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# taz.de -- Die Wahrheit: Sadistische Möbeldesigner
> Die Anschaffung von Polstermöbeln gehört zu den letzten großen Abenteuern
> unserer Zeit. Doch an der Sofakante droht manche Beziehung zu
> zerschellen.
Support your local Möbelgeschäft! Hol das Geld von der Bank, es wird jeden
Tag fünf Prozent weniger wert! Und überhaupt, wie sieht denn das Sofa aus,
das geht ja gar nicht. Abgewetzt, durchgesessen, mit Katzenrotz garniert.
Das war die Exposition.
Der langatmige Hauptteil hieß Sofas gucken, dann Sofas gucken und außerdem
Sofas gucken. Coole Menschen wissen, was sie wollen, und bestellen ihre
Möbel im Internet, aber mit Polstermöbeln lebt man ja fast so lange
zusammen wie mit dem Ehepartner, wobei sich die Ehedauer bis zur Scheidung
in den letzten Jahrzehnten verlängert hat, doch auch die Möbel sind heute
robuster konstruiert.
Wo war ich stehen geblieben? Ach so, ja, der Liebste und ich wollten den
nicht unsichtbaren, gut gepolsterten Dritten in unserer Beziehung live
anschauen, ehe wir ihn kauften. Wir haben uns ja schließlich gegenseitig
auch nicht im Internet bestellt. Obwohl das natürlich lustig wäre: Ihr
Liebster wird heute zwischen 11 und 13.30 Uhr geliefert. Bitte bestimmen
Sie einen Ablageort, falls Sie Ihren Liebsten nicht persönlich in Empfang
nehmen können. Der Ort sollte nicht einsehbar sein und keine Paketstation.
Zwischendurch reisten wir zur Erholung nach Berlin, weil unsere Beziehung
in eine polstermöbelkritische Phase geraten war. Ich war geneigt,
Möbeldesigner für eine Bande sadistischer Gestörter mit
Wahrnehmungsproblemen aller Art zu halten, denen Klumpigkeit und
Klotzizität als höchste aller Ziele erschienen. Im Traum wurde ich von
galoppierenden Sitzmöbeln verfolgt. Der Liebste fand immer wieder Dinge
schön, die ich um keinen Preis in der Wohnung haben wollte, und kritisierte
andererseits meine fantastischen Einrichtungsideen. Er war einfach nicht
mehr der Mann, den ich im Internet bestellt hatte.
Was soll ich sagen, auch in Berlin gibt es Sofas. Eines mochte ich sogar,
aber der Liebste wandte ein, er könne daraus nicht ohne fremde Hilfe wieder
aufstehen – die Idee, dass das vielleicht manchmal im Alltag ganz praktisch
sein könnte, kam mir zu spät.
Sofalos kehrten wir zurück, fuhren zum nächsten Möbelgeschäft, entschieden
uns nun plötzlich – Schlussteil – Hals über Kopf für irgendwas, weil wir
den ganzen Zirkus leid waren. Das ist das Geheimnis unserer guten Ehe: Wir
können sehr pragmatisch sein, aber erst, nachdem alle anderen Optionen
gezogen wurden.
Weniger pragmatisch war die Verkäuferin im Kampf mit der computergestützten
Sofakonfiguration: „Wo ist denn der Designfuß? Ich krieg die Ecke da nicht
rein!“, wimmerte sie und rief einen Kollegen an: „Du, ich bin hier im
Excalibur, und der setzt mir die Füße nicht an! Was soll ich denn machen?
Die Füße! Die Füße!“
Kurz erwog ich den Vorschlag, mal bei König Artus nachzufragen, aber am
Ende kommt der noch wirklich vorbei und schlägt mir mit seinem Schwert
meine hübschen Designfüße ab. Und dann kann ich auch nicht mehr vom Sofa
aufstehen.
8 Dec 2021
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Möbel
Design
Ehe
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Dry January
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