# taz.de -- Buch über Fußballprofi im Lockdown: In Zeiten des Stillstands | |
> Paul Lasne, Fußballprofi bei Stade Brest, hat über seine Erfahrungen mit | |
> dem Lockdown geschrieben. Sein Bericht ist poetisch und intim, fast frei | |
> von Fußball. | |
Bild: Solider Arbeiter im Mittelfeld: Paul Lasne (r.) im Einsatz für Stade Bre… | |
„Fußball ist eine Kunst, jeder Pass erfindet das Spiel neu“, sagt Paul | |
Lasne und findet, die Kunst des Fußballspielens sei mit der Kunst des | |
Schreibens zu vergleichen; es gebe unendlich viele Möglichkeiten, Sätze zu | |
bilden und Mitspieler anzuspielen, immer auf der Suche nach Perfektion. | |
[1][Paul Lasne, 32, weiß, wovon er spricht.] | |
Er ist Kapitän des französischen Erstligisten Stade Brest, hat 266-mal in | |
der Ligue 1 gespielt, für AC Ajaccio, Montpellier und Brest. Ein guter | |
Mittelfeldspieler, aber keiner für die großen Schlagzeilen. Bekannt ist er | |
in Frankreich, seit er außerhalb des Platzes ein ungewöhnliches Solo | |
hingelegt und ein Buch geschrieben hat. „MurMures“ heißt das Werk, frei | |
übersetzt „Lockdown-Gemurmel“. Als der Ball im Frühjahr 2020 | |
pandemiebedingt ruhte, griff Lasne in die Tasten. | |
Seine Motivation, ein Buch zu schreiben, erklärte der Sohn des bekannten | |
französischen Autors und Journalisten Laurent Lasne der Tageszeitung Le | |
Figaro so: „Ich hatte Lust, in dieser Phase etwas Konkretes, Materielles zu | |
schaffen.“ Entstanden ist ein Zeitdokument des ersten confinement, wie der | |
Lockdown in Frankreich genannt wird, poetisch und intim, fast ganz frei | |
von Fußball. Der Vater von zwei kleinen Kindern beschreibt seinen | |
Familienalltag in der Zeit des Stillstands, des erzwungenen Rückzugs auf | |
sich und seine Engsten. Schließlich durften die FranzösInnen von Mitte März | |
bis Mitte Mai 2020 ihre eigenen vier Wände nur mit triftigem Grund | |
verlassen. | |
Das Buch beginnt mit dem Kapitel „Einkaufswagen“, einem Bericht vom Gang in | |
den Supermarkt am letzten Tag [2][vorm confinement.] Leere Regale, dafür | |
prall gefüllte Einkaufswagen – „übergewichtig“, schreibt Lasne –, daz… | |
Stress an der Kasse. Dieses Kapitel leitet den ersten Teil des Werks ein, | |
bestehend aus 36 kleinen Beobachtungen, die einen Frühling beschreiben, wie | |
ihn die allermeisten (französischen) Familien in Erinnerung behalten | |
dürften: das gemeinsame Zubereiten einer Tarte, den Haarschnitt auf dem | |
Küchenstuhl, das gründliche Händewaschen, die abendliche Lektüre vor dem | |
Einschlafen. | |
## Kleine Zeitreise | |
Im zweiten, kürzeren Teil schildert der Autor einen Familienausflug nach | |
Saint-Malo nach dem Lockdown: eine Ode an die wiedergewonnene Freiheit. | |
Jeweils überschrieben mit einem emblematischen Wort, etwa „Sieste“ oder | |
„Puzzle“, werden sich die einzelnen Anekdoten im Nachgang der Pandemie wie | |
eine kleine Zeitreise lesen. | |
Lasnes Schreibstil ist frei von Pathos, dafür individuell und mit Liebe zum | |
Detail. Stets mit einem Hauch von Poesie weiß er seine Gefühle und | |
Betrachtungen dieser Zeit für den Leser greifbar zu machen. Etwa wenn er | |
beschreibt, wie er abends im Bett krampfhaft versucht, ein Kapitel eines | |
Romans zu Ende zu lesen, jedoch wegen seiner immer wieder zufallenden Augen | |
aufgeben muss. Oder im Kapitel „Album“, einer Hommage an das | |
Familienfotobuch: „Wenn die erste Seite sich öffnet, geht unser Esprit auf | |
Reisen.“ | |
Lasne erzählt beiläufig vermeintlich langweilige Erlebnisse – ohne | |
langweilig zu werden. Man könnte meinen, man hätte die Zeit gemeinsam mit | |
den Lasnes verbracht. Es sind schließlich Szenen von | |
gesamtgesellschaftlicher Vertrautheit. | |
„Albert Camus“ lautet übrigens der neue Spitzname von Lasne in der Kabine | |
von Stade Brest. Das Etikett des Intellektuellen ist ihm aber vor allem von | |
den Medien verpasst worden. Lasne stört das: „Können wir einen Menschen auf | |
eine Aktivität reduzieren? Nein. Ich bin ein Fußballer, der schreibt, | |
andere machen Musik oder gründen Hilfsorganisationen.“ Manche spielten auch | |
mit der Playstation, sagt Paul Lasne – und das sei ihr gutes Recht. | |
4 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Lasne | |
[2] /Coronavirus-in-Frankreich/!5679530 | |
## AUTOREN | |
Lennart Kinck | |
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