# taz.de -- Historischer Wettskandal im Fußball: Eine Schmierenkomödie | |
> Vor 50 Jahren erschütterte ein Wettskandal die Bundesliga. Spiele wurden | |
> manipuliert. Im Fokus war auch der spätere Werder-Torwart Dieter | |
> Burdenski. | |
Bild: Seinerzeit kurios beteiligt: Dieter Burdenski bei einem Hallenturnier im … | |
BREMEN taz | Sieht man sich heute die Berichte und Bilder vom bislang | |
größten Bestechungsskandal in der Fußball-Bundesliga an, der im Sommer vor | |
50 Jahren die Fußballwelt erschütterte, wirken sie wie einer großartigen | |
Schmierenkomödie entnommen. | |
Der Höhepunkt ist die mit Kamera festgehaltene Enthüllung des Skandals | |
durch den Präsidenten von Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas. Auf | |
der Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag spielte er auf einem geliehenen | |
Telefunken-Gerät vor einer nichtsahnenden Herrenriege kompromittierende | |
Telefongespräche ab. Der anwesende Bundestrainer Helmut Schön soll die | |
Party fluchtartig verlassen haben. | |
Insgesamt wurden in der Endphase der Saison 1970/71 gleich 18 | |
Bundesligaspiele manipuliert – oder es wurde versucht, sie durch | |
Geldzahlungen zu beeinflussen. Am Ende konnten sich Arminia Bielefeld und | |
Rot-Weiß Oberhausen retten und Kickers Offenbach sowie Rot-Weiß Essen | |
standen als Absteiger fest. | |
Eine kuriose Rolle spielte im Verlauf des Skandals Dieter Burdenski, der | |
spätere langjährige Torwart von [1][Werder Bremen]. Als junger | |
Nachwuchs-Torwart stand er beim ersten manipulierten Spiel zwischen Schalke | |
04 und Arminia Bielefeld (0:1) im Tor. Er wusste allerdings nichts von den | |
Absprachen seiner Schalker Mitspieler, da er kurzfristig für den | |
Stammtorwart eingesprungen war. Er hielt wie ein Weltmeister und hätte so | |
den Betrug fast verhindert. „Das Spiel war für mich als Torhüter perfekt – | |
bei so vielen Gelegenheiten, mich gegen frei vor mir auftauchende Stürmer | |
auszuzeichnen“, erinnerte sich Burdenski im Kicker. | |
## Tausender auf dem Parkplatz | |
Als er anschließend auf einen Parkplatz bestellt wurde, nahm „Budde“ | |
dennoch wie alle anderen die dargebotenen 2.300 Mark entgegen. „Die Summe | |
war einfach enorm hoch, auch gemessen an unserem damaligen Verdienst.“ Als | |
junger Mensch habe er sich nicht die Fragen gestellt, die er sich heute | |
sicherlich stellen würde. | |
Als erster Spieler gab Burdenski 1972 vor Gericht zu, Geld angenommen zu | |
haben. Als er zwei Tage nach seinem Geständnis mit Arminia Bielefeld, wohin | |
er inzwischen gewechselt war, nach Schalke zurückkehrte, wurde er von den | |
Fans mit Bierflaschen beworfen, bespuckt und beschimpft. | |
Die Ermittlungen brachten immer neue Fälle ans Licht. Als der Chefermittler | |
des DFB Hans Kindermann 1973 den Skandal als „zu fast 100 Prozent | |
aufgeklärt“, bezeichnete, waren 53 Spieler, zwei Trainer und sechs | |
Funktionäre mit Geldstrafen und Sperren von ein paar Monaten bis lebenslang | |
belegt worden. Die meisten der Bestraften wurden noch vor der Heim-WM 1974 | |
begnadigt. Für acht Schalker Spieler schloss sich noch ein Verfahren wegen | |
Meineids an, in dem sie Ende 1975 zu Geldstrafen verurteilt wurden. | |
„Heute geht es im Profisport weniger um sportliche Ziele, sondern darum, | |
[2][mit Wetten] auf manipulierte Spiele [3][viel Geld zu verdienen]“, sagt | |
Rechtsanwalt und Compliance-Experte Carsten Thiel von Herff, der als | |
unabhängiger Ombudsmann der DFL und des DFB in den | |
Nachwuchsleistungszentren die Spieler ab der U15 zum Thema „Verhinderung | |
von [4][Spiel- und Wettmanipulationen]“ schult. | |
„Das hohe Einkommen schützt nur bedingt. Wir reden im Bereich der | |
Wettmanipulationen über Erpressung und Abhängigkeiten. Wenn ein | |
spielsüchtiger Topverdiener zwei Millionen Euro auf eine Partie setzt, ist | |
das auch für ihn viel Geld. Die Manipulanten suchen gezielt nach | |
Schwachstellen. Für einen Oberligaspieler mit Geldsorgen sind schon 5.000 | |
Euro eine Verlockung.“ | |
Horst-Gregorio Canellas hat bis zu seinem Tod 1999 daran festgehalten, dass | |
längst nicht alle Absprachen von 1971 ans Licht gekommen sind. 1977 saß er | |
in der Lufthansa-Maschine Landshut, die nach Mogadischu entführt wurde. | |
„Der Skandal war schlimmer, viel schlimmer“, soll er laut dem Magazin | |
11Freunde gesagt haben. „Mogadischu hatte noch menschliche Züge.“ | |
11 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
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