# taz.de -- Debatte um Auswärtstorregel im Fußball: Von Toren in der Fremde | |
> Die Abschaffung der Auswärtstorregel steht zur Diskussion. Wie zeitgemäß | |
> ist die Unterscheidung zwischen Heimat und Fremde noch im modernen | |
> Fußball? | |
Bild: Auswärtstor? Zählt doppelt, wie Kenner des Fußballsports gern erzählen | |
Es wird wieder gestritten in der großen Gemeinde der Freunde des | |
Fußballsports. [1][Es geht um die Auswärtstorregel.] Die Regelung, nach der | |
bei Gleichstand nach Hin- und Rückspiel diejenige Mannschaft zum Sieger | |
erklärt wird, die mehr Tore auf fremdem Platz erzielt hat, könnte | |
abgeschafft werden. Wer glaubt, dass es eh Unsinn ist, dass ein Sieger | |
bestimmt wird, wenn es eigentlich Unentschieden ausgegangen ist, wird das | |
sicherlich richtig finden. | |
Und vielleicht stimmt es ja wirklich, dass es in einer Zeit, in der alle | |
Stadien irgendwie gleich modern sind, alle eh immer auf den immer gleich | |
aussehenden Flughäfen abfliegen und landen, eine Reise zu einem | |
Auswärtsspiel nun wahrlich keine Mühsal mehr bedeutet, die eine | |
Auswärtstorregel rechtfertigen würde. | |
Und wenn dann in den Stadien immer mehr Leute sitzen, die ihre Karten von | |
einem Sponsor bekommen haben oder dafür mehr gezahlt haben, als ein | |
Amazon-Mitarbeiter im Jahr verdient, macht auch die Stimmung keinen | |
Unterschied mehr. Und wie, bitte sehr, so mag man unken, soll man | |
bestimmen, wer einen Heimvorteil hat, wenn dereinst einmal ein Achtelfinale | |
in der Champions League zwischen dem FC Bayern München und Paris Saint | |
Germain in der schönen katarischen Stadt Doha ausgetragen werden sollte? | |
Andere sehen das alles ganz anders. Die spezielle Spielsituation, die sich | |
mit einem Tor so grundsätzlich ändert, hat durchaus einen gewissen Reiz. | |
Und für die Gesundheit der Spieler:innen ist es bestimmt auch nicht so | |
schlecht, wenn wegen der Auswärtstorregel weniger Verlängerungen zu spielen | |
sind. Und dann ist da ja noch die Tradition. Wer gibt schon gerne auf, | |
woran er sich über die Jahrzehnte gewöhnt hat? Die Regel gehört einfach zum | |
Europapokal wie die Berufsbezeichnung Kaiser zu Franz Beckenbauer. | |
## Schlimme Traditionen | |
Moment! Europapokal? Der war auch mal anders. Nationalspieler Kai Havertz | |
ist 1999 geboren, in jenem Jahr, in dem der Europapokal der Pokalsieger zum | |
letzten Mal ausgetragen wurde. Ein Jammer! Oder auch nicht. Man hat sich ja | |
auch an die Champions League gewöhnt, die dafür sorgt, dass Bayern München | |
nur noch ganz selten gegen den Fußballplebs aus Osteuropa spielen muss. Im | |
Viertelfinale des Europapokalwettwerbs der Landesmeister 1974/75 mussten | |
die Bayern gegen Ararat Jerewan spielen. Schon schlimm. | |
Für solche Landesmeister gibt es [2][jetzt ja die Europa Conference | |
League.] Die ist so konstruiert, dass am Anfang viele Klubs aus kleineren | |
Fußballnationen mitspielen dürfen, bis Absteiger aus höheren | |
Uefa-Wettbewerben dazustoßen, die dann möglichst ins Finale vorstoßen | |
sollen. Im besten Falle ist das dann ein Traditionsverein mit ruhmreicher | |
Geschichte, den alle kennen. | |
Der Sport lebt eben von der Tradition und kommt doch ohne Neuerungen nicht | |
aus. Was wäre etwa der Tennissport ohne Tie Break? Aber allzu weit sollten | |
die Änderungen dann doch nicht gehen. Und so wird es das Fast4-Tennis, das | |
sich bei vielen Junior:innenturnieren schon bewährt hat, so schnell | |
nicht geben. Vier Spiele muss man dabei für einen Satz nur gewinnen. Bei | |
Einstand gewinnt der das Spiel, der den nächsten Punkt macht. Und wenn es | |
beim Stand von 3:3 einen Tie Break gibt, dann wird der bei einem Stand von | |
4:4 durch Sudden Death entschieden. Geht gar nicht. Oder? | |
Beim Fußball gab es auch einmal einen Sudden Death. Der hieß Golden Goal | |
und brachte dem Team den Sieg, das in der Verlängerung das erste Tor | |
erzielt hat. Die Regel wurde wieder abgeschafft. Ging gar nicht. | |
3 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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