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# taz.de -- Queerfeministisches Kulturzentrum „Ria“ in Hamburg: Kaum gestar…
> In Hamburg-Wilhelmsburg wurde Anfang 2020 das queerfeministische
> Kulturzentrum „Ria“ gegründet. Die Pandemie setzt dem Projekt schwer zu.
Bild: Ein Raum für das Lernen in Ruhe: das Ria in Hamburg-Wilhelmsburg
Hamburg taz | Der große, ebenerdige und helle Raum ist zur Straße hin durch
dunkle Vorhänge vor Blicken geschützt. Auf der anderen Seite des Raums
gehen Fenster in einen ruhigen Innenhof. Der Boden besteht aus Parkett, an
den Wänden stehen Tische, Stühle, ein Schrank mit Schreibutensilien und
einige Spiegel.
Hier können viele Menschen Platz finden, ob konzentriert an Tischen
sitzend, tanzend, Theater spielend oder in einem Sitzkreis. Voll ist der
Raum derzeit jedoch nicht. Noch ist er nur von hoch motivierten Planungen
eingenommen, die so verschieden sind wie die Möglichkeiten, die er bietet.
Als Hamburg-Wilhelmsburg noch von Hafenarbeit geprägt war, hatte hier, in
dem Haus am Vogelhüttendeich, ein Kino seinen Sitz. Heute ist Wilhelmsburg
alternativ und migrantisch geprägt, manche sprechen auch von einem
Szenestadtteil. Und der Raum ist jetzt ein feministisches Kulturzentrum.
Frauen aus Wilhelmsburg und Umgebung haben sich Anfang vorigen Jahres
zusammengetan und es gegründet, um einen Raum nur für FLINTA* Personen –
Frauen, Lesben, Trans, Inter, Non-Binary, Asexuell – sowie Gruppen mit
feministischem Hintergrund zu schaffen: das [1][Ria]. Als das darüber
liegende Wohnprojekt entschied, sich mit darum zu kümmern und den Raum dem
Stadtteil zu öffnen, beschloss man, dies unter feministischen Vorzeichen zu
tun.
Für ein lebhaftes und eigeninitiativ gegründetes Kulturzentrum ohne
Hierarchien muss jedoch ein unkomplizierter Austausch mit den
verschiedensten interessierten Menschen stattfinden können. Dies ist durch
die Corona-Pandemie bislang allerdings nur sehr eingeschränkt möglich
gewesen. Deshalb ist die Gründung des Kulturzentrums in Wilhelmsburg auch
noch nicht abgeschlossen. Es kommen seit 2020 aber trotzdem schon FLINTA*
im Ria zusammen. Momentan sind es erst wenige Initiativen, darunter eine
FLINTA*-Fahrradselbsthilfe, die Radastrophe, sowie ein
feministisch-migrantisches Kinoprojekt.
Auch feministische Selbstverteidigungskurse (Wendo), Performance- und
Theater-Gruppen sowie Deutschkurse fanden schon statt. Es besteht großes
Interesse von verschiedenen Vereinen und Gruppierungen im Stadtteil,
regelmäßige oder punktuelle Veranstaltungen im Ria abzuhalten. So ist ein
queeres Bilderbuchkino mit der Bücherhalle Wilhelmsburg geplant; auch mit
Tanzgruppen und Schulen ist das Kulturzentrum im Gespräch. Der Raum
ermöglicht sowohl Seminare als auch größere Veranstaltungen, die mit
Bewegung zu tun haben, etwa mit Tanz oder Theater. Durch einen auf dem
Parkettboden ausrollbaren Tanzteppich ist der Raum multifunktional.
Eine weitere Initiative, die schon regelmäßig im Ria stattfindet, ist
Romani Kafava, ein Beratungsangebot für Roma-Mädchen und Frauen. Jeden
Donnerstag und Samstag findet die Beratung im Raum des Kulturzentrums
statt.
Maya Adzovic leitet die Roma-Mädchengruppe. Die gelernte Schneiderin hatte
mit dem Projekt ursprünglich Familien beraten, wobei ihr auffiel, dass mehr
Mädchen und Frauen kamen als Männer. Daraufhin gründete sie eine
Mädchen-Beratung – natürlich mit wenigen Menschen im Innenraum und
corona-konform.
Regelmäßig kommt zum Beispiel die 18-jährige Betty Adzovic. Im Ria kann sie
Hausaufgaben machen, dabei einen der gespendeten Laptops nutzen oder mit
der Sozialpädagogin Isa Bomblat sprechen. Die hilft den Mädchen in der
Beratung, einen Ausbildungsplatz zu finden, über Probleme in der Schule und
zu Hause zu sprechen, und mit den schwierigen Umständen der Pandemie
zurechtzukommen.
Die Atmosphäre an diesem Donnerstagnachmittag ist ruhig und konzentriert.
Neben Betty sitzt die 13-jährige Claudia Adzovic; auch sie erledigt
Hausaufgaben. Claudia hat über Verwandte von der Mädchengruppe erfahren und
kommt inzwischen regelmäßig her, oft gemeinsam mit Betty. Nach den
Hausaufgaben recherchieren die beiden heute für einen Ausflug, den die
Mädchengruppe bald machen möchte.
Auch eine Roma-Frauengruppe gibt es im Ria, geleitet von Mayas Kollegin
Zumreta Sejdovic. Sie nähen, und auch sie lassen sich beraten. Und da es
ein solches Beratungsangebot im Norden nur in Hamburg gibt, wird es von
Roma aus ganz Norddeutschland in Anspruch genommen: Viele reisen Hunderte
Kilometer.
Für das feministische Kulturzentrum ist es hilfreich, dass mit Romani
Kafava ein sicheres und fest einplanbares Projekt dabei ist, das schon
länger besteht und über einen Förderkreis und ein Netzwerk verfügt. Das
hilft dem Kulturzentrum beim Aufbau. Denn noch ist unsicher, wie das
Projekt auf Dauer finanziert werden kann – was auch daran liegt, dass es
kurz vor der Pandemie gegründet wurde.
„Wir sind mit dem Projekt in einen ganz ungünstigen Zeitpunkt gerutscht“,
sagt Martina Helmke, die im Wohnprojekt über dem Ria wohnt und sich
weiterhin an dessen Aufbau und an der Arbeit dort beteiligt. „Wir bekommen
weder Corona-Hilfen, weil es uns noch nicht lange genug gab. Andererseits
können wir keine Neuenförderung beantragen, weil es wegen Corona eine
Bremse gab, neue Projekte zu fördern. Also sind wir genau dazwischen. Wir
bekommen weder den Ausfall noch den Neuen-Bonus. Das macht es unheimlich
schwierig“, sagt Helmke.
## Fördergelder sind schwer zu bekommen
Derzeit ist die Initiative des Ria im Kontakt mit Politiker*innen und
hat sich für den Stadtteilkulturtopf in Wilhelmsburg und weitere Mittel
beworben, bei denen sie sich gute Chancen ausrechnen. Für einen offenen
Raum sei es allerdings schwer, Fördergelder zu bekommen, sagt Helmke, die
hauptberuflich als Bildungsreferentin arbeitet. Das liege auch an der
Neoliberalisierung von Beratungskonzepten: Anstelle offener Arbeit, frei
zugänglicher Orte und einer niedrigschwelligen Art des Zusammenkommens mit
Community-Gedanken gehe der Trend immer weiter in Richtung der Bearbeitung
einzelner Projekte. Sie würden einzeln geprüft, dann eine bestimmte,
manchmal auch im Vorhinein festgelegte Anzahl gefördert.
Wegen der schwer zu erlangenden Fördergelder ist das Zentrum derzeit von
zahlenden Nutzer*innen abhängig. Dabei will man genau das eigentlich
vermeiden, um ein frei zugänglicher und solidarischer Raum zu bleiben.
Andererseits braucht man Planungssicherheit, damit man weitere Initiativen
an Bord holen kann.
## Finanzierung bis Ende des Sommers
Zurzeit wird die Finanzierung noch vom darüberliegenden Wohnhaus getragen.
Vom Ende des Sommers an muss sich der Raum aber aus eigener Kraft
finanzieren. Schon jetzt übernimmt Romani Kafava ein Viertel der Miete. Die
langfristige Idee ist es, die restliche Miete durch Fördermitgliedschaften
und die Vermietung des Raums zu erwirtschaften. Insbesondere die Vermietung
ist allerdings während der Pandemie schwer umsetzbar.
Die Initiator*innen des Ria hoffen sehr, dass sie die Finanzierung
sichern, um diesen so besonderen, in mancherlei Hinsicht einzigartigen,
Raum zu erhalten. Für die Initiator*innen ist klar: Schon jetzt hängen
viele FLINTA* aus Wilhelmsburg und auch ganz Hamburg sehr am Ria und würden
vom Angebot profitieren.
Auch Martina Helmke ist von der Relevanz eines Freiraums für feministische
und kulturelle Arbeit im Stadtteil überzeugt: „Wir glauben, dass das Thema
FLINTA* in Wilhelmsburg, Potenzial hat, Menschen aus verschiedensten
Communities zusammenzubringen, und zwar über diesen gemeinsamen Nenner.“
„Am Ende des Sommers strahlen oder weinen wir“, sagt Isa Bomblat von Romani
Kafava.
5 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.ria-fem.de/
## AUTOREN
Emmy Thume
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
Kulturzentrum
Soziokultur
Hamburg
Feminismus
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
taz Plan
Besetzung
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