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# taz.de -- Abu Dhabis Kronprinz in Türkei: Besuch vom „Schwarzen Prinzen“
> Präsident Erdoğan empfängt seinen einstigen Widersacher, den Kronprinzen
> von Abu Dhabi. Beide Autokraten sind aufeinander angewiesen.
Bild: Mohammed bin Zajid, MbZ, auch „Schwarzer Prinz“ genannt
Istanbul taz | Den „Schwarzen Prinzen“ nannte die türkische Presse bis vor
Kurzem noch Mohammed bin Zajid. MbZ, wie der Kronprinz von Abu Dhabi, dem
wichtigsten Teilstaat der Vereinigten Arabischen Emirate, auch genannt
wird, war für die türkische Regierung noch im letzten Jahr des Teufels.
„Wenn sie fragen, wer die Region destabilisiert, wer das Chaos bringt, dann
würden wir ohne Zögern Abu Dhabi nennen“, sagte der türkische Außenminist…
im Sommer vergangenen Jahres auf einer Pressekonferenz zur Situation im
östlichen Mittelmeer. „Sie sind die Kraft, die Libyen ins Chaos stürzt und
den Jemen zerstört hat.“ – Harte Worte für den Mann, der in den Emiraten
das Sagen hat und der für die türkische Regierung jahrelang, spätestens
seit dem sogenannten Arabischen Frühling 2011, ein Mann der Finsternis war.
Doch die Zeiten ändern sich: An diesem Mittwoch wird MbZ persönlich in der
Türkei eintreffen, um sich mit Recep Tayyip Erdoğan an einen Tisch zu
setzen. Schaut man sich die letzten Jahre an, ist dieses Treffen fast so
spektakulär wie die diplomatische Anerkennung Israels durch die Vereinigten
Arabischen Emirate im August vergangenen Jahres.
Der Schwarze Prinz ist offenbar bereit, mit seinem größten Gegner in der
Region Frieden zu schließen, und auch Erdoğan hat spätestens seit
vergangenem August, als er sich in Ankara mit dem Sicherheitsberater von
MbZ, Scheich Tahnun Bin Zajid traf, zu erkennen gegeben, dass er für einen
Politikwechsel bereit ist. Die Gründe für den Sinneswandel der beiden
Autokraten sind vielfältig.
Der Krieg in Libyen, wo die beiden maßgebliche Unterstützer der jeweils
anderen Seite waren, geht seinem Ende entgegen und es geht darum, sich in
Zukunft das Terrain aufzuteilen. Auch der Konflikt mit Katar, das Erdoğan
mit türkischen Truppen unterstützte, als die Emirate, Saudi-Arabien und
Ägypten die Kataris wegen deren Hilfe für die Muslimbruderschaft ökonomisch
und militärisch strangulieren wollten, hat sich mittlerweile wieder
beruhigt.
## Türkische Wirtschaft vor dem Kollaps
Der größte Sprung über den eigenen Schatten dürfte für Erdoğan sein, MbZ
dessen angebliche Finanzierung des Putschversuchs 2016 durch die
Gülen-Sekte zu verzeihen. Möglicherweise hat Scheich Tahnun diese Vorwürfe
im Gespräch mit Erdoğan entkräften können, oder aber die Emirate haben
Versprechungen gemacht, künftig gegen Gülen-Kader vorzugehen oder sie gar
an die Türkei auszuliefern.
Im Gegenzug dürfte Erdoğan zugesagt haben, künftig von allzu großer
Unterstützung der Muslimbrüder Abstand zu nehmen, eine Forderung, die auch
Ägypten, Saudi-Arabien und Israel als Vorbedingung für eine Verbesserung
der Beziehungen formuliert haben. Denn die Muslimbrüder sehen die
Autokraten am Golf wie auch die Militärdiktatur in Ägypten und auch Israel,
das mit der Hamas einen Ableger der Muslimbrüder als Nachbarn hat, als
ihren größten Feind an.
Die Annäherung zwischen MbZ und Erdoğan ist deswegen Teil der sich
wandelnden Situation in der Region, nachdem US-Präsident Joe Biden anders
als sein Vorgänger die Scheichs nicht mehr bedingungslos unterstützt und
stattdessen wieder das Gespräch mit Teheran sucht. Die Emirate,
Saudi-Arabien und auch Israel könnten ein Interesse an Erdoğans Kontakten
zu Teheran haben.
Erdoğan dagegen sieht langsam ein, dass er nicht zuletzt aus ökonomischen
Gründen aus der Isolation, in die er sich im gesamten Nahen Osten und im
östlichen Mittelmeer hineinmanövriert hat, herauskommen muss, damit die
türkische Wirtschaft nicht endgültig kollabiert. MbZ ist dabei der Mann,
der helfen kann. Die Emirate sind reich und könnten Erdoğan mit
Investitionen und kurzfristigen Krediten weiterhelfen. Katar allein schafft
das nicht mehr, so groß wie der Finanzbedarf der Erdoğan-Regierung
mittlerweile ist.
Erdoğan hat zudem noch einen speziellen Wunsch an MbZ: Von Dubai aus
liefert der Mafiaboss Sedat Peker seit Monaten Enthüllungen über
Korruptionsaffären der türkischen Regierung, stoppen konnte das Erdoğan
bislang nicht. Sollten die Emirate Peker ausliefern, wäre er wohl bereit,
auch einigen Muslimbrüdern in der Türkei seinen Schutz zu entziehen.
Für MbZ steht außerdem noch ein freudiges Ereignis in der Türkei an. Seit
Dienstag tagt die Generalversammlung von Interpol in Istanbul und [1][wird
wohl erstmals einen hohen emiratischen Polizeifunktionär, Ahmed Nasser
al-Raisi, Foltervorwürfen zum Trotz zum Präsidenten wählen]. Da kann MbZ
gleich vor Ort gratulieren.
24 Nov 2021
## LINKS
[1] /Praesidentenposten-von-Interpol/!5816237
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Vereinigte Arabische Emirate
Israel
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Türkei
Schwerpunkt Türkei
Interpol
Vereinigte Arabische Emirate
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