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# taz.de -- Die Wahrheit: Brotzeit ohne die Twitteria
> Schon jetzt ist das Bild ein wahrer Klassiker. Bevor es aber davon nur
> noch Fälschungen gibt, haben wir das Original rasch analysiert.
Bild: Der Miller macht’s! (Bildausschnitt)
Die Zarten sind heiße, nein, sorry, es muss heißen: Die Zeiten sind harte.
Inzidenzen höher als Wahlbeteiligungen, Kontaktbeschränkungen in den besten
Familien, Maskenpflicht und schnelle Überwachung durch soziale Medien. Und
dann noch dieses desaströse Wahlergebnis! Da hilft der CDU in
Baden-Württemberg auch die alte Schule nicht. Matthias Miller musste das am
eigenen Leib erfahren, er wollte in den Landtag und hatte sich gedacht,
dass Beschaulichkeit und echte Werte am Frühstückstisch schon die Stimmen
holen. Aber er hat die Brotzeit ohne die Twitteria gemacht und für Gespött
gesorgt … Wir von der Wahrheit haben eine renommierte Kunstkritikerin in
ihrer Freizeit gebeten, das von der CDU verbreitete und [1][rasch wieder
zurückgenommene] Meisterwerk (siehe unten) noch einmal für uns zu
analysieren.
Ein Frühstücksfoto also, um vor der Wahl mal richtig zu zeigen, dass man
nicht so ein abgehobener Politiker ist, sondern einer aus dem Volk
geblieben ist.
Punkt eins: Die Damasttischdecke weglassen, ganz wichtig. Ist ohnehin
besser, am Ende wird sie nur wieder vollgekleckert und muss gewaschen und
gebügelt werden, besser, sie bleibt gleich in der Schublade. Zumal mit
fettigem Aufschnitt immer Unfälle passieren, aber der gehört nun einmal auf
einen richtigen Frühstückstisch. Ein bisschen zu klein für die Wurst ist
die Platte schon, ja, das sieht man gleich am Schinkenzipfel, der über dem
Rand baumelt, aber etwas leger darf es bei solchen Gelegenheiten ruhig
zugehen. Und außerdem ist sie ein Erbstück von Tante Gertrud, das
selbstverständlich in Ehren gehalten wird.
Was waren das immer für wunderbare Familienfeste bei ihr, und dann jedes
Mal das große Hallo, wenn sie zum Steinhäger auf ebendieser Platte ihre
legendären russischen Eier servierte, mit schön viel Majonäse und obendrauf
große Tupfer mit echtem deutschen Kaviar. Die mochte sogar Onkel Willi,
dabei war der, seit er sich damals den dicken Zeh abgefroren hatte, gar
nicht gut auf alles Russische zu sprechen. Jedenfalls: Wunderbare Feste
waren das bei Tante Gertrud, wie gesagt, bis zu dem Vorfall mit Großkusine
Martha 1985. Nie wieder wurde darüber geredet, aber natürlich erinnern sich
alle nur zu gut daran, gerade bei solchen Gelegenheiten. Ob jemand die
augenzwinkernde Reminiszenz bemerkt, den in den Gouda-Block gerammten
Käsehobel?
## Käseröllchen sehen gut aus
Schade, dass Tante Gertrud den schönen großen Servierteller Gerlinde
vererbt hat, der hätte sich ja bei solchen Gelegenheiten prächtig als
Unterlage für den Käse gemacht. Macht nix, werden die Käsescheibchen
einfach gerollt, dann passt alles prima auf das weiße Schälchen.
Käseröllchen sehen einfach immer sehr gut aus und platzsparend sind sie
außerdem. Auch wenn sie manchmal danach zusammenkleben, aber nur, wenn die
Zimmertemperatur zu hoch ist und sie ins Schwitzen kommen, bei 18 Grad
Raumtemperatur wird das sicher nicht passieren. Und zur Not gibt’s heute
Abend halt Käsesalat.
Nun noch die Vase mit den Tulpen unterbringen, vielleicht aufs Klavier
stellen? Besser in die Mitte des Tischs, das wirkt schön fröhlich. Immer
bringt jemand Tulpen mit, wobei, eigentlich war ja mit zwei Blumensträußen
gerechnet worden. Aber gut, kommt halt die rosa Kerze, die eigentlich für
das Grab von Großcousine Wilma gedacht war, in die andere Vase, sieht auch
schön aus. Kerzenlicht beim Frühstück hat ja ohnehin immer etwas
Erhebendes, und für Wilma tut’s auch so ein Ding für zwofuffzich aus dem
Supermarkt, wenn man’s recht bedenkt.
Fehlt noch was? Ah, die Wassergläser. Es ist sehr wichtig, viel Wasser zu
trinken, und man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Hat ja auch
schon Wilmas Mann Albert immer gesagt: „Trinkt Wasser, singt und wandert.“
Und was hat der Mann gesungen, und was ist er gewandert, von hier bis in
den Schwarzwald und wieder zurück, na ja, gut, fast, war halt blöd, dass er
im Dunkeln partout die Abkürzung über den fast zugefrorenen Fluss nehmen
wollte. Tja, man selbst steckt nicht drin, sozusagen.
## 50 Shades of Gelb
Oh. Das ist jetzt aber schlecht, das Gelb der Tomatenschüssel beißt sich
doch sehr mit dem des Orangensafts. Die Schüssel muss aber dort stehen
bleiben, um den Riss zu verdecken, der bei dem anderen Vorfall entstand,
über den nicht geredet wird. Trink doch mal das Glas schnell leer, und dann
füllen wir es mit Wasser auf, andererseits, gell, lass es besser bleiben,
sonst bekommst du nur wieder Sodbrennen und willst heute Abend keinen
Käsesalat. Wir stellen einfach den süßen Senf dahin, das Rot lenkt
formidabel von den beiden Gelbs ab, und dass es gar keine Weißwürste gibt,
fällt sicher niemandem auf.
Und jetzt nur noch schnell alles so umdrehen, dass die Etiketten nicht zu
sehen sind, vor allem beim teuren Orangensaft. Bei der H-Milch ist es egal,
soll ruhig jeder wissen, dass wir ganz normal im Supermarkt einkaufen.
Schade, dass keine Eier mehr da sind, hätten sich jetzt gut gemacht, zumal
mit den lustigen Wärmemützchen, die Wilma damals selbst aus der teuren
Angorawolle gestrickt hatte. Wobei, hat die nicht auch Gerlinde eingesackt?
Wäre ja typisch, und nun stehen sie bei ihr herum und verstauben, genau wie
das schöne Hutschenreuther-Service. Aber immer alles haben wollen, ganz
unrecht hatte Großkusine Martha damals eigentlich nicht, wenn man es genau
bedenkt.
So, sieht doch gut aus alles, farblich sehr harmonisch, nicht zu protzig,
heimelig und gleichzeitig weltoffen, das Olivenglas macht wirklich was her.
Bringt bestimmt eine Menge Extrastimmen, das Foto, ha!
Gegendarstellung der CDU Baden-Württemberg: „#Servicetweet: Das Bild von
Matthias Miller zeigt einen Haushalt und ist daher mit den aktuellen
Corona-Regeln vereinbar. Um falsche Eindrücke zu vermeiden, haben wir es
dennoch entfernt.“
17 Mar 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/CDU_BW/status/1371131745060466692?ref_src=twsrc%5Egoogl…
## AUTOREN
Elke Wittich
## TAGS
Die Wahrheit
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Kolumne Die Wahrheit
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