Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Werder Bremen vor der Aufsichtsratswahl: Neuer Rechtsaußen für We…
> Linke Fans protestieren gegen einen Aufsichtsrats-Kandidaten, dem sie
> Nähe zum Rechtsextremismus vorwerfen. Am Wochenende könnte er gewählt
> werden.
Bild: Werders politische Haltung ist klar – solange es um Banner und nicht um…
Bremen taz | Eine Neuigkeit ist es erst auf den zweiten Blick: denn dass
Rechte im Bremer Weserstadion Fuß fassen wollen, ist ein alter Hut. Neu ist
hingegen, dass es diesmal offenbar nicht in den Rängen, sondern weiter oben
im Aufsichtsrat passiert. So jedenfalls lautet der Vorwurf der linken
Ultra-Gruppe Infamous Youth – und gemeint ist Oliver R. Harms, einer von
sieben Kandidaten für den neuen Aufsichtsrat.
Dass er zumindest AfD-nahen Positionen nicht abgeneigt ist, soll ein
E-Mail-Wechsel belegen, der den Ultras zugespielt wurde. In einem Statement
vom Dienstag umriss die Gruppe die Inhalte der Mails und sprach sich gegen
Harms Kandidatur aus – also nicht nur gegen seine mögliche Wahl, sondern
auch dagegen, dass er überhaupt auf der Liste gelandet ist. „Mit den
Werten, die den SV Werder ausmachen, wird dies nur wenig zu tun haben“,
endet der Beitrag.
In den Mails geht es um folgendes: Harms hatte sich an einen Kriminologen
gewandt, um sich über angebliche Antifa-Strategien zu informieren. Er habe
gefragt, so die Ultras, wie sicher seine Aufsichtsratskandidatur gegen
„Deplatforming“-Versuche aus der linken Szene sei. Dabei habe er Bücher aus
der extrem rechten Szene zitiert, zum Beispiel den Titel „Gegenmacht. Die
militante Linke und der kommende Aufstand“ von Carsten D. Hoffmann. Der
ehemaligen AfD-Kandidat für Rotenburg beschreibt darin die angebliche
Strategie „der Antifa“, politische Gegner*innen zu sabotieren.
## Unterlagen abhanden gekommen
Der befragte Kriminologe ließ Oliver R. Harms allerdings abblitzen, verwies
auf dessen wenig zuverlässige Quellen und verortete die Gefahrenlage für
den politischen Diskurs ohnehin eher auf rechter als auf der linken Seite.
Die vollständige Mail-Korrespondenz konnte die taz auch auf Nachfrage bei
Infamous Youth nicht einsehen. Aber die Ultra-Gruppe wusste nicht als
einzige Bescheid. Auch einige Funktionäre bei Werder kennen die Mails, wie
auch Werder-Sprecher Michael Rudolph bestätigt.
Denn nicht nur „Infamous Youth“ wurde der Mail-Austausch zugespielt. Auch
Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald hatte die Unterlagen bereits im
Juni erhalten, wie er gegenüber dem Weser-Kurier bestätigt. Er habe sie
daraufhin auch an den Wahlausschuss weitergeleitet. Nur sind die Unterlagen
auf diesem Wege offenbar irgendwo abhanden gekommen. Ausschussvorsitzender
Peter Eilers will sie jedenfalls nicht gesehen haben – nicht vor der
Ernennung und auch nicht während der zahlreichen stundenlangen Vorgespräche
mit Harms. Er und der Wahlausschuss hätten nach bestem Wissen und Gewissen
gehandelt“, sagte er dem Weser-Kurier.
Ein Kuriosum ist es aber mindestens, dass Harms es trotz des Vorfalls auf
die Liste eines sich stets weltoffen und tolerant gebenden Vereins
geschafft hat. Das Verfahren zur Wahl des Aufsichtsrats ist traditionell
undurchsichtig gestaltet, zumindest bis zur Veröffentlichung der
Kandidatenliste durch den Aufsichtsrat. Das kommt noch aus einer Zeit, als
diese Wahlen reine Formsache waren und Posten nicht so umkämpft wie in der
aktuellen Post-Abstiegs-Stimmung. In den nun anstehenden
Richtungsentscheidungen wird der Aufsichtsrat voraussichtlich eine stärkere
Rolle spielen als zuletzt.
Der Wahlausschuss ist eine Blackbox aus Präsidiums- und
Ehrenratsmitgliedern: Bewerber*innen rein, Kandidatenliste raus. (Und das
ist in diesem Fall auch genau richtig gegendert.)
„Der Wahlausschuss ist da relativ autark“, sagt Pressesprecher Rudolph. Und
so ist auch nicht abschließend nachvollziehbar, warum die beiden
Kandidatinnen mit kleinem i es nicht auf die Liste geschafft haben. Die
Kriterien, nach denen der Wahlausschuss entscheidet, könne dieser sehr frei
wählen. Grundsätzlich, so Rudolph weiter, habe der Ausschuss per Statuten
bloß darauf zu achten, dass die Vitae der Kandidat*innen mit den Zielen
des Vereins übereinstimmen. „Dem Ausschuss wird sehr viel Vertrauen
entgegengebracht“, sagt Rudolph.
Dieses Vertrauen ist allerdings der Grund, warum der frischgebackene
Zweitligist Werder diese und übrigens auch andere Aufsichtsrats-Pannen nun
auszubaden hat. Gegenüber dem Weser-Kurier sagte der Vorsitzende Seilers,
er habe nicht gedacht, dass so ein Vorfall so eine große Reaktion von Fans
auslösen würde. Das wiederum hätten auch die Ultras nicht gedacht: „Wir
fragen uns schon, ob die Leute dort ein Verständnis von einer modernen,
extremen Rechten haben oder ob sie nur an Männer in Springerstiefeln
denken“, sagt dazu ein Vertreter von Infamous Youth.
## „Es ist ein Widerspruch, Werder und die AfD gut zu finden“
Werder Bremen hatte nicht immer eine linke Fanszene und lange Zeit hat sich
der Verein auch ausdrücklich als unpolitisch verstanden. Noch in den 90er-
und frühen 2000er-Jahren [1][wurde die Szene von rechten Fangruppierungen
dominiert], oder zumindest von Fans, die niemanden für einen
Thor-Steinar-Pulli kritisierten.
Der Wandel kam 2007, nachdem etwa zwei Dutzend rechte Hooligans linke Fans
im Ostkurven-Saal des Weserstadions überfielen und verprügelten. Seitdem
flammten Konflikte zwischen rechten und linken Gruppen zwar immer wieder
auf, aber insgesamt dominieren linke Gruppen wie Infamous Youth und Ultra
Team Bremen weitgehend unwidersprochen.
Auch die Funktionäre stehen dazu: [2][„Es ist ein Widerspruch, Werder und
die AfD gut zu finden“], hat Hubertus Hess-Grunewald einmal gesagt. „Der
Verein muss jetzt beweisen, dass seine antirassistische Arbeit nicht nur
Feigenblatt oder Imagepflege ist“, heißt es dazu von Infamous Youth.
Was mit Oliver R. Harms passiert, entscheidet der Wahlausschuss in den
nächsten Tagen. Donnerstagabend wurde er bereits zu einem Gespräch mit dem
Ausschuss zitiert. Vielleicht fliegt er von der Liste. Wenn nicht, steht er
am Sonntag zur Wahl für den Aufsichtsrat, bei der alle Vollmitglieder
abstimmen können.
3 Sep 2021
## LINKS
[1] /Ultras-in-Bremen/!5418560
[2] /Werder-Vorstand-Hubertus-Hess-Grunwald/!5534634
## AUTOREN
Lisa Bullerdiek
## TAGS
Werder Bremen
Ultras
Fanszene
Fußballvereine
Kolumne Frühsport
Fußball-Bundesliga
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Fans
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verzwergung der Fußball-Bundesliga: Zweitklassige Topspiele
Der Höhepunkt dieses Wochenendes findet mit Werder gegen den HSV in der
Zweiten Liga statt. Tradition verkauft sich besser als guter Fußball.
Werder Bremen verliert gegen Wolfsburg: Schmale Chance verpasst
Die Frauen von Werder Bremen verlieren im zweiten Saisonspiel 0:2 gegen den
VfL Wolfsburg. Sie schöpfen aber Mut für die nächsten Spiele.
Anti-Rassismus-Gesten im Fußball: Gründe zum Niederknien
Der deutsche Profifußball zeigt sich gern solidarisch mit den
Black-Lives-Matter-Protesten. Das Engagement in der Ferne würde man sich
auch hier wünschen.
Werder Bremen gegen AfD-Fans: Keine Dauerkarte für Rechtsaußen?
Werder-Präsident Hess-Grunewald drohte einem AfD-Sympathisanten, die
Dauerkarte wegzunehmen und ruderte nach Empörung wieder zurück.
Ordnungsamt rehabilitiert Werder-Ultra: Täter und Opfer verwechselt
Obwohl er von Neonazi-Hooligans zusammengeschlagen wurde, bekam ein
Werder-Fan ein Aufenthaltsverbot in Bremen. Das zieht das Amt nun zurück.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.