# taz.de -- Nachwuchssorgen im deutschen Tennis: Der weite Weg in die Top 100 | |
> Hinter dem deutschen Tennisspieler Alexander Zverev kommt nicht viel. | |
> Warum es so schwer ist, junge Menschen an die Weltspitze heranzuführen. | |
Bild: Umweg übers US-College: Dominik Koepfer | |
BERLIN taz | Bei den letzten Australian Open, dem ersten Grand-Slam-Turnier | |
des Jahres, war das Jammern über das Abschneiden der Deutschen groß. Von | |
den neun im Hauptfeld Gestarteten überlebte die zweite Runde nur die Nummer | |
eins der deutschen Herren, [1][Alexander Zverev], der es dann immerhin noch | |
bis ins Viertelfinale schaffte. | |
Vor allem beim Blick auf die frühen Niederlagen bei den Damen kam das | |
Gefühl auf: Da verabschiedet sich gerade eine ganze Generation einst so | |
erfolgreicher Tennisspielerinnen, angeführt von [2][Angelique Kerber], der | |
ehemaligen Nummer eins der Welt. Und die Jüngeren? Warum konnte der | |
Deutsche Tennisbund keinen Nachwuchs backen, der international | |
konkurrenzfähig ist? | |
Lars Uebel, am Bundesstützpunkt des DTB in Oberhaching für die | |
Gesamtleitung des Tennisnachwuchses zuständig, sagt: „Jedes Land unterliegt | |
Schwankungen.“ Er verweist auf die USA, wo seit Jahren eine Menge Geld in | |
die Nachwuchsförderung gepumpt werde, “aktuell bei den Herren aber kein | |
Spieler unter den ersten 30 der Welt ist.“ | |
Spitzensportler und Spitzensportlerinnen im Tennis hervorzubringen ist | |
extrem schwierig. Tennis ist der weltweit beliebteste Einzelsport, | |
dementsprechend groß ist die internationale Konkurrenz. Dazu kommt, dass | |
man es in diesem Sport erst dann wirklich geschafft hat als Profi, wenn man | |
es unter den ersten 100 in der Weltrangliste steht. „Zwischen der Position | |
100 und 300 kommt man gerade so über die Runden“, meint Uebel, ab „300 ist | |
es ein Minusgeschäft.“ Uebel: „Tennis ist ein brutaler Sport.“ | |
## Tennis ist teuer und exklusiv | |
Der Ausbildungsleiter weiß, wovon er redet, war einst selbst Profi: „Ich | |
war in der Weltrangliste die Nummer 250 im Einzel. Als Bundesligaspieler im | |
Fußball hätte ich über viele Jahre hinweg gut verdient. Aber als | |
Tennisspieler war ich nur ein okayer nationaler Spieler, der es | |
international nicht geschafft hat.“ | |
Um ein Tennistalent zu entwickeln, muss sehr viel Aufwand betrieben und | |
viel Geld investiert werden. Hat man eine Nachwuchshoffnung zur Hand, soll | |
sie sich im jugendlichen Alter auf nationalen und internationalen Turnieren | |
beweisen. Eine mittlere fünfstellige Summe kostet das im Jahr, gibt der DTB | |
an. Trainer sind in den Kosten noch nicht einberechnet. „Tennis ist einfach | |
teurer und exklusiver als andere Sportarten“, so Uebel. | |
„Ich denke, dass wir im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht | |
dastehen“, sagt er. Sieht aber auch die Probleme. Es gebe beispielsweise | |
kein Schulsystem hierzulande, das den Tennisnachwuchs richtig unterstütze | |
„und die Ausbildung muss besser werden in den Leistungszentren. Technisch | |
und taktisch haben wir Defizite.“ Auch was die Turnierlandschaft angeht, | |
“„gucken wir ganz neidisch nach Italien“, für ihn das Land, das sich in | |
Europa in den letzten Jahren am besten in Sachen Tennis entwickelt hat. | |
## Vorbild Italien | |
Das sieht auch Marc Raffel so, der mit seiner Sportagentur internationale | |
Tennisevents veranstaltet und Sportler berät. Italien bringe auch deswegen | |
seit einer Weile immer mehr nach oben drängende Spitzenspieler und | |
-spielerinnen hervor, weil dort die Turnierlandschaft so floriere. „Italien | |
ist eine der kommenden Tennisnationen“, glaubt er, „in Deutschland sind wir | |
dagegen fast im Jammertal angekommen.“ | |
Er wird mit seiner Kritik an der Nachwuchsförderung im deutschen Tennis | |
ziemlich schnell deutlich. Die Verbände hierzulande würden kaum Turniere | |
fördern, „für mich ist das ein Skandal.“ Das Problem beginne schon ganz | |
unten bei den Tennisvereinen: „Die sind viel zu oft von und für Senioren | |
organisiert. Früher zählten dort eine gute Herren- oder Jugendmannschaft | |
noch etwas. Heute nicht mehr. In den Vereinen findet Nachwuchsförderung | |
kaum noch statt.“ Viele Talente würden deshalb in die USA ziehen. „Immer | |
mehr deutsche Tennisprofis zwischen 200 und 600 in der Weltrangliste sind | |
College-Studenten. Dominik Koepfer etwa, die Nummer drei in Deutschland. | |
Der hat mit dem DTB wenig zu tun.“ | |
Raffel sagt: „Die wenigen, die noch eine Chance haben in Deutschland, etwas | |
zu erreichen, sind mehr und mehr die Kinder aus finanzstarken Haushalten | |
oder von Tennistrainern.“ Wenn er recht hat, könnte es noch eine Weile | |
dauern, bis im deutschen Tennis eine neue goldene Generation heranwächst. | |
30 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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