| # taz.de -- Relaunch von „Brigitte“: Creme dich ein – für Empowerment | |
| > Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ erscheint im neuen Look. Der Verlag | |
| > kündigt Empowerment an, verliert sich aber in einer girlboss-Mentalität. | |
| Bild: Wollen jetzt Frauen in den Vordergrund rücken: Die Brigitte | |
| Ich verfüge über kein Zeitschriftenabonnement – die Lektüre diverser | |
| Magazine wird durch meine häufigen Meet-and-Greets mit unterschiedlichen | |
| Ärzt*innen sichergestellt. Meine Favoriten sind dabei | |
| Frauenzeitschriften. Allerdings war „Brigitte“ dabei eher meine dritte Wahl | |
| – zu spießig, zu langweilig, zu, na ja, Brigitte. Nomen ist halt Omen. Mit | |
| dieser Ansicht war ich wohl nicht allein, denn die Zeitschrift wurde neu | |
| aufgestellt. | |
| In der dazugehörigen [1][Pressemitteilung von Gruner + Jahr] kommen | |
| mehrmals die Worte „frisch“ und „modern“ vor. Doch neben einem neuen Lo… | |
| gibt es wohl auch ein neues Profil. Wortwörtlich steht in der Mitteilung: | |
| „Brigitte stellt dabei die Unterstützung und das Empowerment von Frauen in | |
| den Mittelpunkt. Sie ermuntert sie, ihren eigenen Weg zu gehen, um ein | |
| selbstbestimmtes und entspanntes Leben zu führen, ausgerichtet an ihren | |
| individuellen Bedürfnissen.“ Darauf haben wir gewartet: Eine feministische | |
| „Brigitte“, die uns endlich erlaubt die Zwänge des Patriachats abzulegen | |
| und ein wirklich unabhängiges Leben zu führen! | |
| Doch die Lektüre macht deutlich: Hier ist [2][Gruner + Jahr] auf den | |
| „Empowerment“-Zug aufgesprungen. Bevor man überhaupt zum tatsächlichen | |
| Inhalt der Zeitschrift kommt, muss die geehrte Leser*in erstmal Seiten | |
| über Seiten Werbung überwinden. Die obszöne Menge an Anzeigen macht jeder | |
| illegalen Streamingplattform echte Konkurrenz – nur werden dir keine MILF | |
| in deiner Nähe feilgeboten, sondern eben Make Up von Armani. | |
| Der Blick in das Inhaltsverzeichnis verrät zunächst nicht, dass wir es mit | |
| einer neuen „Brigitte“ zu tun haben. Es gibt immer noch die Rubriken | |
| „Fashion“, „Beauty“, „Reisen“, „Wohnen“ und „Kochen“ – so… | |
| Frauenzeitschrift. Im Chaos der modernen Welt scheint das das einzig | |
| Stabile zu sein. Doch vielleicht sind die redaktionellen Artikel | |
| revolutionär? | |
| In der Pressemitteilung wurde bereits angekündigt, dass die neue „Brigitte“ | |
| Frauen mehr in den Vordergrund rücken will. Da stellt sich die Frage, warum | |
| das vorher nicht war. Wie dem auch sei, jedenfalls kamen neue Rubriken und | |
| Kolumnen dazu. So gibt es die neue Porträtreihe „Macherinnen“. In dieser | |
| Ausgabe stellen sie Raquel Peixoto vor, die mit Probiotika Korallen | |
| schützen will. | |
| ## Ein neues Design macht keine Neustrukturierung | |
| Bei diesen Porträts zeigen sich die Stärken der „Brigitte“-Redaktion. Es | |
| gelingt ihnen spannende Frauen zu ungewöhnlicheren Themen zu finden und | |
| über sie zu schreiben. In der Reportage wird Lani Malmberg vorgestellt, die | |
| mit Ziegen in Colorado Waldbrände verhindern will. Auch das [3][Interview | |
| mit Dr. Lisa Malich zu ihrer Kampagne #neueoffenheit] oder der Artikel über | |
| den Quereinstieg in Berufen sind lesenswert. Die Artikel bleiben an der | |
| Oberfläche und viele Fragen oder Perspektiven werden nicht beleuchtet. Aber | |
| die Themen und die Protagonist*innen sind so interessant, dass dann | |
| doch etwas hängen bleibt. Ich will mich dann austauschen und mehr wissen. | |
| Also doch eine neue Brigitte? Leider nicht, denn selbst an den guten | |
| Stellen merkt man: Dahinter ist nichts, und das Magazin kommt nicht aus | |
| sich selbst heraus. Einige Seiten vor dem Interview mit der Psychologin | |
| Malich zum Thema Offenheit erzählen Frauen ohne Kontextualisierung oder | |
| besonderer Tiefe von teils traumatischen Erlebnissen wie Flucht oder | |
| häusliche Gewalt. Das ist Voyeurismus im Namen der angeblichen | |
| Enttabuisierung. | |
| Wenn im Porträt Peixoto als „Typ Juliette Binoche“ beschrieben wird, ist | |
| das mindestens unnötig. Und wenn nach dem Text zum späten beruflichen | |
| Quereinstieg eine Anzeige mit Sylvie Meis über Hyaluronfiller für perfekte | |
| Konturen folgt, zeigt das deutlich: Empowerment ist nur ein | |
| Verkaufsargument. Statt „Creme dich ein, damit du einen Mann abbekommst“, | |
| „Creme dich ein für mehr Selbstbewusstsein. Yas, queen!“ | |
| Es ist die neoliberale [4][#girlboss-Mentalität], die konträr zum | |
| wirklichen Empowerment ist, da sie perfekt in ein kapitalistisches | |
| Patriarchat hineinpasst und das System nicht hinterfragt. | |
| So bleibt von der neuen „Brigitte“ nicht viel übrig, ein bisschen neues | |
| Design macht noch lange keine Neustrukturierung. Damit bleibt die | |
| Zeitschrift auch weiterhin die dritte Wahl, wenn ich im Wartezimmer Platz | |
| nehme. | |
| 1 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.nachrichten-heute.net/876951-grunerjahr-brigitte-grosser-brigit… | |
| [2] /Abschied-von-Gruner--Jahr/!5827323 | |
| [3] https://www.brigitte.de/liebe/persoenlichkeit/-neueoffenheit---in-der-ideal… | |
| [4] /Buch-Dear-Girlboss-we-are-done/!5700634 | |
| ## AUTOREN | |
| Laila Oudray | |
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