# taz.de -- Wahlausgang in Baden-Württemberg: Debatte um Folgen von Klimaliste | |
> Auf Twitter tobt eine Debatte: Hat die Klimaliste in Baden-Württemberg | |
> Grün-Rot torpediert? Die Grünen halten sich lieber bedeckt. | |
Bild: Die Klimaliste verpasst mit 0,9 Prozent deutlich den Einzug in den Landtag | |
Berlin taz | Hat ausgerechnet die Klimaliste ein progressives Bündnis in | |
Baden-Württemberg verhindert? Diese Frage wurde am Montag auf Twitter | |
heftigst diskutiert. „Vielen Dank, Klimaliste Baden-Württemberg“, schrieb | |
etwa Campact-Vorstand Felix Kolb ironisch. Und lästerte weiter: „Das wird | |
dem Klima ja enorm helfen, dass CDU oder FDP mit regieren müssen.“ | |
Der Hintergrund ist ein Zahlenspiel im Tweet eines taz-Journalisten: Die | |
Klimaliste Baden-Württemberg schaffte [1][bei der Landtagswahl] 0,9 Prozent | |
– was knapp 43.000 abgegebenen Stimmen entspricht. Gleichzeitig verfehlte | |
ein Zweier-Bündnis aus Grünen und SPD knapp die Mehrheit. Hätten die | |
Liste-WählerInnen die Grünen gewählt, hätte es für Grün-Rot gereicht. | |
[2][Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)] hatte in den | |
vergangenen fünf Jahren zusammen mit der CDU regiert. Vielen Grünen galt | |
Grün-Rot vor der Wahl als Lieblingsoption, da die CDU bei | |
klimaschutzpolitischen Vorhaben gebremst hatte. Kretschmann will nun mit | |
der CDU Gespräche über eine neue Regierung führen, aber auch mit SPD und | |
FDP. Am Ende könnte es eine Fortsetzung von Grün-Schwarz geben – oder ein | |
Ampel-Bündnis aus Grünen, SPD und FDP. | |
Kretschmann selbst hatte im vergangenen Oktober das nun eingetretene | |
Szenario erwähnt. Auf die Gründung der Klimaliste angesprochen sagte er | |
damals: „Es kann gravierende Folgen haben – zum Beispiel, dass es nicht für | |
eine Regierung reicht, weil es sich zersplittert.“ Hat die Klimaliste also | |
ihrem eigenen Anliegen, konsequentem Klimaschutz, einen Bärendienst | |
erwiesen – allein durch ihre Existenz? | |
## „Merkwürdiges Demokratie-Verständnis“ | |
Mehrere Twitter-Nutzer sahen es so wie Campact-Mann Kolb. Aber viele sahen | |
es auch anders. „Der Zweck des politischen Pluralismus ist nicht, den | |
Siegern das Leben leichter zu machen“, schrieb zum Beispiel der | |
Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky. „Pluralismus ist der Wert an | |
sich.“ Er würde es eher auf die Politik „der sogenannten Grünen in | |
Baden-Württemberg“ zurückführen, schrieb der Satiriker Martin Sonneborn. | |
„70 Prozent der CDU-Wähler sind mit der Politik Kretschmanns zufrieden.“ | |
Auch bei der Klimaliste Baden-Württemberg will man den Vorwurf nicht auf | |
sich sitzen lassen. Vorstandsmitglied Alexander Grevel sagte der taz am | |
Montag: „Alle, die ein Wahlergebnis bekommen haben, das ihnen nicht gefällt | |
und nun die Schuld bei der Klimaliste sehen, haben meiner Meinung nach ein | |
merkwürdiges Verständnis von Demokratie und ignorieren zudem 10 Jahre | |
unzureichende Klimapolitik einer grüngeführten Landesregierung.“ | |
Grevel wertete die 0,9 Prozent als Erfolg. „Wir haben im Wahlkampf | |
konsequenten und sozial gerechten Klimaschutz zum landesweiten Top-Thema | |
gemacht.“ Die Klimaliste Baden-Württemberg werde nun weiter Druck machen | |
und die progressiven Kräfte stützen, „damit in den Koalitionsverhandlungen | |
endlich wirksame Maßnahmen beschlossen werden.“ Vor der Wahl war der | |
Klimaliste-Vorstand optimistisch gewesen, die 5-Prozent-Hürde zu schaffen. | |
## Grüne halten sich lieber bedeckt | |
Die Grünen in Baden-Württemberg vermieden es, sich die These, die | |
Klimaliste habe Grün-Rot verhindert, zu eigen zu machen. „Die gute | |
Nachricht für den Klimaschutz: Wir Grüne als Klimaschutzpartei sind klar | |
die stärkste politische Kraft in Baden-Württemberg. Wir haben immer gesagt: | |
Klimaschützerinnen und Klimaschützer sollten sich nicht auseinander | |
dividieren lassen“, sagte Grünen-Landeschefin Sandra Detzer der taz. Sie | |
fügte hinzu: „Ohne uns jetzt an „Was wäre wenn“-Debatten beteiligen zu | |
wollen, gilt ganz klar: Wer Klimaschutz stärken will, muss Grün wählen.“ | |
In der Tat sollte man mit einfachen Kausalitäten vorsichtig sein. Die | |
Klimaliste ist nicht die einzige Kleinpartei, die um Milieus wirbt, die | |
auch für die Grünen interessant sind – siehe ÖDP oder Volt. Und | |
Neugründungen beleben in der Regel die Demokratie. Als sich die Grünen und | |
die Linkspartei gründeten, litt darunter auch die SPD. Hätte sie es deshalb | |
lieber lassen sollen? | |
Nicht zuletzt ist offen, ob sich die 0,9 Prozent Liste-WählerInnen im | |
Zweifel wirklich für die Grünen von Winfried Kretschmann entschieden | |
hätten. [3][Kretschmanns konservativ grundierter Stil], der viel Rücksicht | |
auf die Automobilindustrie nimmt, entspricht nun wirklich nicht den | |
engagierten Zielen der Klimaliste. | |
15 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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