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# taz.de -- Unglück bei religiösem Fest: Tote durch Massenpanik in Israel
> Ein Unglück an einer jüdischen Pilgerstätte fordert mindestens 44
> Todesopfer. Ein Polizeikommandant übernimmt die Verantwortung.
Bild: Am Morgen danach: ultraorthodoxer Jude neben persönlichen Gegenständen …
Tel Aviv taz | „Für unsere haredische Gemeinschaft ist dies eine besondere
Tragödie, und dies ausgerechnet am glücklichsten Feiertag im Judentum“,
sagt Yakov Plevinsky aus der ultraorthodox geprägten Stadt Bnei Brak in der
Nähe von Tel Aviv am Telefon der taz. In der Nacht auf Freitag wurden bei
Massenfeierlichkeiten ultraorthodoxer Jüdinnen und Juden am Berg Meron im
Norden Israels mindestens 44 Menschen zu Tode gequetscht.
Mehr als 150 wurden verletzt. Es ist wohl eine der größten Katastrophen,
die sich zu Friedenszeiten in Israel ereignet haben. Polizeiangaben zufolge
brach die Massenpanik aus, nachdem einige Feiernde dicht aneinander
gedrängt auf den Stufen ausrutschten, die zum Grab Bar Jochais führen, und
so einen Dominoeffekt auslösten.
Plevinsky selbst war, anders als in vergangenen Jahren, in diesem Jahr
nicht dort, jedoch viele seiner Familienmitglieder und Freunde. Über seinen
Cousin werde gesagt, dass er sich unter den Todesopfern befindet. Doch noch
hat Plevinsky Hoffnung, dass es sich lediglich um ein Gerücht handelt.
Viele der Toten sind durch die Quetschungen nur schwer zu identifizieren.
Zahlreiche Familien waren am Freitagvormittag noch nicht über den Tod von
Angehörigen informiert.
## Die Handys der Toten klingeln
Am Grab des Rabbis Schimon Bar Jochai, wo normalerweise an diesem Tag
Zehntausende ultraorthodoxer Jüdinnen und Juden [1][beten und tanzen] und
des Bar-Kochba-Aufstands gegen die Römer im zweiten Jahrhundert nach
Christus gedenken, herrscht nun gähnende Leere.
Am Freitagvormittag wurde das Gelände vollständig evakuiert. In der Nacht
jedoch herrschte dort großes Chaos. Eltern suchten ihre Kinder. Das
Telefonnetz war überlastet, zumal viele der koscheren Handys, die
Ultraorthodoxe häufig benutzen, besonders schlechten Empfang haben.
Gleichzeitig klingelten ununterbrochen die Telefone der Toten mit Anrufen
von Verwandten, berichtet der Sprecher der Zaka-Hilfsorganisation.
Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen, um den Vorfall zu untersuchen.
Viele kritisieren die Entscheidung der Polizei, als
Coronavirus-Schutzmaßnahme einen der Zugänge zu der Grabstätte geschlossen
zu haben.
Während die Polizei die Vorwürfe zurückwies, übernahm der zuständige
Polizeikommandant, Shimon Lavi, am Freitagmorgen die Verantwortung für die
Katastrophe.
## Regierung war wegen Corona uneins über das Massenevent
Die Versammlung am Berg Meron war die größte Veranstaltung in Israel seit
dem Ausbruch der Coronapandemie im vergangenen Jahr.
Im Vorfeld hatte es Unstimmigkeiten darüber gegeben, ob die Festivitäten
erlaubt werden sollten. Die Regierung hatte sich nicht darüber einigen
können, ob die Feierlichkeiten eingeschränkt werden sollten.
Kritiker*innen warfen [2][Ministerpräsident Benjamin Netanjahu] vor,
seine ultraorthodoxen Bündnispartner nicht mit Einschränkungen verärgern zu
wollen.
Beamte des Gesundheitsministeriums hatten dazu aufgefordert, nicht zum Berg
Meron zu reisen, da sie befürchteten, die Feierlichkeiten könnten zu einer
massenhaften Ansteckung mit dem Coronavirus führen.
Netanjahu nannte den Vorfall „eine schreckliche Katastrophe“ und reiste in
den Norden. Auch Gesundheitsminister Juli Edelstein reiste in das
Krankenhaus der Stadt Safed, eine der vielen heiligen Städte des Judentums,
unweit von Meron.
Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas äußerte sein Beileid: „Unsere
Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen.“
An Plevinskis Wohnung in Bnei Brak fahren derweil, wie er berichtet,
ununterbrochen Fahrzeuge mit Lautsprechern vorbei, um für die Genesung der
Kranken zu beten: „Es ist eine Katastrophe, an die man sich wohl noch viele
Jahre erinnern wird.“
30 Apr 2021
## LINKS
[1] /Fehlende-Touristen-in-Jerusalem/!5760323
[2] /Israels-Premier-Benjamin-Netanjahu/!5758158
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Israel
Massenpanik
Ultraorthodoxe
Juden
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Westjordanland
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