# taz.de -- Prozess gegen CDU-Kommunalpolitiker: Angeschossener im Kreuzverhör | |
> 2019 soll der CDU-Politiker Hans-Josef Bähner in Köln einen Mann | |
> rassistisch beleidigt und angeschossen haben. Seit Freitag steht er vor | |
> Gericht. | |
Bild: Am Freitag startete der Prozess gegen den CDU-Politiker Bähner am Landge… | |
KÖLN taz | Merkwürdig wirkt die Verhörsituation, der sich Krys M. im | |
Landgericht Köln stellen muss. Mit einer illegalen Waffe wurde der heute | |
22-Jährige [1][vom CDU-Kommunalpolitiker Hans-Josef Bähner] in der Nacht | |
auf den 30. November 2019 angeschossen. Eine Kugel aus einer Pistole vom | |
Typ Bernadelli Modell 60 durchbohrte die Schulter und den Oberarm von Krys | |
M. „Scheiß-Kanaken“, „Drecks-Ausländer“ soll der Christdemokrat dabei | |
gerufen haben. | |
Der Angeschossene, der bis heute über Schmerzen und Albträume klagt, wurde | |
in Polen geboren, kam im Alter von sechs Jahren nach Deutschland. Drei | |
Freunde, die ihn am Tatabend begleiteten, haben Eltern mit Wurzeln etwa in | |
der Türkei oder in Afghanistan. | |
Wegen Körperverletzung, illegalen Waffenbesitzes und Beleidigung muss sich | |
Bähner deshalb seit Freitag, knapp zwei Jahre nach dem Schuss, vor der 14. | |
Großen Strafkammer des Landgerichts Köln verantworten – pandemiebedingt war | |
der Prozess über Monate verschoben worden. Fragen zum Tathergang muss über | |
Stunden aber nicht der Angeklagte, sondern Krys M. beantworten. | |
Wie genau [2][die Angelegenheit vor dem Haus des Christdemokraten] in | |
Köln-Porz direkt am Rhein gegen Mitternacht abgelaufen sei, will nicht nur | |
der Vorsitzende Richter Ralph Ernst, sondern auch Bähners Verteidiger Mutlu | |
Günal von Krys M. wissen. Ob der Kommunalpolitiker den Angeschossenen und | |
seine drei Begleiter, die am Flussufer entspannen wollten, wirklich direkt | |
und sofort beleidigt habe? Wann M. realisiert habe, dass der heute | |
74-Jährige tatsächlich eine Waffe in der Hand hielt, ob auch er selbst den | |
Rentner beschimpft habe? Und ob nicht auch er versucht habe, Bähner zu | |
schlagen? | |
## Sportschütze seit 1975 | |
Der Kommunalpolitiker, der sein Mandat in der Bezirksvertretung Köln-Porz | |
erst Ende Januar niedergelegt hat und dessen Name in der Kölner Lokalpresse | |
erst veröffentlicht wurde, nachdem ihn CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf | |
Twitter genannt hatte, muss am ersten Prozesstag dagegen kaum ein Wort | |
verlieren. | |
Stattdessen lässt Bähner, Sportschütze seit 1975, seinen Verteidiger Günal | |
eine rührselige Geschichte vortragen: Schon im September 2019 sei eine | |
Nachbarin von Jugendlichen „mit einem Messer“ bedroht worden. Nur deshalb | |
habe er „im Nachttisch“ zwei Waffen aufbewahrt – neben der | |
Bernadelli-Pistole, die er von einem an Krebs verstorbenen Bekannten quasi | |
als Abschiedsgeschenk „zur Erinnerung“ erhalten haben will, auch noch einen | |
Revolver Marke Smith&Wesson. Auch Munition war offensichtlich in | |
Reichweite. | |
In der Nacht des Schusses habe er sich von Krys M. und dessen Freunden | |
keineswegs in seiner Nachruhe gestört gefühlt, ließ Bähner über seinen | |
Anwalt erklären. Als sein Hund noch einmal herausgemusst habe, seien ihm | |
direkt vor seinem Gartentor Personen aufgefallen, die scheinbar „in eine | |
Auseinandersetzung verwickelt“ gewesen seien. „Wir sind selbst die | |
Polizei“, hätten die auf seine Frage, ob sie Hilfe bräuchten, geantwortet. | |
Als er die Situation dann genauer habe betrachten wollen, habe ein „Mann | |
mit einer Kapuze“ nach ihm geschlagen – und ihm dabei einen Fingerknochen | |
gebrochen. | |
## Rassist oder nicht? | |
Erst danach habe er das siebenschüssige Magazin in die Pistole gesteckt und | |
die Waffe durchgeladen, ließ Bähner erklären. Beim Versuch, einen | |
Warnschuss in die Luft abzugeben, sei ihm dann der Arm weggeschlagen | |
worden. Nur deshalb habe er Krys M. aus fünf Zentimetern Entfernung | |
angeschossen, glaubt der Angeklagte, der nach eigener Aussage selbst | |
Sportschützen ausgebildet hat. | |
Und noch eines weiß der unter Rassismusvorwurf stehende Christdemokrat ganz | |
genau: Rassistisch beleidigt habe er niemanden. „Ich vertrete keine | |
ausländerfeindlichen Haltungen, habe die Begriffe ‚Scheiß-Kanake‘ oder | |
‚Drecks-Ausländer‘ nie benutzt“, lässt er seinen Anwalt vortragen. Der | |
räumt nur ein, was nicht zu leugnen ist: „Fassungslos“ sei sein Mandant | |
2015 „über die offenen Grenzen“ gewesen. Der Flüchtlingspolitik der | |
Bundes-CDU stehe Bähner „sehr kritisch gegenüber“. Und ja, auf Facebook | |
habe der Bezirksvertreter auch Inhalte des „rechtsradikalen“ Blogs | |
„Journalistenwatch“ geteilt. | |
Dass der User eines Accounts namens „Hajo Bähner“ auch AfD-Fraktionschefin | |
Alice Weidel mit „gefällt mir“ markierte, „Gutmenschen“ kritisierte und | |
über eine angebliche „EU-dSSR“ schwadronierte – darüber spricht der Anw… | |
der in der Vergangenheit auch schon Islamisten wie den mittlerweile | |
ausgestiegenen Hassprediger Sven Lau verteidigt hat, dagegen nicht. | |
„Das Opfer ist mein Mandant“, verkündet Mutlu Günal in einer Prozesspause | |
trotzdem. Als Vertreter der Abteilung für Staatsschutz und politische | |
Strafsachen sei Staatsanwalt Sinan Sengöz schlicht auf „die Lügen des | |
vermeintlichen Opfes“ Krys M. hereingefallen. Denn der und seine Freunde | |
hätten in ihrer ersten Vernehmung durch die Kölner Polizei gar nicht | |
angegeben, rassistisch beleidigt worden zu sein. Dieser Vorwurf sei erst | |
Tage später zuallererst gegenüber Medien geäußert worden, so Anwalt Günal. | |
Erst danach sei „die Propagandamaschine“ gegen den CDU-Mann angelaufen. | |
## Scharfe Fragen an das Opfer | |
Entsprechend scharf waren die Fragen, mit denen Günal und Co-Verteidiger | |
Boris Krösing Krys M. konfrontierten. Warum Bähners rassistische | |
Beleidigungen nicht sofort Thema gewesen seien und ob er sich mit seinen | |
bei der Tat anwesenden Freunden nachträglich abgesprochen habe, wollten sie | |
von dem 22-Jährigen wissen. Krys M., der schon zu Beginn der an eine | |
Vernehmung erinnernden Befragung eingeräumt hatte, an dem Abend Wodka | |
getrunken und gekifft zu haben, wirkte zusehends verunsichert. Seine | |
Erklärung, er habe bei der ersten Befragung, also wenige Stunden nach dem | |
Schuss durch seine Schulter und seinen Oberarm, unter dem Einfluss starker | |
Schmerzmittel gestanden, ignorierten Günal und Krösing dagegen konsequent. | |
„Der Zeuge fühlt sich mittlerweile als Angeklagter“, kritisierte die | |
Verteidigerin von Krys M., Edith Lunnebach, nach mehr als fünf Stunden | |
Befragung. Allein schon deren Ablauf dürfte für die Initiative „Tatort | |
Porz“, die immer wieder auf Aufklärung gedrungen hat, ein weiterer Beleg | |
für den „institutionellen Rassismus“ in Teilen von Medien, Justiz und | |
Gesellschaft sein. „Der Prozess ist wegen einer möglichen Corona-Gefahr für | |
Bähner monatelang verschoben worden – und wegen ‚fehlender Dringlichkeit�… | |
sagte die Pressesprecherin von „Tatort Porz“, Berena Yogarajah, der taz bei | |
einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude. | |
Schwer vermittelbar sei auch, warum Bähner nur wegen gefährlicher | |
Körperverletzung und nicht zumindest wegen versuchten Totschlags angeklagt | |
worden sei. Der Prozess wird am kommenden Freitag fortgesetzt. | |
6 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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