# taz.de -- Geste gegen Rassismus: Debatte um deutschen Kniefall | |
> Die deutsche Elf kniet vor dem Achtelfinale gegen Rassismus. Die | |
> Europameisterschaft ist voll von politischen Gesten. Sie stehen für einen | |
> Wandel. | |
Bild: Gemeinsames Knien: das deutsche Team (schwarz) protestiert gemeinsam mit … | |
Aus dem Kniefall ist in Deutschland natürlich sofort ein Knie-Fall | |
geworden. Noch am Tag nach dem Ausscheiden gegen England bei der Männer-EM | |
ereiferten sich die Rechten bei Twitter, und nicht umsonst gerade dort, | |
gegen das Anti-Rassismus-Knien. Der Tenor: eine rückgratlose, woke | |
Millionärstruppe von Nicht-mehr-Deutschen denke nur noch an | |
Regenbogenbinden und schwarze Kriminelle. Manchmal ging beides auch arg | |
durcheinander: einen Kniefall „vor der LSBTIQ-Lobby“ wollte Beatrix von | |
Storch gesehen haben. Fast richtig, das war der Arm, nicht das Knie. | |
Nie zuvor ist ein Turnier derart voll von politischen Bekenntnissen | |
gewesen. Das wäre vor zwanzig Jahren unvorstellbar gewesen. Und es ist | |
durchaus erst mal Zeichen echten Fortschritts, wenn Neuer sagt: „Für uns | |
war es gar keine Frage. Wir finden es gut, dass man sich so positioniert, | |
da mussten wir gar nicht lange darüber nachdenken.“ Wenn die NZZ giftet, | |
der Fußball würde jetzt nicht mehr Menschen vereinen, sondern trennen, dann | |
übersieht sie mutwillig, dass Menschen auch früher nicht alle durch den | |
Fußball vereint waren. Schwule oder Schwarze etwa blieben und bleiben außen | |
vor. | |
Gleichzeitig haben diese Aktionen, die von Polen bis Italien alle in | |
Aufregung versetzten, [1][natürlich etwas Wohlfeiles]. Streitbare | |
politische Kritik äußern die Spieler nicht, es geht so allgemein wie | |
möglich um Toleranz und Menschlichkeit. Nicht grundlos erinnern diese | |
Aktionen an die Hashtags und Profilbildchen der sozialen Medien, wo sich | |
verdächtig macht, wer nicht zum richtigen Zeitpunkt einen Regenbogen über | |
das eigene Profilbild tackert. | |
Der Fußball ist social-medialisiert worden. Jeder steht unter Gruppenzwang, | |
sich schnell mal positionieren zu müssen. Und sich der Wirksamkeit von | |
Bildern bewusst zu sein. Nicht umsonst knieten die Deutschen, weil die | |
Engländer knieten, und trugen die Engländer eine Regenbogenbinde, weil die | |
Deutschen sie trugen. Deutsche, die einen Rassismusprotest verweigern, wie | |
hätte das ausgesehen? | |
Es ist eine sehr liberal-kommerzielle Symbolik, wie sie zuerst die großen | |
US-Konzerne vorgemacht haben. Und trotzdem kann man den deutschen Spielern | |
nicht vorhalten, das sei risikofrei; der Twitter-Shitstorm verdeutlicht, | |
dass das Nationalteam durchaus etwas zu verlieren hat. [2][Es steht aber | |
mittlerweile von zwei Seiten unter Positionierungsdruck.] Einen Shitstorm | |
hätte es auch fürs Stehenbleiben gegeben. „Ein echter Pole kniet nur vor | |
Gott“, das wäre in Deutschland eher nicht mehrheitsfähig. Man kann all das | |
kritisieren, und man muss sich davon keinen großen Wandel erhoffen. | |
Mainstream-Regenbogen und -Kniefall stehen zugleich aber für einen Wandel, | |
der sich schon ereignet hat. Das ist nicht das Schlechteste. | |
30 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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