# taz.de -- Neue Regierung in Nordirland: Mit dem Rücken zur Wand | |
> Paul Givan wird neuer Premier Nordirlands. Doch das kann nicht über die | |
> tiefe Spaltung der Regierungspartei Democratic Unionist Party | |
> hinwegtäuschen. | |
Bild: Der neue Premierminister von Nordirland Paul Givan (l) und Parteichef Edw… | |
Dublin taz | Nordirland hat eine neue Regierung: Premierminister wird Paul | |
Givan von der Democratic Unionist Party (DUP), gleichberechtigte | |
Stellvertreterin bleibt Michelle O’Neill von Sinn Féin. Der Wechsel an der | |
Spitze war notwendig geworden, weil die bisherige Regierungschefin | |
[1][Arlene Foster] von der DUP am Montag zurückgetreten ist. Ihre Partei | |
hatte ihr bereits Ende April das Misstrauen ausgesprochen. | |
Sie trat Ende Mai als Parteichefin zurück, führte aber die | |
Regierungsgeschäfte bis jetzt weiter, um den Parteifunktionären genügend | |
Zeit für eine Neuordnung zu geben. Ihr Nachfolger als Parteichef ist Edwin | |
Poots, ein Kreationist, der behauptet, Gott habe die Erde vor 6.000 Jahren | |
geschaffen. Premierminister wollte Poots aber nicht werden. Stattdessen | |
ernannte er seinen Freund Givan. | |
Wie tief [2][die DUP] gespalten ist, zeigt eine E-Mail, die am Donnerstag | |
durchgesickerte. Darin verlangten sieben der acht DUP-Unterhausabgeordneten | |
sowie eine Reihe hochrangiger Mitglieder am Morgen ein dringendes Treffen | |
mit Poots, bevor er Givan als Premierminister nominierte. Er sollte | |
erklären, ob er irgendwelche Zugeständnisse an Sinn Féin gemacht habe. | |
Poots ignorierte das. | |
Der 39-Jährige Givan war schon während seiner Studienzeit vor 20 Jahren | |
Assistent von Poots. Er stammt aus der unionistischen Hochburg Lisburn | |
südlich von Belfast, er hat Wirtschaftswissenschaften an der Ulster | |
University studiert. Im Alter von 23 Jahren wurde er in den Stadtrat von | |
Lisburn gewählt, 2010 zog er ins nordirische Regionalparlament ein. 2016 | |
wurde er Minister für Kommunikation, aber im Januar 2017 stürzte die | |
Regionalregierung wegen Differenzen zwischen der DUP und Sinn Féin. | |
## Streitpunkt Sprache | |
Auch diesmal stand die Einigung auf Messers Schneide. Damals wie heute war | |
die Förderung der irischen Sprache der Streitpunkt. Die DUP hatte ein | |
entsprechendes Gesetz immer wieder vertagt. Nach einer Marathonsitzung in | |
der Nacht zum Donnerstag einigte man sich nun auf einen Kompromiss: Sollte | |
das Gesetz nicht bis Ende September in Kraft sein, wird die Londoner | |
Regierung es im Oktober im Unterhaus verabschieden. Ohne diese Einigung | |
wären Neuwahlen fällig gewesen, bei denen die DUP Stimmen verloren hätte | |
und Sinn Féin wohl zur stärksten Partei geworden wäre. | |
Das hätte allerdings nur symbolischen Charakter gehabt, doch der ist nicht | |
zu unterschätzen. Das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998, das der | |
Krisenprovinz relativen Frieden beschert hat, schreibt eine | |
Mehrparteienregierung vor, um die Vorherrschaft einer Partei zu verhindern. | |
Entscheidungen können nur getroffen werden, wenn sowohl die | |
protestantisch-unionistischen, als auch die katholisch-nationalistischen | |
Parteien mehrheitlich zustimmen. | |
Die DUP steht mit dem Rücken zur Wand. Foster musste gehen, weil sie das | |
Nordirlandprotokoll des Brexit-Vertrags nicht verhindert hat. Es regelt, | |
dass Nordirland weiterhin Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und sich deshalb | |
an die Zollregeln der EU halten muss. Dadurch soll eine harte Grenze in | |
Irland vermieden werden, aber dafür wurde eine Grenze zwischen Nordirland | |
und Großbritannien errichtet. | |
Die DUP, die als einzige nordirische Partei für den Brexit geworben hatte, | |
läuft deshalb Sturm. Der britische Premierminister Boris Johnson versuchte | |
auf dem G7-Gipfel in Cornwall voriges Wochenende erneut, das Protokoll | |
auszuhebeln. | |
Er wollte die Übergangsfrist für den kontrollfreien Import britischer | |
Wurst- und Hackfleischwaren nach Nordirland, die zum Monatsende ausläuft, | |
einseitig verlängern, wurde jedoch von US-Präsident Joe Biden und dem | |
französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorerst ausgebremst. Das Thema | |
ist aber noch lange nicht vom Tisch. Am 1. Juli wird sich zeigen, ob | |
Johnson gewillt ist, sich an den von ihm unterzeichneten internationalen | |
Brexit-Vertrag zu halten. | |
17 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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