# taz.de -- Ex-Landeschef in Rheinland-Pfalz: Uwe Junge verlässt die AfD | |
> Der Bundeswehr-Oberst tritt aus der Partei aus, als Grund nennt der er | |
> deren Radikalisierung. Doch auch er selbst ist alles andere als gemäßigt. | |
Bild: Uwe Junge verlässt die AfD, die ihm „Alles Gute im politischen Ruhesta… | |
BERLIN taz | Die AfD verliert immer mehr Feigenblätter: Der ehemalige | |
Landesvorsitzende aus Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, hat am Sonntagabend auf | |
Facebook seinen Austritt aus der Partei bekanntgegeben. Seine Erklärung | |
liest sich wie eine Abrechnung. Als Gründe für seinen Austritt gibt Junge | |
dort die Radikalisierung der Partei durch den offiziell aufgelösten extrem | |
rechten Flügel an und beklagt die Aufstellung von Opportunisten, die nur | |
auf Listenplätze schielten. Damit meint er die vom Flügel favorisierten | |
Spitzenkandidat*innen für die Bundestagswahl Alice Weidel und Tino | |
Chrupalla. So werde die „[1][Unwählbarkeit der AfD] immer | |
offensichtlicher“, schreibt Junge. | |
Junge werde zusammen mit seiner Frau Claudia Junge austreten, weil ihn die | |
Entwicklung der AfD „zutiefst betrübt“, wie er schreibt. Allen voran sei er | |
vom Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland enttäuscht, „der mit seiner | |
schützenden Hand einen völlig überschätzten [Björn d. R.] Höcke am viel zu | |
rechten Rand gewähren ließ“ und den rechtsextremen Andreas Kalbitz „bis in | |
die höchsten Parteiämter förderte“. Junge selbst gilt als einer der | |
Organisatoren des innerhalb der AfD als gemäßigt geltenden Lagers um den | |
Bundessprecher Jörg Meuthen. | |
Junge selbst war allerdings im September 2018 in Chemnitz auf einer Demo | |
Seit’ an Seit’ marschiert mit den prominenten Flügel-Anführern Höcke und | |
Kalbitz sowie Pegida-Gründer Lutz Bachmann und vielen Neonazis. | |
Während der Fußball-Europameisterschaft 2021 bezeichnete er die | |
Regenbogenflagge am Arm der Nationalmannschaftskapitäns Manuel Neuer als | |
„Schwuchtelbinde“, woraufhin er selbst von Spitzenkandidatin Weidel | |
kritisiert wurde. Dienstliche Probleme hatte der Oberstleutnant der | |
Bundeswehr Junge auch schon einmal – nachdem er Bundeskanzlerin Angela | |
Merkel eine „Vaterlandsverräterin“ nannte. | |
## Angst ums eigene Ansehen | |
Nun teilt Junge gegen die noch Radikaleren aus der AfD aus: Laut seinem | |
Statement versteht sich die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall | |
eingestufte Junge Alternative als „Höckejugend“, die Kalbitz die Treue | |
halte und „dem bekennenden NS-Sympathisanten Helferich“ zur Seite stehe. | |
Matthias Helferich wird über die Landesliste in NRW als Teil der | |
AfD-Fraktion [2][voraussichtlich in den Bundestag einziehen], obwohl er den | |
berüchtigten NS-Richter Roland Freisler in privaten Chats als Vorbild | |
genannt hatte und ein Bild von sich selbst mit „das freundliche Gesicht des | |
NS“ kommentiert hatte. | |
Die AfD-Spitzenkandidat*innen Weidel und Chrupalla hatten im Bundesvorstand | |
gegen ein Parteiausschlussverfahren in der Causa Helferich gestimmt und | |
werden mit ihm künftig wohl die Fraktionsbank im Bundestag teilen. | |
Bundessprecher Jörg Meuthen, der sich selbst als Antipode zu den | |
rechtsradikalen Kräften seiner Partei bezeichnet, hatte auf einen | |
Ausschluss Helferichs gedrängt. | |
Junge schreibt nun, der Umgang mit dem „bekennenden NS-Sympathisanten“ | |
Helferich zeige, dass sich die Mehrheiten im Bundesvorstand verschoben | |
hätten: „Die Ausfälle von Gauland, Höcke, Kalbitz und anderen kann ich auf | |
Dauer nicht mehr mittragen, weil sie einen selbst in Mithaftung nehmen und | |
das eigene Ansehen beschmutzen.“ | |
## Spitzenkandidat Chrupalla ätzt zurück | |
Aus der sehr langen und ausführlich Abrechnung Junges lässt sich | |
herauslesen, dass der ehemalige Bundeswehroffizier lange aktiv versucht | |
hat, den Flügel zurückzudrängen. Dafür sprechen auch kürzlich bekannt | |
gewordene interne Chats, die von anderen ausgetretenen Mitgliedern | |
veröffentlicht wurden. Nun sieht Junge aber offenbar keine Möglichkeit | |
mehr, den Rechtsdrift der Partei abzuwenden. „Damit ist das Projekt AfD | |
gescheitert“, schreibt Junge. Er werde bei der Bundestagswahl die | |
„Liberal-Konservativen Reformer“ vom ehemaligen AfD-Bundessprecher Bernd | |
Lucke wählen. | |
Junge beklagt weiter, die Ost- und Westverbände der AfD seien seit dem | |
Bundesparteitag in Dresden voneinander entfernt. Als Beispiele dafür nannte | |
Junge unter anderem die Dexit-Forderung aus dem Wahlprogramm, also die | |
Idee, dass Deutschland die EU verlässt, und das „anbiedernde Verhältnis zu | |
Russland“. | |
Zuletzt hätte die innerparteilich „oberflächlich geführte Debatte zum | |
Afghanistan-Einsatz“ sowie „das uneinheitliche Abstimmungsverhalten der | |
Bundestagsfraktion zur Epidemischen Lage“ die „Unfähigkeit der Partei- und | |
Fraktionsführung gezeigt“: „Das ist derart laienhaft, unprofessionell und | |
Wähler abschreckend, dass das auch dem einfachsten Protestwähler früher | |
oder später auffallen wird“, schreibt Junge. | |
Mittlerweile gibt es erste Reaktionen aus der AfD: Spitzenkandidat Tino | |
Chrupalla meldete sich [3][zu Wort]: Junge sei mit seinem Austritt einem | |
Parteiausschlussverfahren zuvor gekommen, schreibt Chrupalla auf Twitter | |
und schließt mit den Worten: „Ich danke Herrn Junge für seine Aufbauarbeit. | |
Alles Gute im politischen Ruhestand!“ | |
30 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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