# taz.de -- Kinderbetreuung auf Spielplätzen: Schonfrist bis Jahresende | |
> Die „Aktion Kinderparadies“ organisiert Ehrenamtliche, die Kinder auf | |
> Hamburger Spielplätzen betreuen. Nun ist die Förderung des Senats | |
> ausgelaufen. | |
Bild: In Zukunft dann doch eher ohne ausgebildete Ehrenamtliche an der Seite: B… | |
Hamburg taz | Bei Wind und Wetter draußen spielen, neue Freundschaften | |
knüpfen, Sandkuchen essen, die Eltern mal zu Hause lassen – ein attraktives | |
Angebot für Kinder einer Großstadt, in der es nach wie vor nicht genug | |
Kitaplätze für alle gibt. Seit 1952 betreuen die damals liebevoll | |
„Parktanten“ genannten Ehrenamtlichen der „Aktion Kinderparadies“ ein- … | |
sechsjährige Kinder auf Hamburger Spielplätzen. | |
Wann und wie oft ein Kind auf den Spielplatz kommt, können die Eltern frei | |
entscheiden. Das betreute Spielen im Freien kostet pro Stunde und Kind 1,50 | |
Euro – nicht mehr als eine Aufwandsentschädigung für die Betreuenden. | |
Familien, die sich das nicht leisten können, dürfen das Angebot zum Teil | |
kostenlos oder vergünstigt nutzen, andere zahlen dafür freiwillig einen | |
Soli-Preis. | |
Der Senat hat das Projekt bis vor Kurzem mit etwa 52.000 Euro jährlich | |
unterstützt. Im März lief diese Förderung nun aus, weil zuletzt immer | |
weniger Kinder das Angebot genutzt haben. Zudem gebe es genug kostenfreie | |
Betreuungsangebote mit städtischer Zuzahlung, heißt es aus der | |
Sozialbehörde. Um die Spielplatzbetreuung noch bis Ende des Jahres zu | |
gewährleisten, ist auf Antrag von Grünen und SPD kurzfristig das Bezirksamt | |
Nord eingesprungen. | |
Mitte November hatte die Sozialbehörde den Verein darüber informiert, dass | |
die Förderung auslaufen würde. Für die Aktion Kinderparadies kam das | |
unerwartet, weil man ihnen im Vorjahr noch zugesichert hatte, die | |
Finanzierung würde in jedem Fall weiterlaufen, solange die Zahlen des | |
Landesjugendförderplans erfüllt seien – und das waren sie bis zuletzt. Auf | |
Stellungnahme, Kompromissvorschläge und Gesprächsangebot hatte die | |
Sozialbehörde nicht reagiert. | |
„Ich halte das für eine absolute Fehlentscheidung und als Mutter eines | |
kleinen Kindes würde mich das sehr ärgern“, sagt Linde Kohl-Jürgens, | |
Vorsitzende der Aktion Kinderparadies. Sie wundere sich, dass die Stadt | |
sich nicht damit schmücke, ein Angebot zu haben, das das Kita-System | |
perfekt ergänzt. Die Spielplatzbetreuung ermögliche es Eltern nach dem | |
ersten Lebensjahr ihres Kindes, sich zu vernetzen, auch wenn noch kein | |
Kitaplatz frei sei. | |
„Zu uns kommen zudem viele Kinder aus zum Beispiel osteuropäischen | |
Familien, in denen es weitaus unüblicher ist, sein Kind in fremde Hände zu | |
geben“, sagt Kohl-Jürgens. „Für diese Eltern sind wir eine wichtige Brüc… | |
ins Kita-System, weil sie sich bei uns langsam an die Idee gewöhnen können, | |
dass jemand anderes ihr Kind mit-erzieht.“ Kohl-Jürgens ist dankbar dafür, | |
dass der Bezirk Nord den Verein bis zum Jahresende unterstützt, und | |
zuversichtlich, dass sich in kommenden Gesprächen mit Sponsoren | |
Alternativen finden werden: „Es wäre doch gelacht, wenn es nicht gelänge, | |
eine gute Sache mit guten Argumenten aus gutem Grund am Leben zu halten.“ | |
Da ein Großteil der 17 Spielplätze, auf denen die Aktion Kinderparadies | |
betreutes Spielen anbietet, im Bezirk Nord liegt, hatten sich gerade dort | |
viele Bürger:innen gemeldet. „Corona macht die Situation gerade für | |
Familien mit kleinen Kindern sehr schwierig, das bekomme ich in meinem | |
Stadtteil und Bekanntenkreis natürlich auch mit“, sagt Angelika Bester, | |
SPD-Fraktionsvorsitzende in Nord. | |
„Deshalb haben wir mit unseren Koalitionspartnern die Köpfe | |
zusammengesteckt und überlegt, wie wir auf Bezirksebene helfen können“, so | |
Bester. Dass der Senat die Förderung langfristig beenden will, findet sie | |
aber verständlich. „Ich finde, wir können uns einfach freuen, dass es jetzt | |
geklappt hat, das Angebot aufrechtzuerhalten und das genießen“, sagt | |
Bester. | |
Auch Timo Kranz, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Hamburg Nord, sieht in | |
dem neunmonatigen Aufschub große Chancen für die Stadt und den Verein. | |
Nachdem 2014 die kostenlosen Kitaplätze in Hamburg eingeführt wurden, | |
gleichzeitig aber die Zahl an Kindern immer weiter zunahm, habe man mit dem | |
Ausbau der Kitaplätze ein bisschen hinterhergehangen, so Kranz. In | |
einzelnen Stadtteilen warteten Eltern noch immer bis zu eineinhalb Jahre | |
auf einen Kitaplatz. | |
## Petition im Internet | |
„Die letzten zwei Jahre hat sich diese Lage schon sehr verbessert und es | |
zeichnet sich durchaus ab, dass das auch so weitergeht“, so Kranz. Im | |
Idealfall werde das Betreuungsangebot der Nachfrage schon weitaus gerechter | |
geworden sein, wenn die Förderung für die Aktion Kinderparadies am | |
Jahresende auslaufe. „Es ist nicht unsere Aufgabe, das Projekt langfristig | |
zu finanzieren, aber wenn wir der Initiative ein wenig Zeit schenken können | |
und sie nicht von Knall auf Fall eigene Möglichkeiten finden muss, ist das | |
toll“, so Kranz. | |
Insa Tietjen, kinderpolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion, | |
sieht das anders: „52.000 Euro – das sind umgerechnet nicht einmal vier | |
Ganztageskitaplätze.“ Angesichts dieser geringen Summe müsse der Senat die | |
Förderung weiterführen. Anfang Februar hatte Tietjen einen entsprechenden | |
Antrag gestellt, den SPD und Grüne jedoch ablehnten, auch weil die | |
betreuten Spielplätze nicht in allen Stadtteilen zur Verfügung stünden. | |
Tietjen sagt, das Argument sei schwierig, weil man dies von einer | |
ehrenamtlichen Initiative nicht erwarten könne. | |
Als der Verein vom Ende der Förderungen erfuhr, startete er eine Petition | |
im Internet. Über 2.200 Unterzeichner:innen fanden sich, mehr als 800 | |
Menschen kommentierten ihren Frust über die Senatsentscheidung – | |
Kinderärzte etwa beklagten, dass ein niedrigschwelliges Angebot, zu dem sie | |
gerade sozial benachteiligten Eltern rieten, nun wegfalle. Mütter und | |
Väter, die ihre Kinder schon lange regelmäßig zu den Spielplätzen brachten, | |
äußerten sich deprimiert. Die Aktion Kinderparadies ist vorerst gesichert, | |
ob die Initiative 2022 ihren 70. Geburtstag feiern kann, wird sich nun | |
zeigen müssen. | |
23 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Johanna Sethe | |
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