| # taz.de -- Türkei bangt um EM-Verbleib: Gareth’s Game | |
| > Die Türkei, angetreten, um Großes bei dieser EM zu erreichen, scheitert | |
| > früh. Gegen clevere Waliser müssen sie sich 0:2 geschlagen geben. | |
| Bild: Freudengebrüll: Gareth Bale feiert den Treffer von Connor Roberts, den e… | |
| Baku taz | Am Ende half alles nichts. Keine martialischen Ansagen, kein | |
| Anrennen, auch nicht die frenetische Anfeuerung in Baku und der Besuch des | |
| Staatspräsidenten. Die Türkei hat das zweite Spiel bei dieser EM verloren | |
| und ist damit so gut wie ausgeschieden. Mit allerlei Hoffnungen war das | |
| Team ja gestartet, auch mit dem üblichen Geraune vom Kandidaten fürs | |
| Halbfinale, der jeden begleitet, der nicht gerade Nordmazedonien heißt. Und | |
| nicht nur der zurückgekehrte Cheftrainer [1][Şenol Güneş weckte | |
| Erinnerungen an die goldene Generation,] die 2002 bei der WM Bronze geholt | |
| hatte. | |
| Güneş trainiert die Türken nun zum zweiten Mal, die Elf hat hochtalentierte | |
| Einzelkönner. Die viel gerühmte Defensive kassierte im Vorfeld das, was so | |
| eine Defensive soll, nämlich weniger Tore als alle anderen Teams. All das | |
| gab Hoffnung für ein großes, vielleicht sehr großes Turnier. Daraus wird | |
| wohl nichts. Zumindest, was die Entschlossenheit angeht, konnte die Türkei | |
| sich diesmal im Gegensatz zum Italien-Spiel nichts vorwerfen. Vor einem | |
| Meer aus türkischen und aserbaidschanischen Flaggen der Türkei-verliebten | |
| lokalen Bevölkerung und unter den Augen der beiden Autokraten Erdoğan und | |
| Aliyev peitschte das Team schon beim Aufwärmen die Tribüne auf und rannte | |
| beim anschließenden Spiel neunzig Minuten den Strafraum der Waliser an. | |
| Die Türken pressten, vor allem Cengiz Ünder sorgte auf der Außenbahn für | |
| viel Betrieb. Das Kombinationsspiel durchs Zentrum lief schnell und | |
| ansehnlich, variabel, alles nett anzusehen. Allein, im Strafraum | |
| versandeten die Bemühungen regelmäßig, zu oft stand beim letzten Pass der | |
| Fuß eines Walisers im Weg. Und das zweite Problem war, dass Wales die Tore | |
| machte. | |
| Die Waliser sind damit wieder dabei im großen Spiel ums Achtelfinale; in | |
| der Türkei fragt man sich unterdessen, ob wohl zu viel Druck auf dem jungen | |
| Team gelastet habe. „Dieses Team hätte sehr viel besser spielen können“, | |
| fand Şenol Güneş nach der Partie. Vor allem das Passspiel tadelte der | |
| Chefcoach. „Nach zwei oder drei Pässen haben wir in vielen Situationen den | |
| Ball verloren. Wir konnten nicht wirklich das Spiel zeigen, das wir zeigen | |
| wollten.“ Und: „Es ist eine andere Erfahrung, die Verantwortung für ein | |
| großes Turnier auf den Schultern zu tragen.“ | |
| ## Nutzlose Überlegenheit | |
| Vielleicht zu viel der Erwartungslast. In jedem Fall ergab sich das | |
| merkwürdige Paradox, dass die türkischen Spieler in fast jeder Hinsicht | |
| mehr vom Spiel hatten, mehr Chancen vor dem Tor allemal, aber es trotzdem | |
| nicht so wirkte, als würden sie gleich eines schießen. Vor allem fehlende | |
| Cleverness muss das Team sich vorwerfen. Denn gerade der zu fehlerhafte | |
| Sturm und Drang eröffnete Wales immer wieder hervorragende | |
| Kontermöglichkeiten. Chancen, die Wales viel präziser nutzte. | |
| Die Mannen um Gareth Bale präsentierten sich deutlich aufgeräumter als | |
| [2][beim müden Kick gegen die Schweiz,] vor allem aber spielstärker und | |
| abgezockter. Ein wunderbarer Pass von Bale aus dem Fußgelenk auf Ramsey, | |
| den der trocken verwandelte, brachte die Führung, eine erneut großartige | |
| Bale-Vorbereitung auf Roberts am Ende das 2:0. Die große Show des Gareth | |
| wurde bloß durch einen verschossenen Elfmeter desselben etwas getrübt. Aber | |
| das gehört ja fast schon zu Heldengeschichten dazu. Zur großen Show in Baku | |
| gehörte übrigens auch ein offenbar wundersames Wässerchen, das im Stadion | |
| gereicht wurde. Unter dem Logo „Taste of Victory“ stand auf den | |
| Wasserflaschen geschrieben: „Karabach ist Aserbaidschan.“ | |
| Jedenfalls nützte es nichts, dass Burak Yılmaz im Frühwinter seiner | |
| Karriere gerade mit 16 Toren für den französischen Meister OSC Lille noch | |
| einen Frühling erlebt, oder prominente Namen wie der Ex-Leverkusener Hakan | |
| Çalhanoğlu und Cengiz Ünder von Leicester City die Offensive beleben. So | |
| groß die Hoffnungen im Vorfeld des Turniers waren, so tief ist nun die | |
| Enttäuschung. | |
| Für die Türkei dürfte das Ende der Europameisterschaft schon gekommen sein. | |
| „Wir möchten die wahre Türkei zeigen“, hatte Yılmaz vor der Partie | |
| angekündigt. „Wir werden zeigen, wer wir sind und welchen Charakter wir | |
| haben.“ Im Anschluss lässt sich – wenigstens in Bezug auf den Willen – | |
| bilanzieren: Charaktertest gewonnen. Spiel verloren. | |
| 17 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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