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# taz.de -- Die Wahrheit: Tiefer Staat in Magdeburg
> Massive Turbulenzen nach der Schicksalswahl im weltweit wichtigen
> Bundesland Sachsen-Hinhalt. Das Klima ist trotz des Sommers frostig bis
> rostig.
Bild: Der feurige Ministerpräsident David Hasselhoff in Action
Am Montag nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt meldet sich ein führendes
Mitglied der AfD zu Wort. Martin Reichardt, der ehemals in der SPD, bei den
Republikanern und in der FDP war – und zwar in dieser Reihenfolge –,
erklärt: Die Wahl sei gestohlen, das Ergebnis für ungültig zu erklären, die
Partei Abschaum für Deutschland (AfD) sei eindeutiger Wahlsieger. Er
jedenfalls zweifle das amtliche Endergebnis an und fordere, das endliche
Amtergebnis abzuwarten, kurz: Die AfD twittert Morgenluft.
Das ganze Land sei nach fast zwanzigjähriger CDU-Herrschaft ein Bitterfeld,
und die Börde eine Bürde – die Zeit sei reif für einen Wechsel, konstatiert
Reichardt. Die glücklichsten Menschen würden im Süden der Bundesrepublik
wohnen, in Sachsen-Anhalt hingegen hätten die meisten Bürger Angst davor,
wie es weitergehe im Leben.
Daraufhin bemerkt die selbst in der eigenen Partei vollkommen unbekannte
Landesvorsitzende der SPD, Juliane Kleeman, dass das kein Wunder sei, das
Land hieße schließlich nicht zufällig Anhalt. Dennoch sei Sachsen-Anhalt
kein rückständiges Entwicklungsland, selbst im Altmarkkreis könne man
schließlich inzwischen mit dem Euro bezahlen. Obendrein gebe es viele
Regionen wie Leuna, in denen die Chemie stimme.
Hoch her geht es an diesem Montag in allen Parteien. Die FDP mit ihrer
Spitzenkandidatin Lydia Hüskens hatte im Wahlkampf entschieden
internationale Walbeobachter abgelehnt – mit der Begründung, in Magdeburg
habe man das Internationale Walfangabkommen überhaupt nicht unterzeichnen
können, da dies nur souveränen Staaten möglich sei. Niemand habe überdies
je Wale im Land gesichtet, nicht mal im Großen Goitzschesee.
## Riesenbetrug bei Wahlmaschinen
Dabei hätten Wahlbeobachter in dem unterentwickelten Land einiges im Argen
entdecken können: So habe es angeblich, wie die AfD herausgefunden haben
will, einen Riesenbetrug bei der Software der Wahlmaschinen gegeben, 6.000
Wählerstimmen allein für die Klimaliste seien unmöglich abgegeben worden –
in Sachsen-Anhalt existiere gar keine Klimaliste. Es gebe ja nicht einmal
ein Klima. Noch dazu gab es gar keine Online-Abstimmungen.
In Halle an der Saale sei ein Wahllokal von einer Halle kurzfristig in
einen Saal verlegt worden, angeblich wegen schlechter Witterung,
ausgerechnet in einem Stimmbezirk, der traditionell von der AfD gewonnen
wird. In einem Stimmbruch bei Dessau habe man Jungwählerstimmen gefunden,
auf einem Friedhof in Stendal Urnen.
Das sei so unüblich nicht, so die Antwort des Landeswahlleiters, der
verzweifelt die ordnungsgemäße Ziehung des Urnengangs verteidigt.
Allerdings vergebens, denn die AfD beharrt darauf, dass es zu schändlichen
Taten gekommen sei. In Jerichow seien Vermummte mit roten Masken über die
Friedhofsmauern gesprungen, um Stimmzettel zu ergattern. Allein in
Ballenstedt County sollen 1.400 Tote gewählt haben: Gut, die Region gilt
zwar als toter als der Nationalfriedhof in Arlington, aber gleich so viele?
Sowieso gingen die Leute hier nicht einmal lebendig wählen.
## Trump zu teuer
Wie wird es weitergehen in Magdeburg? Befürchtet werden sachsen-anhaltende
Proteste. Geplant sei ein Marsch auf den Landtag in Magdeburg nebst
Erstürmung desselben mit Demonstranten, die sich aus Impfgegnern,
Coronaleugnern, Identitären und anderweitig Erleuchteten rekrutieren.
Auftreten bei der Protestkundgebung sollte zunächst Donald Trump, der sich
allerdings als zu teuer erwies. Also wird der AfD-Führer Björn Höcke aus
einem Nachbarland eingeflogen, um der schweigenden Mehrheit lautstark
einzuhämmern: Die Wahlergebnisse sind fake, fake, fake – oder wie es im
verknoteten Dialekt Sachsen-Anhalts heißt: „fäg“.
Die AfD spricht derweil von einem „Deep State“ in Sachsen-Anhalt und
vermutet hinter dem Stimmenklau die Linke, finanziert von George Soros,
Bill Gates und anderen kommunistischen Kräften aus dem fernen Amerika.
Gemeinsam wolle man das unterschätzteste aller Länder der Welt unterjochen,
weil dort einst die Himmelsscheibe von Nebra gefunden wurde, die sämtliche
Probleme des Universums lösen könne. Auf ihr sei nämlich insgeheim die
Weltformel („Pups plus Popel ungleich gut“) verzeichnet, wie ein gewisser
Professor Robert Langdon („Da Vinci Code“) aus Harvard ermittelt haben
will.
Im Sturm des Wahlkrampfs steht nur einer wie ein Fels in der Elbebrandung:
der heißgeliebte und kalt genossene Landesvater, der weithin strahlende
Ministerpräsident David Hasselhoff, der an dem turbulenten Tag nach der
Wahl gelassen vor die Kameras der internationalen Presse tritt und den Sieg
des Abendlandes über die Barbarei verkündet, da keine Unregelmäßigkeiten
festzustellen seien. Dann schmettert der eselgraue Christdemokrat seinen
größten Hit in die Mikrofone: „I’ve been looking for freedom …“
4 Jun 2021
## AUTOREN
Thomas C. Breuer
## TAGS
Schwerpunkt Ostdeutschland
Reiner Haseloff
Färöer-Inseln
Slowenien
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Cocktail
Bier
Die Wahrheit
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