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# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Erzbistum Berlin: Laiengremium stellt Macht…
> Das Erzbistum veröffentlicht Details zu Fällen sexualisierter Gewalt.
> Bischof Koch wird zum Handeln ermahnt. Auch Vorgänger Woelki spielt eine
> Rolle.
Bild: Protestierende vor Woelkis Wohnhaus in Köln fordern Aufklärung der Miss…
BERLIN taz | Laienvertreter*innen in Berlin und Köln mahnen ein
Handeln bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen
Kirche an. Nachdem das Erzbistum Berlin am Freitag weitere Einzelheiten zu
Vorfällen in seinem Bereich veröffentlicht hatte, fordert der Diözesanrat –
das höchste Laiengremium des Bistums – einen Maßnahmenplan „mit
Meilensteinen und Zielvorgaben“ bis zum Ende des Sommers. „Neben
Machtstrukturen müssen weitere bereits bekannte Risikofaktoren angegangen
und verändert werden“, sagte Diözesanrätin Johanna Jungbluth der taz.
Auch der umstrittene Bischof Rainer Maria Woelki findet Erwähnung in dem am
Freitag veröffentlichten Teil C eines Gutachtens mit dem Titel
[1][„Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester,
Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin
seit 1946“]. Woelki leitete 2011-2014 das Berliner Erzbistum.
Die Teile A und B des Papiers waren bereits Ende Januar veröffentlicht
worden. Mehr als 400 Seiten kamen nun am Freitag hinzu. Insgesamt umfasst
das Gutachten etwa 670 Seiten. Fragen des Persönlichkeits- und
Datenschutzes sollten vor der Veröffentlichung des C-Teils geklärt werden,
sagte ein Bistumssprecher am Freitag.
Auch im jetzt auf der Homepage des Erzbistums veröffentlichten Gutachten
sind manche Namen geschwärzt. Dies sei geschehen, um Rückschlüsse auf
einzelne Betroffene unmöglich zu machen, sagte Johanna Jungbluth der taz.
In einem kleinen Bistum wie Berlin sei dieser Persönlichkeitsschutz
besonders wichtig. Jungbluth ist Vorsitzende des Bunds der deutschen
katholischen Jugend in der Berliner Diözese, die die Bundeshauptstadt sowie
große Teile Brandenburgs und Vorpommerns umfasst. In dieser Funktion sitzt
sie im Laienrat des Bistums.
## Kommission soll über weiteres Vorgehen entscheiden
„Wir haben als Diözesanrat seit Januar die vollständige Veröffentlichung
gefordert. Das ist wichtig für die historische Aufklärung und für die
Betroffenen“, sagt Jungbluth. Zusammen mit zwei weiteren
Laienvertreter*innen und drei Priestern gehört sie der Kommission an,
die nun das Gutachten bewerten und Handlungsempfehlungen abgeben soll.
Über Maßnahmen entscheiden wird am Ende aber Erzbischof Heiner Koch, in
seiner Funktion als Bistumsleitung. Dieser will sich am Dienstag in einem
Youtube-Stream der Diskussion stellen. Danach gefragt, wie sie den
Aufarbeitungswillen des Berliner Bischofs beurteile, gab Jungbluth an, dass
alle in der Bistumsleitung die Bedeutung des Themas verstanden hätten.
Das Berliner Gutachten beschäftigt sich mit den im Januar bekannt
gewordenen 121 Fällen von betroffenen Kindern und Jugendlichen und mit 61
beschuldigten Mitarbeitenden des Erzbistums Berlin. Die meisten Vergehen
fanden demnach in den 1950er- und 1960er-Jahren statt. [2][In 49 Fällen
handelte es sich um sexualisierte Gewalt an Minderjährigen.] Die
Gutachter*innen gehen von einer zusätzlichen Dunkelziffer aus. Im
Umgang mit den an die Öffentlichkeit gelangten Fällen stellen sie sieben
Verstöße gegen die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz fest:
Informationen wurden nicht korrekt weitergegeben, Beschuldigte nicht mit
Vorwürfen konfrontiert, zu Betroffenen kein Kontakt aufgenommen.
Die Fälle am Berliner Canisius-Kolleg, deren Öffentlichwerden 2010 weithin
als Wendepunkt im kirchlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt gilt,
umfasst das Gutachten nicht. Die Akten der Beschuldigten liegen beim
Jesuitenorden und nicht beim untersuchten Erzbistum. Matthias Katsch,
ehemaliger Schüler am Canisius-Kolleg und Sprecher der
Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ bezeichnete die „kommentarlose
Veröffentlichung“ des Gutachtens am Freitag als „etwas seltsam“. Das zei…
wie schwer den Verantwortlichen der Umgang mit Opfern und Aufarbeitung
falle, sagte er der KNA.
„Im Gutachten selbst stehen schon Empfehlungen, die es jetzt strukturiert
umzusetzen gilt“, sagt wiederum Johanna Jungbluth. Dazu gehört unter
anderem die Empfehlung, die interne Organisationstruktur sowie die
Aktenführung zu verbessern. Außerdem soll die Personalauswahl des
Priesternachwuchses und des Leitungspersonals professionalisiert und die
Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafbehörden gestärkt werden. Außerdem
gelte es, die Empathie mit Betroffenen zu stärken und
Gesprächsmöglichkeiten zu eröffnen.
Der Kommunions- und Firmunterricht sollte verbessert werden. „Dass
überhaupt – so wie den untersuchten Akten zu entnehmen – Kinder und
Jugendliche von Erwachsenen im Rahmen der Beichtvorbereitung oder gar der
Beichte selbst auf Fragen der ‚Keuschheit‘ und auf ihre eigene Sexualität
angesprochen und befragt werden, stellt nach unserer Auffassung in jedem
Fall einen nicht tolerierbaren Übergriff dar“, schreiben die
Gutachter*innen.
## Woelki nicht mehr tragbar
In Bezug auf den heutigen Erzbischof von Köln, [3][Rainer Maria Woelki,
bringen die Gutachter*innen ihre Verwunderung über die Einstellung
eines kirchlichen Vorermittlungsverfahrens zum Ausdruck,] die aus den Akten
nicht zu erklären sei. Der damalige Berliner Bischof Woelki verteidigt
diese Entscheidung in einer beigefügten Stellungnahme.
Woelki steht in seinem jetzigen Bistum Köln wegen Vertuschungsvorwürfen und
mangelnder Aufarbeitung massiv unter Druck. Die Laienbewegung „Wir sind
Kirche“ forderte nach dem Besuch zweier päpstlicher Gutachter in Köln den
Rücktritt des Bischofs. Die Initiative teilte am Freitag mit, dass es
„unabsehbare Erschütterungen nicht nur im Erzbistum Köln, sondern in der
gesamten Kirche in Deutschland wie auch in der Öffentlichkeit“ hervorrufen
würde, sollte Papst Franziskus den Kölner Erzbischof nach der
„Apostolischen Visitation“ im Amt belassen.
Vom Diözesanrat in Köln hieß es am Freitag: „[4][Mit Kardinal Woelki haben
wir jetzt einen toten Punkt erreicht.] Wir nehmen mit Bitterkeit wahr, dass
wir nicht mehr weiterkommen. Die Kräfte aller Beteiligter sind am Ende.
Unser Bistum muss wiederbelebt werden.“ Der Vorsitzende des Diözesanrates,
der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), hielt Woelki vor, dass
dieser seit Jahren nicht mehr an den Versammlungen des Diözesanrats
teilgenommen habe.
„Es gibt Widersprüche und konträre Positionen, und wir müssen mit diesen
Spannungen leben“, sagte Woelki in Reaktion auf die Vorwürfe am
Freitagabend. „Deshalb müssen wir aufeinander zugehen, in kleinen
Schritten.“
19 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.erzbistumberlin.de/fileadmin/user_mount/PDF-Dateien/Erzbistum/E…
[2] /Betroffener-ueber-Missbrauchspraevention/!5771026
[3] /Sexualisierte-Gewalt-in-der-Kirche/!5775549
[4] /Firmung-durch-Kardinal-Woelki/!5774013
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## TAGS
Kardinal Woelki
Katholische Kirche
Sexualisierte Gewalt
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Sexualisierte Gewalt
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lesen. Kardinal Woelki will derweil internationales Publikum.
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