Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Uta Ranke-Heinemann ist tot: Die kämpferische Christin
> Uta Ranke-Heinemann stritt gegen eine Kirche der Dogmen. Nun ist die
> erste katholische Theologieprofessorin Deutschlands mit 93 Jahren
> verstorben.
Bild: Uta Ranke-Heinemann beim 2. Krefelder Forum gegen Atomwaffen 1981
Ihre öffentliche Wirkung, beginnend mit den aufrührischen Jahren der
Siebziger bis weit in die frühen Neunziger hinein, lässt sich gar nicht im
klassischen, inhaltlichen Sinne allein ermessen. Sie, Uta Ranke-Heinemann,
hochbegabte Tochter des Bundespräsidentenpaares Gustav und Hilda Heinemann,
mischte sich ein: in Katholisches, dessen letzte Worte zu sagen nur dem
Papst vorbehalten war. Religiöses war Männersache und ist es ja bei den
Papsttreuen bis heute. Frauen – das buchstabierte und lebte sich in Frauen
wie [1][Mutter Teresa] vor, aber eben nur dienend, helfend, stumm.
Bei den Evangelischen gab’s ein paar mutige Frauen, Dorothee Sölle oder
Luise Schottroff – und dann kam in deren nächster spiritueller
Verwandtschaft, den Katholen, plötzlich sie. Kein Aschenputtel des
Glaubens, kein bisschen nonnige Aura, dafür stets auf sehr Hochhackigen,
kniefrei, ladylike – und oft, manche sagen: immer – im türkisgrünen Kost�…
aus dünnstem Leder, dazu eine opulente Perlenkette stets. Das hatte Glam,
und anderen, vor allem in ihrer Kirche der Bischöfe und ihren Zuträgern,
machte es Angst: Ihre Art, auch körperlich sich nie zu ducken und Augenhöhe
mit den Hierarchen herzustellen. Das war nichts für frömmlerische Gemüter.
Zumal sie keine performative Mogelpackung war: Uta Ranke-Heinemann kannte
ihren Glauben und dessen theologisch verhandelte Verästelungen, sie las die
Bibel nicht wie eine Offenbarung des Wörtlichen, sondern eben, wie sie es
verstand, heutig, biblisch aktualisiert. 1927 in Essen geboren, wollte sie
immer schon Theologin werden, heißt es. 1969 habilitierte sie sich als
erste Frau der Welt in ihrem Fach, später Professorin, zuletzt an der
Universität Essen, in ihrer Heimatstadt.
1987 verlor sie ihren Lehrstuhl – auf Intervention der päpstlich
angehaltenen Vorgesetzten, dem sich der dienstgebende Staat zu fügen hatte.
So ist das kirchenrechtlich ja bis heute: Wer lehrt, darf der geltenden
vatikanischen Lehre nicht fundamental widersprechen. Das tat
Ranke-Heinemann nach eigener Auffassung aber auch nie. Okay, sie glaubte
nicht an die Jungfrauengeburt Marias im realistischen Sinne, sondern hielt
sie für eine phantasmatische Überlieferung, die als solche natürlich
Geltung hat, doch eben auch nur in diesem Sinne.
## Beliebt und streitbar
Früh kritisierte sie den Klerus, hinter den Kulissen auch gern offen als
antischwule Verschwörungsorganisation verklemmt-homosexueller Phobiker,
misogyn vielleicht nicht in der Theorie, aber doch in der Praxis. „Eunuchen
für das Himmelreich“ war ihr Hauptwerk als Autorin, es folgten viele Bücher
ähnlichen Kalibers, furchtlos sprach sie aus, was, so bekannte sie frank
und frei, was nahe liegt: Auch die Bibel sei Menschenwerk, die Geschichten
von Jesus und den Seinen war keine Prosa direkt aus dem Überirdischen zu
Protokoll gegeben.
Alles, was an [2][Misere in puncto Katholizismus heutzutage offenliegt],
die Kameraderie, das Bigotte, das Bedürftige an Herzlichkeit, die fehlende
Barmherzigkeit im Hinblick auf echte Nöte – das hatte Uta Ranke-Heinemann
in ihren agilsten Jahren im Blick, das machte sie öffentlich populär und
durchaus streitbar. Wer sich klammert an ein Katholikentum, das päpstlich
funktioniert wie eine Machtmaschine, musste sich fürchten vor ihr, wenn sie
sagte, Gott habe Himmel und Erde geschaffen, aber die Hölle, die sei nur
der Fantasie der Menschen entsprungen. Der Menschen, die diese
strafdrohende Fantasie nötig haben.
In den letzten Jahren interessierte sie sich – naheliegenderweise und nicht
nur theologisch eines der größten Rätsel überhaupt – für das mögliche L…
nach dem Tod, wenn, den Dichter Jean Paul zitierend, „die größte und
unsichtbarste Hand den Schlüssel hat zu den verschütteten Särgen unserer
verstorbenen Geliebten, zu denen kein Sterblicher“ Zugang finden kann. Sie
liebte, sie lebte – und wie! Sie wusste, was sie tat, sie riskierte, was
ihr kein Risiko war: Sie hatte eine eigene Idee von Wahrhaftigkeit in
eigener Sache, und sie leuchtete, kühn und offen geliebt von vielen, ein.
Uta Ranke-Heinemann ist am Donnerstag im Alter von 93 Jahren in ihrer
Heimatstadt Essen gestorben.
25 Mar 2021
## LINKS
[1] /Mutter-Teresa-und-ihre-Heimat/!5334888
[2] /Kardinal-Woelki-lehnt-Ruecktritt-ab/!5757039
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Theologie
Katholische Kirche
Nachruf
Kardinal Woelki
Kardinal Woelki
sexueller Missbrauch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kardinal Woelki lehnt Rücktritt ab: Im kölschen Nebelland
Die Verantwortung für den Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln ist
unstrittig. Kardinal Woelki will „rigoros handeln“, aber nicht gehen.
Das Woelki-Gutachten: Wenig überzeugend
Das Missbrauchsgutachten aus Köln liefert bei Weitem nicht die
Erkenntnisse, die eine umfassende Aufarbeitung braucht. Es ist allenfalls
ein Anfang.
Missbrauch in der katholischen Kirche: Der Herr vertröste dich
Teilnehmerinnen einer Tagung zu Gewalt gegen Frauen in der Kirche sprechen
von einem „historischen Moment“. Die Bischöfe spielen weiter auf Zeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.