# taz.de -- Sportpolitik im Tischtennis: Tauwetter am Tisch | |
> Amerikanische und chinesische Sportler bildeten bei der WM in Houston | |
> gemischte Doppel. Dies erinnerte an die Ping-Pong-Diplomatie der 70er | |
> Jahre. | |
Bild: Imperiales Duo: Chinas Lin Gaoyuan (l.) und die US-Spielerin Lily Zhang | |
Die Kommunikation zwischen China und den USA verläuft holprig dieser Tage. | |
Das war auch bei der Tischtennis-WM in Houston zu beobachten. Kanak Jha, | |
des Chinesischen nicht mächtig, und Wang Manyu, die kaum Englisch spricht, | |
wirkten unbeholfen, wann immer sie im George R. Brown Convention Center | |
gemeinsam auftraten. Der US-Amerikaner und die Chinesin bildeten in Texas | |
eines von zwei Diplomacy Doubles, amerikanisch-chinesische Kombinationen im | |
Mixed-Wettbewerb. | |
Die Diplomaten-Doppel von Houston sind eine Reminiszenz an [1][die | |
sogenannte Ping-Pong-Diplomatie]: Vor 50 Jahren hatte der Tischtennissport | |
eine Brücke zwischen den USA und China geschlagen. Anfang der 50er Jahre | |
standen sich beide Länder im Koreakrieg gegenüber, jahrzehntelang gab es | |
keinen Dialog. Das änderte sich 1971. Bei der WM im japanischen Nagoya war | |
US-Nationalspieler Glenn Cowan eines Morgens versehentlich in den Bus | |
gestiegen, der das chinesische Team vom Hotel zur Halle brachte. Chinesen | |
war zu jener Zeit der Kontakt zu US-Bürgern untersagt, doch Cowan kam auf | |
der Fahrt mit Zhuang Zedong ins Gespräch. | |
Der Hippie und der dreimalige Weltmeister freundeten sich an – und der | |
chinesische Verband lud das US-Team daraufhin nach Peking zu einem | |
Freundschaftsspiel ein. [2][Auf die Sportler folgten wenig später | |
US-Außenminister Henry Kissinger und Präsident Richard Nixon]. Das | |
Verhältnis beider Nationen normalisierte sich. Nun, da es um die | |
Beziehungen zwischen Washington und Peking wieder schlechter bestellt ist, | |
inszenieren der Tischtennis-Weltverband sowie die Nationalverbände der USA | |
und Chinas in Houston das 50-jährige Jubiläum der Ping-Pong-Diplomatie. | |
Neben dem Duo Wang/Jha bilden auch die beste US-Amerikanerin Lily Zhang und | |
der Chinese Lin Gaoyuan ein Paar. Verbände und Spieler beschwören den | |
„historischen Moment“, den sie mit viel Pathos und PR-Getrommel in Szene | |
setzen. „Wieder einmal ändert Tischtennis den Lauf der Geschichte“, sagte | |
US-Verbandschefin Virginia Sung. | |
## Liu, der Stratege | |
Als Architekt der Idee gilt der Chinese Liu Guoliang. Der | |
Einzel-Olympiasieger von 1996 ist in den vergangenen Jahren zum | |
einflussreichsten Funktionär im Tischtennis aufgestiegen. Schon als Spieler | |
war Liu ein Stratege. Nun drängt der 45-Jährige auch in den Verbänden nach | |
oben: Seit 2018 führt er den chinesischen Tischtennis-Verband, in Houston | |
ließ er sich er sich zudem zum Vizepräsidenten des Weltverbands wählen. | |
Für Liu sind die Doppel weniger eine diplomatische Annäherung denn eine | |
strategische Partnerschaft innerhalb der Sportart. Tischtennis bangt in | |
China um seine Stellung als Nationalsport, die Dominanz der Chinesen | |
schreckt selbst im eigenen Land viele Fans ab. Dass man bereit ist, für | |
Aufmerksamkeit Medaillen zu opfern, bewies China bereits 2017 in | |
Düsseldorf, als man mit den deutschen WM-Gastgebern Doppel bildete. | |
Der beste Chinese, Ma Long, trat damals an der Seite von Timo Boll an. Das | |
Duo schied früh aus, aber die Story war gut. So ist es dieser Tage auch in | |
Houston. Die USA profitieren auch sportlich: Chinesische Partner in | |
Doppel-Konkurrenzen sind fast schon eine Medaillengarantie. Nicht zuletzt | |
schlägt auch die kriselnde Weltföderation Kapital. Die ITTF möchte neue | |
Märkte erobern. Viele sagen gar: Sie muss. Und kein Markt gilt als | |
zukunftsträchtiger als die USA. Tischtennis boomt in Nordamerika, | |
entwickelt sich vom Freizeit- zum Wettkampfsport. Von der ersten WM in | |
Amerika erhofft sich das dortige Tischtennis einen Schub, der auch dem | |
Weltverband zugutekäme. | |
Der größte Erfolg auf diplomatischer Ebene liegt darin, dass weder | |
Washington noch Peking die Wiederauflage der Ping-Pong-Diplomatie | |
verhinderten. Doch auch wenn die angespannte politische Großwetterlage vom | |
Treiben am Tischtennistisch unberührt bleibt, so glückte zumindest der | |
PR-Coup. Zwar schieden Wang Manyu und Kanak Jha im Achtelfinale aus, Lily | |
Zhang und Lin Gaoyuan aber haben eine Medaille sicher – die erste | |
WM-Medaille für die USA seit 1959. Das Finale im Mixed-Wettbewerb gewannen | |
Sun Yingsha/Wang Chuqin. Sie kommen beide aus – China. | |
29 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ping-Pong-Diplomatie | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=Lnz7Ze71Pc0 | |
## AUTOREN | |
Jan Lueke | |
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