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# taz.de -- Radprofi-Rückkehr nach schwerem Unfall: „Nur ein paar Zähne wen…
> Der niederländische Radprofi Fabio Jakobsen feiert nur acht Monate nach
> seinem lebensgefährlichen Sturz sein Comeback bei der Türkei-Rundfahrt.
Bild: Fabio Jakobsen ist guter Dinge, bei der Türkei-Rundfahrt am 11. April
Die Erleichterung war riesengroß. „Es war gut für mich, meine Rückkehr auf
einer nur kurzen Etappe machen zu können. Ich muss zugeben, dass ich
anfangs, bei den ersten Rechts- und Linksschwüngen des Pelotons ein wenig
Angst hatte. Aber dann wurde es besser und besser“, erzählte Fabio Jakobsen
hinterher. „Etwas später bin ich dann sogar nach vorne gefahren und genoss
es ganz einfach, wieder dort zu sein.“
Für Außenstehende kommt dies einem Wunder gleich. Denn am 5. August 2020
flog der Niederländer nach zwei Ellenbogenchecks seines Sprintrivalen und
Landsmann Dylan Groenewegen mit Tempo 80 in die Absperrgitter im Ziel der
1. Etappe der Polen-Rundfahrt. Die hohe Geschwindigkeit kam wegen der
abschüssigen Zielgeraden in Katowice zustande. Die Gitter wirbelten durch
die Luft. Jakobsen trug schwerste Kopfverletzungen davon. Tagelang wusste
man nicht, ob er überhaupt überleben würde. Mehrere Tage lag er in einem
künstlichen Koma.
Die Radsportwelt war fassungslos. Sturzverursacher Groenewegen gab auch
unumwunden seine Schuld zu. „Ich habe die Fahrlinie verlassen. Es war mein
Fehler“, sagte er im niederländischen Fernsehen. Bilder vom Sturz, seinem
Fehlverhalten und dem bewegungslos am Boden liegenden Landsmann trieben ihm
auch die Tränen in die Augen. In den Wochen darauf musste er zusätzlich zu
den Selbstvorwürfen auch einen Shitstorm in den sozialen Medien ertragen,
der bis hin zu Morddrohungen führte.
Jakobsen begann derweil seine Rehabilitation. Sechs Operationen musste er
laut niederländischen Medien über sich ergehen lassen. Sein Gesicht wurde
mit 130 Stichen genäht. Ober- und Unterkiefer waren derart zerstört, dass
die Chirurgen sie neu modellieren mussten. Auf der Pressekonferenz vor dem
Start der Türkei-Rundfahrt konnte Jakobsen aber schon Scherze machen. „Ich
bin der alte Fabio, nur mit ein paar Zähnen weniger“, erklärte er, und
hielt grinsend seinen zahnlosen Unterkiefer in die Kamera. Erst im Sommer
soll er die Dentalimplantate bekommen. Auch eines seiner Stimmbänder müsse
noch operativ geflickt werden, sagte er. „Meine Beine aber sind da. Meine
Muskulatur ist die alte. Ich bin weiter ein Sprinter“, sagte er.
## Fünf, sechs Kilogramm weniger
Wie schwer sein Weg in den letzten Monaten gewesen sein musste, ließ er nur
an wenigen Bemerkungen erkennen: „Als ich aus Polen wiederkam, wog ich
fünf, sechs Kilogramm weniger. Ohne Zähne ist es auch schwer, das schnell
wieder zurückzuessen. Ich konnte anfangs nicht einmal selbst duschen. Meine
Freundin musste mir da helfen. Sie musste mir bei allem helfen. Ich war
einfach behindert.“
Jakobsen betonte, dass in dieser Zeit das Band, das ihn mit seiner Freundin
verband, noch enger wurde. „Ja, ich habe ihr einen Heiratsantrag gemacht.
Und parallel zu meiner Rückkehr in den Radsport betreiben wir die
Vorbereitungen für die Hochzeit“, bestätigte er.
Rundum also Glück für den 24-Jährigen. Von seinem Comeback war er selbst
überwältigt: „Es begann schon im Bus, als ich das Trikot meines Teams
überstreifte. Ich kann das Gefühl gar nicht in Worte fassen.“
Ganz an die eigenen hohen sportlichen Erwartungen kam er bei seinen ersten
Wettkampfkilometern aber nicht heran. „Ich bin hier als Anfahrer für Mark
Cavendish“, hatte er vor der Etappe noch erklärt. Er hatte jedoch
eingeschränkt, nicht zu wissen, ob die Kraft bereits dafür reiche. „Auf den
letzten 10 Kilometern bin ich etwas verloren gegangen und konnte dem Team
nicht mehr helfen“, konstatierte er schließlich. Am Ende reichte es für
Platz 147.
Jakobsens Sturz veränderte auch den Radsport. Der Weltradsportverband UCI
verbot die Hochgeschwindigkeitsabfahrt von Katowice [1][und verabschiedete
neue Regelungen zur Fahrersicherheit, darunter stabilere Barrieren.] „Ich
denke, die neuen Maßnahmen sind gut“, meinte Jakobsen. „Die neuen Barrieren
sind sicherer, aber Bekanntschaft möchte ich mit ihnen nicht machen.“ Da
blitzte wieder der besondere Humor des Rekonvaleszenten auf. Wortkarg blieb
er nur, als es darum ging, ob er sich bereits mit Sturzverursacher
Groenewegen ausgesprochen habe. „Nächste Frage“, meinte darauf die
Pressesprecherin, ganz so, als hätte sie auch die neue
Kommunikationsstrategie des FC Bayern verfolgt.
Groenewegen selbst trainiert derweil in Spanien. Für Wettkämpfe ist er bis
Anfang Mai gesperrt.
12 Apr 2021
## LINKS
[1] https://classic.rad-net.de/index.php?newsid=51346
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Radsport
Unfall
Comeback
Vuelta
Tour de France
Giro d’Italia
Radsport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Radsport
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