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# taz.de -- Die Wahrheit: Kanadas Hünin
> Tagebuch einer Überseeischen: Die beeindruckendste Kanadierin aller
> Zeiten kann Gebäude mit ihrem Gelächter erzittern lassen.
Seit ich weiß, dass die Kanada-Woche der Wahrheit eine Kolumne zum Thema
von mir verlangt, halte ich Zwiesprache mit dem Ahornbaum vor meinem
Fenster und flehe um Inspiration. „O, wie schön ist Kanada!“, säusele ich
lockend und schaue zu, wie er freundlich, aber desinteressiert im Wind
nickt, buntes Laub abwirft und Kanada für mich ein unbeschriebenes
Ahornblatt bleibt. In einem Leben, von dem ich aus kanadischer Sicht
sechzehn Jahre im Nachbarland USA vergeudete, habe ich nicht ein einziges
Mal den Fuß über die Grenze gesetzt.
Der Grund war tiefer Respekt, ausgelöst von meiner kanadischen, in New York
lebenden Freundin Maryann, einer beeindruckend selbstbewussten,
rotgelockten Hünin, ehemalige Basketballprofispielerin mit einer Stimme im
Dezibelbereich eines Presslufthammers. In ihrer Freizeit pflügte sie auf
öffentlichen Basketball Courts beim Dribbel-Lauf zum Korb reihenweise
Männer nieder, um sich nach gewonnenem Kampf mit Unmengen ihrer
Lieblingsspeise zu stärken, Schweinekotelett und dem kanadischen
Nationalgericht Poutine, eine Delikatesse aus in Bratensoße ertränkten und
mit geschmolzenem Industriekäse asphaltierten mehligen Pommes.
Sie kam aus Toronto und wohnte in einem winzigen Einzimmerappartement,
dessen Küchenspüle gleichzeitig als Badewanne diente, was selbst ein
filigrane Ballerina vor Probleme gestellt hätte. Maryann war eine
Naturgewalt, ihr Lachen ließ Gebäude erzittern. Was würde mich bei den
restlichen 35 Millionen Kanadiern erwarten?
Bis ich Maryann kennenlernte, war Leslie Nielsen mein Referenzkanadier. Ich
kann sämtliche „Nackte Kanone“-Filme nachspielen, auf Wunsch auch gern die
Töpferszene, freiwillige Partner bitte melden. Er wäre ein Grund gewesen,
mal in das Land zu pilgern, aus dem die USA einen beträchtlichen Teil ihrer
Crazy Comedians importieren; allerdings erkannte ich schnell, dass sowieso
halb Kanada in den USA rumhing.
Wie sich herausstellte, teilte ich nämlich lange, ohne es zu wissen, einen
Fahrstuhl mit dem kanadischen Produzenten der von mir verehrten Kult Show
„Saturday Night Live“, dem ich schon während einer freudlosen Jugend eine
frühe Sozialisation mit John Belushi und dem Kanadier Dan Aykroyd verdanke.
Als ich erfuhr, wer da täglich mit mir im Lift stand, wagte ich kaum, ihn
anzusprechen. Damals zerlegte in seiner Show jeden Samstag die große
Comedienne Tina Fey die um die Vizepräsidentschaft wahlkämpfende irre
Gouverneurin Sarah Palin, und ich murmelte nicht ganz akzentfrei ein
ehrfürchtiges „Das war wirklich sehr, sehr funny“, worauf er unbewegt
erklärte: „Tina hat deutsche Vorfahren.“ Ich nickte begeistert und sagte,
wir Deutsche seien ja weltweit für unseren Humor bekannt, was ihn dazu
veranlasste, mir mit nachdenklichem Blick zwei Tickets zu schenken.
Ich lud Maryann ein, das Studio erbebte unter ihrem Gelächter. Danach nahm
ich vorsichtshalber eine Weile die Treppe.
21 Oct 2021
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
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Kanada
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