# taz.de -- Deutsches Fechten in der Krise: Sie heißt gar nicht Fichtel | |
> Leonie Ebert ist als einzige Deutsche im Florettfechten angetreten. Trotz | |
> ihres Ausscheidens bei Olympia zeigt sie sich zufrieden. | |
Bild: Leonie Ebert zeigt Gefühle | |
Mehrmals brüllt Alice Volpi ihre Freude mit aller Kraft heraus. In der | |
leeren Konzert- und Kongresshalle von Tokio kommt das besonders gut zur | |
Geltung. Leonie Ebert kann diesen etwas derben Emotionsausbruch ihrer | |
italienischen Gegnerin durchaus auch als feines Kompliment lesen. | |
Denn es ist ein verdammt enges Gefecht gewesen, das sie der | |
Florett-Weltmeisterin von 2018 in der Runde der letzten 16 bietet. Zu | |
Beginn geht die 21-jährige Deutsche mit forschen Offensivaktionen 6:2 in | |
Führung, ehe sich Volpi Schritt für Schritt zurückkämpft und letztlich | |
15:13 gewinnt. | |
„Es wäre mehr drin gewesen. Es ist natürlich schade, wenn man den Sieg so | |
knapp verpasst“, bilanziert Ebert das Ende ihres ersten Olympiaauftritts. | |
Viel mehr Worte des Bedauerns will sie aber an diesem Sonntag nicht | |
verlieren. „Generell habe ich einen ganz guten Tag erwischt und bin | |
zufrieden mit meinem Fechten.“ Im ersten ebenfalls sehr engen Duell gegen | |
die US-Amerikanerin Jaqueline Dubrovic hat sie beim Stand von 14:14 | |
Nervenstärke bewiesen und den entscheidenden letzten Treffer gesetzt. | |
Die Fechterinnen in Deutschland haben den Auftritt von Ebert gewiss mit | |
großer Aufmerksamkeit verfolgt, was auch daran liegt, dass sie keine andere | |
Deutsche hätten verfolgen können. Leonie Ebert ist die einzige, die sich | |
für Tokio hat qualifizieren können. Bei den Sommerspielen in Seoul 1988 | |
gewannen die deutschen Fechter:innen noch acht Medaillen (7 BRD/1 DDR). | |
Und die Florettfechterinnen Anja Fichtel, Sabine Bau, Zita Funkenhauser | |
besetzten allein das Podest. Mit den Jahren zählte man immer weniger | |
Medaillen und auch Teilnehmerinnen an den Spielen. | |
Leonie Ebert, die vor zwei Jahren schon unter den Top Ten der Weltrangliste | |
stand, weckt bei vielen wieder Fantasien, die mit diesen goldenen Zeiten | |
verbunden sind. Im Sport wird nach ewig andauernden Phasen der | |
Erfolgslosigkeit der Hang zur Ähnlichkeitsforschung sowieso immer größer. | |
Und so versucht Ebert mit dem stetigen Anja-Fichtel-Vergleich tapfer zu | |
leben. Dass Fichtel bereit mit 20 Jahren Olympiasiegerin wurde, „inspiriert | |
mich natürlich“, sagte sie vor wenigen Wochen. | |
## Gute kleine Fechtnationen | |
Die Probleme der deutschen Frauen in der Weltspitze mitzuhalten, erklärt | |
Ebert mit der enormen Entwicklung in den letzten Jahren der vermeintlich | |
kleinen Fechtnationen. Sie verweist auf das Teilnehmerfeld an diesem Tag in | |
Tokio, in dem etwa eine Tunesierin, drei Ägypterinnen und drei Japanerinnen | |
stehen. | |
Aber man werde alles tun, wieder erfolgreicher zu sein. Sie sagt: „Das hier | |
macht Lust auf mehr.“ Die sterilen Bedingungen dieser Spiele haben sie nur | |
wenig tangiert. „Es ist ein unglaubliches Gefühl von seinem Team angefeuert | |
zu werden und diese Teamzugehörigkeit zu spüren. Das hat micht total | |
gepusht auf der Bahn.“ Die drei deutschen Säbelfechter, die am Tag zuvor | |
früh in ihrem Wettbewerb früh ausschieden, seien da gewesen und eventuell | |
gar mehr. | |
Auch von der Atmosphäre der ganzen Veranstaltung ist Leonie Ebert völlig | |
angetan: „Dass so eine Stimmung aufgekommen ist trotz Corona, hätte ich | |
niemals erwartet. Alle waren so positiv, alle waren so glücklich einfach | |
dazu sein, endlich diesen Wettkampf zu machen.“ | |
Die Bewertung der Momente in Japan fällt vermutlich deshalb so positiv aus, | |
weil Ebert direkt nach dem Wettkampf eine Zeitspanne vor Augen hatte, die | |
alle Randerscheinungen unwichtig erscheinen lassen. „Ich habe mir als Kind | |
so ausgerechnet, 2016 wird schwierig, aber 2020 bin ich dann dabei. Dass so | |
eine kindliche Rechnung nach zehn Jahren Arbeit und auch vielen | |
Entbehrungen funktioniert hat, da bin ich total stolz darauf.“ Es ist aus | |
Sicht einer Sportlerin oder eines Sportlers verständlich, dass man sich | |
diese Spiele in Tokio nicht madig machen lassen möchte. Sie haben alle so | |
viel investiert, dass gewissermaßen ein Zwang zum Genuss besteht. | |
25 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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