Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Doping im Radsport: Grenzwertiges Erfolgsmodell
> Der britische Radsportverband darf bei Dopingverdacht selbst ermitteln –
> wie praktisch. Der Welt-Anti-Doping-Agentur gefällt das gar nicht.
Bild: On Track: der britische Bahn-Vierer auf dem Weg zu Olympiagold 2016
BERLIN taz | Vom britischen Sportsystem ist hierzulande viel geschwärmt
worden. Seit das Team UK bei den Olympischen Spielen von London im Jahr
2012 mit 65 Medaillen hinter den USA und China im Medaillenspiegel den
dritten Platz belegt hat, lässt man sich auch beim Deutschen Olympischen
Sportbund von den Ideen aus dem Königreich inspirieren. Nachdem die Briten
2016 in Rio de Janeiro noch zwei Medaillen mehr gewonnen hatten, meinte
DOSB-Präsident Alfons Hörmann [1][in einem Interview] mit der Tageszeitung
Die Welt: „Das hat im leistungssportlichen Sinne schon Vorbildcharakter und
kann uns in Teilaspekten als Blaupause dienen.“
Die Briten, die 2004 in Athen gerade einmal 30 Medaillen gewonnen hatten,
waren innerhalb einer Dekade zur Sportgroßmacht aufgestiegen. Fragen hat
das lange nicht aufgeworfen. Doch mit den Jahren wird immer deutlicher,
dass im Team die Grenzen des pharmazeutisch Erlaubten angetestet und
bisweilen überschritten worden sind.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, so wurde nun bekannt, ermittelt derzeit
gegen die britische Anti-Doping-Agentur. Die hatte dem britischen
Radsportverband 2011 gestattet, ein auffälliges Testergebnis bei einem
Radsportler selbst zu überprüfen. Das ist gegen die Regeln, mit denen
verhindert werden soll, dass Sportverbände, deren höchstes Anliegen es ist,
Medaillen einzuheimsen, Dopingfälle unter den Teppich kehren.
Anstatt also die Probe, in der Spuren des Steroids Nandrolon gefunden
wurden, von einem von der Wada akkreditierten Labor untersuchen zu lassen,
suchte sich der Radsportverband eine andere Analyseeinrichtung. Dort wurde
herausgefunden, dass das Steroid nicht über ein Nahrungsergänzungsmittel in
den Körper des Athleten gelangt war, auch eine Krankheit sei nicht
verantwortlich für die hohen Nandrolonwerte. Alles Weitere blieb
vertraulich. Doping wurde nicht festgestellt.
## Verlogener Teamarzt
Eine gute Woche zuvor war Richard Freeman, der langjährige Arzt des
britischen Radteams, der auch als Teamdoktor beim Erfolgsrennstall Ineos
(vormals Sky) gearbeitet hat, von einem Disziplinarausschusses der
britischen Ärztekammer schuldig gesprochen worden. Er hat nach den
Erkenntnissen der Untersuchung, die zwei Jahre gedauert hat, Testosteron an
Sportler weitergegeben.
Außerdem soll er zu seiner Verteidigung mit immer neuen Unwahrheiten
dahergekommen sein. Zuletzt hatte er behauptet, das von ihm bestellte
Tesosterongel sei für Shane Sutton, den damaligen Cheftrainer der Briten,
bestimmt gewesen, der es sich wegen seiner Erektionsprobleme habe bestellen
lassen. Sutton widersprach vehement, und der Disziplinarausschuss der
Ärztekammer bezeichnete Freeman als „unehrlich“. Der Arzt muss nun um seine
Approbation fürchten.
Gerade der Radsport gilt für den Erfolg des britischen Sportsystems als
beispielhaft. Die Konzentration der Förderung auf ganz bestimmte,
ertragreiche Sportarten ist eine seiner Kernelemente. Acht Goldmedaillen,
zwei silberne und zwei aus Bronze haben britische Radsportler:innen in
London 2012 gewonnen. Die Förderung des Radsports mündete in die
Erfolgsgeschichte des Profirennstalls Ineos/Sky mit den britischen
Tour-de-France-Siegern Bradley Wiggins, [2][Chris Froome] und Geraint
Thomas.
David Brailsford, der Chef des Teams, streitet ab, je etwas von den
Dopingmittelbestellungen seines Teamarztes gewusst zu haben. „Sauber
gewinnen!“, so lautete das Motto, mit dem Brailsford, der bei den Spielen
von London auch Teamchef der britischen Radler war, das Team Sky 2009
vorgestellt hatte. Aus dem, was da als Modellprojekt angekündigt wurde, ist
längst eine [3][stinknormale Radsportgruppe] geworden.
29 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.welt.de/sport/article161449696/Wir-werden-einigen-Sportarten-we…
[2] /Positiver-Dopingtest-bei-Chris-Froome/!5467678
[3] /Doping-im-britischen-Radsportteam-Sky/!5486267
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Doping
Radsport
Radsport
Giro d’Italia
Radsport
Christopher Froome
Tour de France
Radsport
## ARTIKEL ZUM THEMA
Missbrauch im britischen Radsport: Hoher Preis für eine Karriere
Ex-Radsportprofi Bradley Wiggins hat in seiner Jugend sexualisierte Gewalt
durch einen Trainer erfahren. Darüber sprach er nun öffentlich.
Vor dem Start des Giro d'Italia: Ermüdungskampf quer durch Italien
Emanuel Buchmann geht mit hohen Erwartungen in das Radrennen. Seine
Frühjahrsergebnisse hätten indes durchaus besser sein können.
Radprofi-Rückkehr nach schwerem Unfall: „Nur ein paar Zähne weniger“
Der niederländische Radprofi Fabio Jakobsen feiert nur acht Monate nach
seinem lebensgefährlichen Sturz sein Comeback bei der Türkei-Rundfahrt.
Positiver Dopingtest bei Chris Froome: Mächtige Marginalien
Chris Froome, mehrmaliger Gewinner der Frankreich-Rundfahrt, wird mit einem
erhöhten Salbutamol-Wert erwischt. Regelverstoß oder Versehen?
50. Todestag von Radprofi Tom Simpson: Der Berg und der Tod
Vor 50 Jahren starb der Brite Tom Simpson beim Aufstieg am Mont Ventoux. Er
war das erste Dopingopfer der Tour de France.
Dopingdiskussionen im Radsport: Mister 416 Watt
Die Leistungen von Spitzenreiter Chris Froome sorgen für Diskussion.
Befeuert werden sie durch gehackte oder geleakte Leistungsdaten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.