# taz.de -- Krise der Welthandelsorganisation: WTO siecht weiter | |
> Fischereirechte, Verteilung von Corona-Impfstoffen, die Rolle Chinas: | |
> Egoismen blockieren die bevorstehende Konferenz der | |
> Welthandelsorganisation. | |
Bild: Jugendliche in Hanoi, Vietnam erhalten eine Impfung. Impfgerechtigkeit is… | |
BERLIN taz | Wie relevant ist die Welthandelsorganisation (WTO) noch? Bis | |
heute wurden ihre vor 20 Jahren auf der WTO-Konferenz von Doha verkündeten | |
Absichtserklärungen über mehr Unterstützung für ärmere Länder, neue | |
Handelsabkommen und neue Regeln für den Welthandel nicht umgesetzt. Das | |
einst als große völkerrechtliche Neuerung hochgelobte WTO-interne | |
Streitschlichtungsverfahren funktioniert wegen der Blockade durch die USA | |
nur eingeschränkt. | |
Auch die 12. MinisterInnenkonferenz, die am kommenden Montag in Genf | |
beginnen soll, dürfte das [1][Siechtum der Organisation] kaum überwinden. | |
Zu groß sind die [2][Egoismen und widerstreitenden Interessen] insbesondere | |
der vier gewichtigsten WTO-Mitglieder, USA, EU, China und Japan. | |
Das gilt auch für eines der diesmal wichtigsten Themen, den Fischfang. | |
Bereits seit der Doha-Konferenz im November 2001 verhandelt die WTO ein | |
Abkommen über Fischereisubventionen, die den Fischfang derzeit auch | |
Tausende Kilometer von der Heimat entfernt lukrativ machen. Dabei ist ein | |
Drittel der Bestände weltweit überfischt. Darunter leiden in erster Linie | |
die ärmeren Staaten des Globalen Südens. Einer kanadischen Studie zufolge | |
betrugen die Fischereisubventionen 2018 weltweit 31 Milliarden Euro, 63 | |
Prozent davon wurden als „schädlich“ eingestuft. | |
Größte Subventionsgeber sind China, gefolgt von Japan und der EU. China ist | |
auch besonders stark in Gewässern fernab der heimischen Küsten aktiv. | |
Natürlich behaupten alle subventionierenden WTO-Mitglieder, ihre Zahlungen | |
seien verantwortungsbewusst. Die Länder des Südens wollen Zugeständnisse, | |
damit sie ihre Fischerei noch ausbauen können. | |
## Nachweispflicht für Subventionen denkbar | |
Nach Einschätzung von Genfer HandelsdiplomatInnen wäre daher bestenfalls | |
eine Einigung denkbar, die keine Kürzung von Subventionen vorsieht. Länder | |
müssten dann allerdings nachweisen, dass ihre Subventionen nicht schädlich | |
sind. Wenigstens gebe es dann ein System, in dem Länder ihre Subventionen | |
offenlegen und sich dem prüfenden Blick der anderen aussetzen müssten. | |
Um eine schnelle und [3][global gerechte Verteilung und Versorgung mit | |
Corona-Impfstoffen] zu ermöglichen, fordern zudem über 100 der 164 | |
WTO-Mitglieder bereits seit Oktober vergangenen Jahres eine vorübergehende | |
Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe, der im WTO-Abkommen | |
über den Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) verankert ist. | |
In bislang acht ergebnislosen Verhandlungsrunden des zuständigen | |
WTO-Ausschusses hat vor allem die EU diese Forderung blockiert. Bei dieser | |
in Brüssel wesentlich von Deutschland durchgesetzten Haltung will die EU | |
auch in Genf bleiben, obwohl sich die von ihr propagierten Alternativen für | |
mehr Impfungen in den Ländern des Südens sämtlich als unzureichend erwiesen | |
haben. Die USA, auch selbst Impfstoffhersteller, hatten ihre Einwände gegen | |
eine vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes bereits im Mai weitgehend | |
zurückgenommen. | |
## Möglichkeit zu Zwangslizenzen | |
Die EU ist allerhöchstens bereit, besonders impfstoffbedürftigen Ländern | |
die Möglichkeit zu Zwangslizenzen einzuräumen. Damit können diese Länder | |
zwar ohne Zustimmung der Pharmakonzerne die Nutzung von Patenten und damit | |
die Produktion anordnen. Der Patentschutz bliebe aber in Kraft, neue | |
Produzenten müssten Lizenzgebühren zahlen. Außerdem könnten die in Genf | |
versammelten MinisterInnen in einer gemeinsamen Erklärung zu „Handel und | |
Gesundheit“ auch versprechen, die lange weit verbreiteten Handelsbarrieren | |
bei Masken und anderem medizinischen Schutzmaterial fallen zu lassen. | |
Weiteres Thema: die Streitschlichtung bei Handelsdisputen. Diese | |
funktioniert seit Ende 2019 nur noch in erster Instanz, weil US-Präsident | |
Donald Trump die Ernennung von Mitgliedern der Berufungsinstanz blockierte. | |
Die Biden-Regierung setzt die Blockade bislang fort. Damit will Washington | |
Reformen erzwingen. Insbesondere die WTO-Regeln für Staatsbetriebe und die | |
Kontrolle von Subventionen sind den USA | |
wichtig. Die Forderungen zielen in erster Linie auf China. Nicht nur die | |
USA, auch die EU, Kanada und andere Industriestaaten werfen Peking vor, mit | |
der Bevorzugung eigener Staatsbetriebe gegenüber in China tätigen | |
ausländischen Unternehmen sowie mit zumindest überhöhten Subventionen | |
WTO-Regeln zu verletzten. China kontert diese Vorwürfe mit dem Hinweis auf | |
seinen Status als „Entwicklungsland“, mit dem es 2001 der WTO beigetreten | |
ist. | |
Für Entwicklungsländer gelten bei den WTO-Abkommen und -Regeln oft | |
schwächere Auflagen oder längere Übergangsfristen. Doch inzwischen ist | |
China zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit aufgestiegen. Die EU teilt | |
die Kritik an China weitgehend, kritisiert aber die Sabotage des | |
Schlichtungsmechanismus, und das nicht ganz uneigennützig: Die unter Trump | |
erlassenen „Strafzölle“ gegen die EU können so nicht im Rahmen der WTO | |
geklärt werden. | |
27 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Welthandelsorganisation-in-der-Krise/!5747076 | |
[2] /Oekonom-zur-Welthandelsorganisation/!5649443 | |
[3] /Aerztin-ueber-globale-Impfgerechtigkeit/!5813281 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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