# taz.de -- Zapatisten in Berlin: Auf der Suche nach Verbündeten | |
> Derzeit reist eine zapatistische Delegation durch Europa, für eine Woche | |
> sind acht Compañeros in Berlin. Am Freitag wollen sie demonstrieren. | |
Bild: Mitglieder der zapatistischen Armee beim Jahrestag des zapatistischen Auf… | |
BERLIN taz | Als sich die acht Zapatisten, die zuvor unauffällig an einem | |
Biertisch saßen, auf eine Bühne am Oranienplatz gerufen werden, ertönt | |
langanhaltender, warmherziger Applaus. Mehrere hundert Menschen sind am | |
Mittwochnachmittag zu der ersten öffentlichen Veranstaltung der | |
[1][indigenen Delegation aus dem südmexikanischen Chiapas in Berlin] | |
gekommen. Die Männer, die ihre Gesichter allesamt hinter Masken und unter | |
schwarzen Basecaps verbergen, werden als „Compas“, als Freunde vorgestellt. | |
Viele im Publikum verbinden mit ihnen die Hoffnung auf eine bessere Welt, | |
jenseits von Kapitalismus, Unterdrückung und Umweltzerstörung. | |
Die Zapatisten, die seit ihrem bewaffneten Aufstand 1994 gegen den | |
mexikanischen Zentralstaat ihren Anspruch auf autonome und | |
basisdemokratische Selbstorganisierung verteidigen, sind in diesen Wochen | |
in Europa unterwegs. Mitte Juni landeten die ersten von ihnen nach | |
50-tägiger Seereise in Spanien, 500 Jahren nach der Rückkehr von | |
Christopher Kolumbus. So richtig los ging die groß organisierte [2][„Reise | |
für das Leben“ als 177 Zapatisten Mitte September in Wien aus dem Flugzeug | |
stiegen]. Mehr als 70 touren in diesen Wochen durch Deutschland, nach einem | |
großen Treffen im Wendland nun aufgeteilt in 13 kleinen Teams. | |
Auf ihrer Suche nach Verbündeten ist ihr Programm prall gefüllt. In sechs | |
Tagen Berlin-Aufenthalt haben die Guerilleros zahlreiche Treffen mit | |
politischen Gruppen der radikalen Linken und migrantischen | |
Selbstorgnisation, dazu Kulturveranstaltungen, Ankunfts- und | |
Abschiedszeremonien. Jeder Termin ist zeitlich getaktet, jedes Essen und | |
jede Wegstrecke zwischen Prinzessinnengärten, Bethanien und Köpi geplant, | |
öffentlich ist davon nichts. Für nicht-Eingeweihte in Erscheinung tritt die | |
Delegation nur zwei mal. Ton- oder Bildaufnahmen der Compañeros sind auf | |
dem Oranienplatz verboten. | |
Am Freitag wird die zapatistische Delegation demonstrieren. Unter dem Titel | |
„gegen die Todesmaschinerie des kolonialen Kapitalismus“ geht es durch | |
Mitte vorbei an den Sitzen von auch in Mexiko bekannten Unternehmen wie | |
Heckler & Koch oder Bayer-Monsanto. Zum Auftakt am Schiffbauerdamm hin | |
führt eine Schiffsdemo mit der Anarche. Im Aufruf dazu heißt es: „Ihr kamt | |
mit Schiffen, um zu kolonialisieren, um Waffen zu bringen und zahlreiche | |
Länder zu zerstören. Jetzt kommen wir mit dem Schilf, um uns gemeinsam | |
gegen eure Versuche uns auszulöschen zu erheben“. | |
## Auf Traum-Reise durch Europa | |
Auf dem O-Platz ist die Stimmung eher festlich als kämpferisch. Eine | |
Ausstellung informiert über die Geflüchtetenkämpfe an diesem Ort, in einem | |
Zelt können Kinder zapatistischen Geschichten lauschen und Piñata schlagen. | |
Auf der Bühne nennt der erste Redner aus Chiapas die Reise einen „Traum“. | |
Angesichts jahrelanger Vorbereitungen und unzähliger Steine, die ihnen | |
mexikanische und andere Behörden in den Weg legten, ist sie tatsächlich ein | |
besonderes Ereignis. | |
Weitere Redner sprechen über die Lebensbedingungen ihrer Großeltern, die | |
für Großgrundbesitzer auf Fincas arbeiten mussten. Ausführlich erzählen | |
sie, Satz für Satz durch Übersetzer unterbrochen, wie ihre Vorfahren | |
Steinhäuser errichten, Tiere in die Städte trieben und Salzsäcke schleppen | |
mussten, nur Maisbrei zu Essen erhielten und ausgepeitscht wurden. | |
Entwürdigt und entrechtet waren die Menschen in diesem ärmsten Bundesstaat | |
Mexikos noch vor wenigen Jahrzehnten. Erst ihr Aufstand habe diesen Zustand | |
beendet, so der – unausgesprochene – Subtext. | |
Es ist eine von fünf Erzählungen, die die Zapatisten auf ihrer Reise | |
teilen, „um die Geschichte ihrer Bewegung näher zu bringen“, sagt die | |
Moderation im Anschluss. Welche Bedeutung sie aber für die Zuhörer habe? Es | |
gebe „Gemeinsamkeiten zum Kapitalismus hier und heute“, so die Antwort, | |
auch hier würden noch immer „Menschen ausgebeutet und gequält“. Der | |
wirkliche Austausch der Bewegungen, lehrreiche Debatten über Strategien und | |
Zusammenarbeit, findet womöglich woanders statt. In klandestineren | |
Zusammenkünften. | |
7 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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