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# taz.de -- Siegerin der Rad-WM: Blaues Wunder
> Elisa Balsamo ist Weltmeisterin. Die Favoritinnen aus den Niederlanden
> können über die Arbeit der Italienerinnen für ihre Kapitänin nur staunen.
Bild: Freudenschrei: Elisa Balsamo überquert die Ziellinie
Löwen taz | Sport ist, wenn sich nicht immer die Favoritinnen oder
Favoriten durchsetzen. Das wurde beim [1][WM-Straßenrennen der Frauen in
Flandern] deutlich. [2][Das niederländische Team], im Frauenradsport mit
zuletzt vier Weltmeisterinnentiteln in Folge etwa so dominant wie ein
gewisser bayrischer Fußballklub in der Bundesliga, startete auf der letzten
Runde durch die Brauereistadt Löwen eine Attacke nach der anderen.
Ob Lucinda Brand, im Frühjahr noch Siegerin der Thüringen-Rundfahrt, Ellen
van Dijk, die neue Zeitfahrweltmeisterin, oder Annemiek van Vleuten, mit
ihren vielen und grandios herausgefahrenen Siegen so etwas wie der Muhammad
Ali des weiblichen Zweiradsports auf Asphalt und Pflaster – sie alle
schossen mit Attacken aus dem Feld hervor. In normalen, in weniger heiß
umkämpften Rennen, wäre wohl jede dieser Attacken tödlich gewesen.
An diesem Samstagabend in Flandern hatte jede Frau im Oranje-Dress aber
noch einen blauen Schatten. Ob Marta Cavalli, Marta Bastianelli oder Elisa
Longo Borghini – stets parierte eine Italienerin den Angriff. Oft genug sah
man in jenen Momenten auch noch ein weiß-rotes Trikot vorn, sodass man
schwer erstaunt über die tolle Mannschaftsleistung der Polinnen war. In
diesem Falle handelte es sich aber um nur eine einzige Athletin, die beim
deutschen Rennstall Canyon SRAM unter Vertrag stehende Katarzyna
Niewiadoma. Niewiadoma attackierte teilweise auch noch selbst – mit dem
Ergebnis, dann über einen doppelfarbigen Schatten aus Orange und Blau zu
verfügen.
„Ich wollte einfach auf jedem dieser kleinen Hügel attackieren. Aber stets
gingen da eine Niederländerin und eine Italienerin mit. Und leider wollte
von denen niemand mit mir arbeiten“, sagte Niewiadoma, und fügte säuerlich
lächelnd auf der Siegerinnenpressekonferenz hinzu: „Jetzt weiß ich auch,
warum.“ Die Polin war dort zwar eingeladen, aber eben nur als Dritte. Der
Stuhl neben ihr war für Weltmeisterin Elisa Balsamo aus Italien
freigehalten, und an der anderen Seite von Balsamo nahm Marianne Vos, die
Grande Dame des Rennsports aus den Niederlanden, Platz. Balsamo, die erst
23-jährige Überraschungsweltmeisterin, strahlte.
Vos, dreifache Weltmeisterin zwar, aber jetzt schon zum siebten Mal
Vizeweltmeisterin, wusste nicht recht, ob ihr zum Heulen oder zum Lachen
zumute war. Sie machte dann eben beides. Sie freute sich auf der
Pressekonferenz über Silber. Tränen der Enttäuschung vergoss sie zuvor
inmitten ihrer ebenfalls enttäuschten Teamkameradinnen.
## Perfekt vorbereiteter Sprint
Sie bekam Zuspruch. „Ich schäme mir die Augen aus dem Kopf für Marianne,
denn wir hätten als Team besser funktionieren müssen“, meinte etwa van
Vleuten. Denn im entscheidenden Moment war Vos, die beste Sprinterin des
Teams, allein. Für Italien hingegen riss auf dem letzten Kilometer Elisa
Longo Borghini eine Lücke. In ihrem Windschatten war die spätere
Weltmeisterin Balsamo, dahinter Vos. Den perfekt angefahrenen Sprint
entschied Balsamo.
Die 23-Jährige ist ganz sicher eine Überraschungssiegerin. Denn fast jede
Athletin, die man vorher befragte, ging davon aus, dass eine Niederländerin
gewinnen würde. „Die haben für jede Rennsituation eine Fahrerin. Jede von
ihnen kann gewinnen“, meinte etwa Lisa Brennauer, die im
Überraschungsrennen einen guten 9. Platz herausfuhr. Dass sie sich selbst
mehr erwartet hatte, ist eine andere Geschichte. Balsamos Sieg fiel für sie
aber auch nicht aus heiterem Himmel. „Sie kommt von der Bahn, bringt da
Explosivität mit. Und sie hat bei den Frühjahrsklassikern in diesem Jahr
gezeigt, dass sie da auch vorn mitfahren und um den Sieg sprinten kann“,
analysierte die deutsche Kapitänin.
Ausgerechnet die geschlagene Vos hatte Balsamo sogar als ihre persönliche
Favoritin für dieses WM-Rennen auf dem Zettel. „Sie ist sehr schnell, sie
kommt mit kleinen Anstiegen und auch dem Kopfsteinplaster gut zurecht. Sie
war für mich die Gefährlichste“, meinte Vos. Dass ihre Ahnung sich
bewahrheitete, lag aber auch an der überragenden Mannschaftsleistung
Italiens. Wie die Frauen in Blau jeden Angriff der Oranjes parierten, war
lehrbuchreif.
Stoisch vertrauten sie darauf, dass Balsamo, die keinen einzigen Tritt vorn
im Wind fahren musste und Kräfte fürs Finale sparen konnte, tatsächlich die
Beste sein würde. Jede einzelne dieser Rennfahrerinnen widerstand auch der
Versuchung, vielleicht doch mit der Niederländerin mitzugehen, die sie
gerade beschatten sollte, oder gemeinsam mit der Polin Niewiadoma
davonzufahren und den eigenen Erfolg zu suchen.
Mit Elisa Balsamo hat der Frauenradsport jetzt eine neue Königin. Sie ist
multitalentiert, feierte auf der Bahn in der Verfolgung, dem Omnium, dem
Madison und dem Scratch erste Erfolge. Sie hat auch das Zeug dazu, auf der
Straße noch viel zu gewinnen.
26 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Tom Mustroph
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