# taz.de -- Frankreichs neue Ruanda-Untersuchung: In den Genozid verstrickt | |
> Über den Völkermord an den Tutsi 1994 in Ruanda wurde viel geforscht. Die | |
> entscheidende Frage aber bleibt: Warum griff Frankreichs Militär nicht | |
> ein? | |
Bild: Fotos getöteter Tutsi in Kigali: Bis heute ist die Rolle Frankreichs nic… | |
Wie war es möglich, dass im Jahr 1994 unter den Augen einer untätigen | |
Weltöffentlichkeit innerhalb von etwa drei Monaten rund eine Million | |
Menschen bestialisch abgeschlachtet werden konnten, von mordenden Milizen | |
und vom Militär, in einer organisierten, auf Kommando agierenden | |
Vernichtungsaktion, deren Gewaltapparat mit internationaler Hilfe aufgebaut | |
worden war? | |
[1][Der Völkermord an Ruandas Tutsi ist mittlerweile durchleuchtet], | |
erforscht, dokumentiert, juristisch aufgearbeitet; die Motivationen der | |
Täter, die Art und die Vorbereitung des Massenmords sind bekannt. Aber | |
warum niemand eingriff, bis es zu spät war – diese Frage gehört zu den | |
großen ungeklärten Mysterien des 20. Jahrhunderts. | |
Der Untersuchungsbericht über Frankreichs Rolle in Ruanda, den eine | |
Historikerkommission jetzt vorgelegt hat, beantwortet diese Frage genauso | |
wenig wie seine Vorgänger. Aber er stellt sie in bisher ungekannter | |
Schärfe. Frankreich war der wichtigste militärische Verbündete der | |
Hutu-Generäle, die 1994 aus Angst vor dem Machtverlust systematisch | |
begannen, alle Tutsi umzubringen. | |
Frankreich stellte nicht nur Waffen und Berater, es hatte Augen und Ohren | |
überall. Frankreichs Diplomaten und Offiziere wussten, was vorging, auch | |
und gerade all die Jahre vorher. Sie hätten rechtzeitig reagieren können, | |
sie hätten Menschenleben schützen können, statt sie preiszugeben. Sie taten | |
es nicht. Sie ließen sich auf die Logik der Mörder ein und wussten es. | |
Niemand bisher hat diese mörderische Kombination von Verwicklung und | |
Untätigkeit so schonungslos dokumentiert. | |
[2][Dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sich jetzt in die Pose des | |
unerschrockenen Aufklärers wirft], war nicht anders zu erwarten, ebenso, | |
dass Kritiker der französischen Afrikapolitik den Bericht als ungenügend | |
bezeichnen. Aber diese Reaktionen genügen nicht. Nach wie vor gewährt | |
Frankreich flüchtigen Völkermordtätern Schutz. Nach wie vor pflegen | |
Frankreich und Ruanda getrennte historische Gedächtnisse und sprechen nicht | |
miteinander. Und die Frage „Wie war es möglich?“ – die werden die | |
Überlebenden voraussichtlich mit ins Grab nehmen. | |
29 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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