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# taz.de -- Spitzenpartie in Wolfsburg: Schönster Scheiß
> Das hochklassige Spiel zwischen Wolfsburg und Gladbach berührt wirklich
> alle. Selbst den Verlierern aus Niedersachsen wird applaudiert.
Bild: In Ekstase: Joe Scally bejubelt seinen Treffer zum 3:1 für Mönchengladb…
Wolfsburg taz | Auch das Fußballstadion wird immer mehr zu einem Ort, an
dem man nicht ist, obwohl man dort ist. Weil das eigene Erleben zu reizlos
scheint, kann man sich nicht mehr auf das Spiel konzentrieren und flieht
ständig mit seinem Smartphone an andere Orte, um zu checken, was sonst so
los ist und ob es woanders vielleicht aufregender ist.
Dieser Verlust, sich im Stadion zu spüren, wurde beim 1:3 des VfL Wolfsburg
gegen Borussia Mönchengladbach spektakulär aufgehoben in einer
Schlussviertelstunde, in der die Ordnung verloren ging und die großen
Gefühle entstehen konnten. Es waren Minuten voller Intensität, beginnend
mit dem Platzverweis des VfL-Innenverteidigers Maxence Lacroix (76.) wegen
Foulspiels und dem daraus resultierenden Strafstoß, den Gladbachs Kapitän
Lars Stindl (78.) verschoss.
Plötzlich stimmten all die abgegriffenen Standards der Sprache, der Rasen
brennt, die Luft fühlt sich elektrisch an, es wird existenziell. Nicht im
Sinne, dass man sterben würde oder seinen Arbeitsplatz verlieren, aber
existenziell im Sinne, dass man plötzlich körperlich und emotional im
Geschehen drin ist, dass man sich spürt, und zwar nicht als Teil der
zuschauenden Masse, sondern als Teil des Spiels. Man lebt in diesen Minuten
im Rhythmus eines hektischen Auf und Ab, des unbedingt vorn eins reinhauen
wollen und im anderen Moment hinten eines reinkriegen können.
Wie man im Eishockey den Torwart rausnimmt, um vorn einen mehr zu haben, so
stellte [1][VfL-Trainer Mark van Bommel] beim Stand von 1:2 hinten
Roussillon und Arnold als letzte Verteidiger breit auf – und warf einen
Mittelstürmer nach dem anderen in die Partie; zu Weghorst kamen Nmecha,
Ginczek, sogar Brooks. In der kleinen Hoffnung, das nächste Tor könnte vorn
fallen und nicht hinten, wie es wahrscheinlicher war.
## Von größter Intensität
Tatsächlich hatten die Wölfe dann auch ein paar richtig gute Chancen,
gleichzeitig drohte ihnen bei jedem Konter der endgültige K. o. Dann wurde
auch noch Roussillon wegen Notbremse vom Platz gestellt, dann wurde das Rot
zurückgenommen, dann hielt Sommer Waldschmidts platzierten 18-Meter-Schuss.
Und in der 95. Minute foulte Arnold den davonstürmenden Scally schon gar
nicht mehr, weil das nichts mehr gebracht hätte, und Schiedsrichter
Willenborg pfiff nach dessen 1:3 auch gar nicht mehr an, weil das auch
nichts mehr gebracht hätte. Danach waren alle platt, die unten auf dem
Rasen, die oben auf den Tribünen, und irgendwann prasselte Beifall auf
beide Teams herab. Es war nicht magisch, aber es war so intensiv, dass in
dieser Zeit keiner ein Smartphone brauchte.
Mit etwas Abstand ist nun die analytische Frage, ob denn Wolfsburgs
Superstart in die Saison (vier Siege) stark dem Spielplan geschuldet war,
der ihnen Bochum, Hertha und Fürth beschert hatte. Die letzten fünf Spiele
hat man nicht mehr gewonnen. Es ist offensichtlich, dass der
verletzungsbedingte Verlust des Sechsers Xaver Schlager schwer zu
verkraften ist, dadurch wird der Aufbau auf das Pass-Spiel von Maximilian
Arnold reduziert, und es fehlt ein zentrales Moment beim dynamischen
Umschalten.
Der VfL hat ja seinen Erfolg der Vorsaison (Platz 4) einem funktionierenden
Umschaltfußball zu verdanken Damit kann man nicht mehr kommen, wenn man so
früh 0:2 zurückliegt wie gegen Mönchengladbach (Embolo, 5., Hofmann, 7.).
Ursache waren herausragende Aktionen des Borussen-Mittelstürmers Breel
Embolo, aber auch ein Ausbruch von Schlampigkeit im Verteidigen, wie er
beim Wolfsburger 1:3 in Hoffenheim letzte Woche erstmals auffällig geworden
war.
„Am Anfang geben wir das Spiel weg, dann laufen wir diesen ersten Minuten
hinterher“, sagte Mark van Bommel, und fand, „dass wir das gegen eine
schlaue Kontermannschaft gar nicht so schlecht gemacht haben.“ Kann man so
sehen, Gladbach war sehr gut, aber Wolfsburg hatte auch seine Chancen. Aber
van Bommels Arbeitsauftrag, dem Team neben dem Umschaltspiel ein
druckvolles Ballbesitzspiel beizubringen, endet derzeit noch dreißig Meter
vor dem gegnerischen Tor.
Die besonderen Qualitäten der Einzelnen sind sichtbar, etwa die des
Neuzugangs und Torschützen Luca Waldschmidt (24.), aber sie werden noch
nicht zusammengebracht. Oder sie sind im Moment außer Betrieb wie im Falle
[2][des Torjägers Wout Weghorst]. Aber auch wenn VfL-Leader Maximilian
Arnold die Partie als „so ein Scheiß“ klassifizierte und das aus seiner
Sicht verständlich ist, muss man als Fußballliebender sagen: So einen
Scheiß gerne öfter!
3 Oct 2021
## LINKS
[1] /Start-von-VfL-Trainer-van-Bommel/!5789498
[2] /VfL-Wolfsburg-im-Wandel/!5728624
## AUTOREN
Peter Unfried
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