# taz.de -- Favorit Wout van Aert bei Radsport-WM: Alleskönner unter Druck | |
> Bei der Rad-WM in Belgien kann Favorit Wout van Aert mit vielen | |
> gegnerischen Attacken und der Unterstützung von einer Million Anhänger | |
> rechnen. | |
Bild: Liebling der Massen: Wout van Aert auf den letzten Metern zum WM-Silber i… | |
Wout van Aert soll den Belgiern den WM-Titel im Straßenrennen am Sonntag | |
bringen. Der multitalentierte Radprofi wird einhellig als Favorit benannt, | |
von Rivalen wie dem wichtigsten Herausforderer Mathieu van der Poel | |
(Niederlande) bis hin zum deutschen Kapitän Nils Politt. Auf dem Belgier | |
lastet aber auch der Druck einer ganzen Nation. Neun Jahre ist der letzte | |
Titel bislang her. Die stolze belgische Bilanz von 26 WM-Titeln in 100 | |
Jahren Rad-WM ist vor allem eine Sache der länger zurückliegenden | |
Vergangenheit. Van Aert ist in seiner sehr seltenen Kombination von | |
Zeitfahrstärke, Kletterfähigkeiten und Explosivität aber auch ohne den | |
Heimbonus ein heißer Kandidat für das Regenbogentrikot. | |
[1][Radweltmeisterschaften in der Brauereistadt Leuven] bedeuten zunächst | |
vor allem Bier und Räder. Bereits am Freitagvormittag sah man längs der | |
Rennstrecke des Juniorenrennens der WM Horden von älteren Männern und | |
Frauen an Biertischen stehen und fröhlich die mal goldgelbe, mal dunkler | |
getönte Flüssigkeit in sich hineinschütten. | |
Immerhin, sie standen an der Rennstrecke, und jubelten zwischen dem einen | |
und dem anderen Schluck auch mit sichtbarer Leidenschaft den Fahrern zu. | |
„Radsport ist hier in Flandern fast eine Religion“, sagte Tomas van den | |
Spiegel, Organisator der Flandernrundfahrt und auch im Organisationskomitee | |
dieser WM tätig. | |
Man wächst mit dem Rad auf, fährt in der Jugend wie im Alter täglich über | |
die zahlreichen Kopfsteinpflasterpassagen in den Innenstädten und auf dem | |
Land und erwirbt dabei jene Radbeherrschung, die das Fahren bei den | |
Kopfsteinpflasterklassikern dann auch im Wettkampf so natürlich und | |
spielend leicht aussehen lässt. Kopfsteinpflasterpassagen sind auch in | |
diesen WM-Parcours eingebaut. Sogar zwei Anstiege sind gepflastert. „Dort | |
wird das Rennen sicher schwer gemacht“, blickt Deutschlands Road Captain | |
Nikias Arndt auf den Sonntag voraus. | |
## Bestechende Spätform | |
Klassikerspezialisten sind da im Vorteil. Nils Politt, deutsche Nummer eins | |
bei diesem WM-Rennen, ist ein solcher Spezialist. Der Kölner wurde schon | |
Zweiter bei Paris–Roubaix und wies mit einem Etappensieg bei der Tour de | |
France nach, dass er Rennen vorn beenden kann. | |
Favorit ist aber Van Aert. Der Belgier ist der dominierende Klassikerfahrer | |
der letzten beiden Jahre. Er gewann Gent–Wevelgem und das Amstel Gold Race | |
in diesem Jahr, Mailand–Sanremo und Strade Bianche im letzten. Er war schon | |
Zweiter bei der Flandernrundfahrt und dem Pfeil von Brabant – jenen Rennen, | |
die vom Profil her dem WM-Kurs am meisten ähneln. Vor allem aber ist Van | |
Aert in bestechender Spätform. Bei Olympia wurde er Zweiter im | |
Straßenrennen. Bei der WM holte er Silber im Einzelzeitfahren. Das zeigt | |
bereits die Klasse, die bei Van Aert so breit gestreut ist wie derzeit bei | |
keinem anderen Straßenprofi. | |
[2][An Variabilität stellt er sogar das andere Multitalent Mathieu van der | |
Poel in den Schatten.] Der Enkel des legendären Raymond Poulidor reiste | |
ohnehin mit geringen Erwartungen an. Den Niederländer plagen noch die | |
Blessuren, die er sich bei seinem Sturz im olympischen Mountainbike-Rennen | |
zugezogen hat. Vor allem der Rücken zwickt. „Die Sessions mit meinem | |
Physiotherapeuten haben aber geholfen und die Spannung gelindert. Ich habe | |
auch mehr Rückenmuskulatur aufgebaut. Ich will natürlich mein Bestes geben. | |
Aber die Vorbereitung war nicht ideal“, meint er. | |
Zu beachten sind außerdem noch Titelverteidiger Julian Alaphilippe aus | |
Frankreich und Kasper Asgreen, Sieger der Flandernrundfahrt in diesem | |
Frühjahr. Asgreens dänisches Team, zu dem der dreifache | |
Vuelta-Etappensieger Magnus Cort sowie Ex-Weltmeister Mads Pedersen | |
gehören, ist ohnehin Geheimfavorit für das Finale dieses WM-Rennens. | |
Sie alle werden Van Aert zusetzen. Der kann sich aber der Unterstützung von | |
einer Million Zuschauern sicher sein. Mit so viel Menschen entlang der | |
Strecke rechnet Van den Spiegel. „Das sind unsere Erfahrungen von der | |
Flandernrundfahrt. Und dank der veränderten Coronasituation konnten wir | |
das Rennen mit Zuschauern planen.“ | |
Für ihn werde die WM ein toller Erfolg, wenn auch noch ein Belgier gewinne, | |
ergänzt er lachend. Falls Van Aert nicht erfolgreich ist, sieht Van den | |
Spiegel aber nicht Staatstrauer an den Hellingen ausbrechen. „Dann trinken | |
wir eben noch ein bisschen mehr.“ | |
25 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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