vorgängers. Er gilt als besonnen, höflich und ein wenig
distanziert – ein Gegenentwurf zu Sarris schroffem Auftreten. Viel mehr
indes weiß man über Pirlo nicht. Als Trainer ist er ein unbeschriebenes
Blatt. „Mein Team soll das Spiel dominieren und immer nach dem Sieg
streben. Ich habe schon mein Spielmodell“, sagte er bei seiner Präsentation
als U23-Coach.
Wie dieses Modell aussehen wird, erklärte er aber nicht. „Ich habe mit ihm
gesprochen, er hat fortschrittliche Spielideen“, meinte Ex-Trainer Fabio
Capello, ohne aber das Thema zu vertiefen. Pirlo hat es jedenfalls mit
einer eher veralteten Mannschaft zu tun, deren Spieler nicht besonders gut
zueinander passen. Veteranen wie Bonucci, Buffon und Chiellini, mit denen
Pirlo noch zusammengespielt hat, haben den neuen Trainer schon begrüßt und
scheinen bereit, ihn zu unterstützen.
## Schluss mit der Spielphilosophiererei
Was wird sich also tun? Die Verpflichtung von Pirlo ist ein Hinweis darauf,
dass bei Juventus Turin keine wesentlichen Veränderungen möglich sind.
Sarri sollte eigentlich die Spielphilosophie von Juventus revolutionieren.
Doch er musste schnell feststellen, dass er seine Ideen nie umsetzen
konnte, dass er viel zu viele Kompromisse eingehen musste. Dementsprechend
hatte die Mannschaft keine klare Identität. Die Revolution blieb aus.
Präsident Agnelli, der von Sarri nie überzeugt war, hat den Kurs wieder
geändert. Gewinnen ist jetzt wieder das Einzige, das zählt. Mit Andrea
Pirlo hat er zwar einen unerfahrenen Trainer eingestellt, aber einen
Liebling des Publikums und der Presse. In Italien schwärmen Fußballfans
aller Klubs genauso wie Experten und Journalisten vom Fußballverstand der
„Maestro“. Ob das reicht für den Gewinn der Champions League?
10 Aug 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Valeria Meta
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Fußball
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