# taz.de -- Theater-Kiosk in München: Fenster zur Straße | |
> Der Habibi-Kiosk ist ein Projekt der Münchner Kammerspiele, um Menschen | |
> ins Gespräch zu bringen. Die Idee entstand in der Pandemie. | |
Bild: Im Theater brennt noch Licht: In blau und rot leuchtet der Innenraum des … | |
Im Theater brennt noch Licht. Durch die Fenster zur Straße zeigt sich, was | |
nötig ist, um im digitalen Raum Nähe zu vermitteln: Schwarze Kabel | |
schlängeln sich über den Boden, um Grünpflanzen und ein paar | |
Freischwinger-Stühle herum. Softboxen – mit Stoff bespannte Scheinwerfer – | |
brechen das harte Kunstlicht. Kamera- und Soundtechnik stehen mitten im | |
Raum. | |
Beim „Habibi-Kiosk“ der [1][Münchner Kammerspiele] sollte ein offenes Ohr | |
für eine diverse Stadtgesellschaft entstehen, lautete das Konzept, das im | |
vergangenen November entwickelt wurde. Immer mittwochs würde hier Programm | |
stattfinden: Ausstellungen, Konzerte, DJ-Sessions, Talkrunden und | |
Performances. Selbst Pflanzenkunde sollte ihren Platz finden. | |
Die Pandemie war bereits Teil des Plans. Nach einem Sommer ohne Reisen, der | |
sich mehr nach halbwarmem Bier, Mückenstichen zu Hause und nächtlichen | |
Radfahrten anfühlte als nach Entdeckungen, war im Herbst klar: Ein weiterer | |
Lockdown würde kommen – und Begegnungen nur im digitalen Raum möglich sein. | |
„Wir planen immer mit A und B“, sagt Kurator Sebastian Reier. Rania Mleihi | |
ergänzt: „A und B klingt superklein! Wir haben uns daran gewöhnt, alle | |
Buchstaben des Alphabets durchzuplanen.“ Allen Varianten gemein bleibt die | |
Grundidee: „einen Ort zu bauen, der für uns alle da ist“. Unterschiede | |
anerkennen, Menschen ins Gespräch bringen, vermeintliche Fehler zulassen: | |
Daran halten die Kuratoren allerdings bei ihren Planungen fest. | |
Der Habibi-Kiosk sollte die Verschiedenheit feiern und Meinungen Raum | |
geben. Reier: „Wir haben hier eine sehr wohlhabende Nachbarschaft, und für | |
die sind wir genauso da. Es geht um das Teilen von Perspektiven, darum, | |
dass Menschen voneinander und von ihren Bedürfnissen in direkter Form | |
erfahren.“ | |
## Neben der Nobelmeile | |
Ausgehend von dieser Idee hätten sie sich „Verbündete“ gesucht, erzählt | |
Reier. Sulafa Hijas aus Damaskus ist eine davon. An den Wänden der | |
Schauräume, die sich zur Nobelmeile Maximilianstraße öffnen, sind derzeit | |
ihre digitalen Projektionen zu sehen. Hijas hat in Frankfurt Bildende Kunst | |
studiert und lebt jetzt in Berlin. Der Titel ihrer Ausstellung lautet | |
„Through a window“, und im Vorbeigehen – mit der Veränderung des | |
Blickwinkels – ändert sich auch die Kunst. | |
„Wir denken, unser Auftritt zur Straße hin ist die Antwort auf die Fragen, | |
die sich die Gesellschaft derzeit stellt“, sagt Kuratorin Rania Mleihi. | |
„Was dürfen wir noch machen? Was ist mit der Pandemie? Wir wollten die | |
Stadt und ihre Menschen kennenlernen, die sich mit Fragen von | |
Zusammenarbeit und Kunst beschäftigen“ – vor allem Menschen, die „deutsch | |
sind, aber nicht Deutsche“. | |
Menschen wie Nuschin Rawanmehr: Die Sozialarbeiterin und Migrationsbeirätin | |
im Münchner Stadtrat befasst sich mit Feminismus. Ihre Veranstaltungsreihe | |
heißt „The fittest will survive?“. Tuncay Acar, aka „DJ Süperfly“, is… | |
anderer. Jeden dritten Mittwoch im Monat talkt der Musiker zum | |
programmatischen Titel „Dies das“. | |
## Respekt zeigen | |
„Türkische Musik wird in Deutschland als Weltmusik ein- und abgestuft“, | |
erklärt Reier. „Migrantische Formen klassischer zeitgenössischer Musik | |
werden als ‚Folklore‘ einsortiert.“ Da sei der Habibi-Kiosk ein Ort, | |
Respekt zu zeigen und Transformation in die Wege zu leiten. | |
Alle zwei Wochen freitags senden [2][Mleihi und Reier zudem unter „Radio | |
Habibi“] vier Stunden lang. Mit Gästen aus den Kammerspielen und aus der | |
Stadt soll die Frage „Was ist die Stadt?“ beantwortet werden. Und unter dem | |
Titel „Habibi Gig“ findet jeden zweiten und vierten Freitag im Monat eine | |
Konzertreihe statt. | |
Mit dem Habibi-Kiosk soll „eine vierte Spielstätte der Kammerspiele“ | |
(Mlehi) entstehen, die die Stadt fünf Jahre begleiten soll – und sich dabei | |
immer wieder von den Strukturen des klassischen Stadttheaters lösen wird. | |
10 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Abschied-von-Matthias-Lilienthal/!5694802 | |
[2] http://www.discotehran.nyc%20/%20https://www.instagram.com/discotehran.nyc/ | |
## AUTOREN | |
Johanna Schmeller | |
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