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# taz.de -- Nachruf auf Ion Mihai Pacepa: Ein Meister der Desinformation
> Der ehemalige hochrangige Mitarbeiter des rumänischen Geheimdienstes
> Securitate ist im Alter von 92 Jahren in den USA gestorben.
Bild: Ion Mihai Pacepa im Jahr 1975
Berlin taz | Er war schon mehrmals totgesagt worden, doch nun ist es
amtlich: Der frühere Generalleutnant [1][des rumänischen Geheimdienstes
Securitate], Ion Mihai Pacepa, ist in den USA an Covid-19 gestorben. Er
wurde 92 Jahre alt.
Die Nachricht von Ableben des prominenten Geheimdienstlers veröffentlichte
am Montag zuerst das Propagandablatt antikommunistischer Exilchinesen, The
Epoch Times. Der Verfasser ist der amerikanische Jurist Ronald J. Rychlak,
der mit Pacepa mehrere Bücher und Artikel veröffentlicht hatte, in denen
sich alles um Geschichten aus der undurchschaubaren Agentenwelt drehte.
Auch Radio Free Europe bestätigte inzwischen den Tod und erinnerte daran,
dass Pacepa der hochrangigste Vertreter eines Ostblockgeheimdienstes war,
der sich in den Westen abgesetzt hatte.
Pacepa wurde nach seinem Chemiestudium in den frühen 1950er Jahren Offizier
der Securitate. Er machte schnell Karriere innerhalb des
Auslandsgeheimdienstes (DIE). Von 1957 bis 1960 leitete er von Deutschland
aus das im westlichen Ausland aktive Spionagenetzwerk. Dank seiner
nachrichtendienstlichen Fähigkeiten wurde er 1972 zum Vize-Chef des DIE
befördert. Gleichzeitig ernannte ihn der nationalkommunistische Diktator
Nicolae Ceauşescu zu seinem persönlichen Berater.
Ceauşescu reagierte 1977 wütend und tief enttäuscht auf die Meldung, dass
sich sein engster Berater aus dem Securitate-Apparat in den Westen
abgesetzt hatte. Dass Pacepa den Amerikanern Staatsgeheimnisse anvertrauen
würde, war zu erwarten.
## Zum Tod verurteilt
In kürzester Zeit mussten Spione abgezogen, die Struktur des
Auslandsgeheimdienstes verändert und Schuldige für die nicht rechtzeitig
erkannten Absichten des Überläufers ausgemacht werden. Pacepa wurde in
einem Geheimprozess zum Tode verurteilt, seine in Rumänien verbliebene
Tochter schikaniert und sein Vermögen beschlagnahmt.
Zehn Jahre nach seinem Untertauchen veröffentlichte er ein memorialistisch
eingefärbtes Buch unter dem Titel „Red Horizons“ („Rote Horizonte“), i…
er im Stil eines Agententhrillers unglaubliche Geschichten über Ceauşescu
und dessen Familie zum Besten gab. Aus einer 1988/89 von Radio Free Europe
ausgestrahlten Fassung wurden einzelne, kaum belegbare Behauptungen dieses
Meisters der Desinformation gestrichen. An einer Stelle erzählte Pacepa von
Ausschweifungen des Diktatorensohnes. Für diesen seien Austern eingeflogen
worden, auf die er dann uriniert haben soll.
In den Folgejahren wartete der frühere Securitategeneral mit immer neuen
Geschichten auf. Diese zeugen von einer regen Fantasie des Verfassers, der
sich in Verschwörungsmythen einmauerte. In einer seiner Schriften heißt es,
er habe Rolf Hochhuth Geheimdokumente aus dem Vatikan zugespielt, die
dieser für sein berühmtes Theaterstück „Der Stellvertreter“ benutzt habe.
Die Dokumente seien von seinen im Vatikan eingeschleusten Agenten kopiert
worden, um Papst Pius XII. als Nazisympathisanten zu kompromittieren.
Im gleichen Zusammenhang berichtete er über einen als Vatikanagenten
verurteilten katholischen Bischof aus Rumänien, der 1959 gegen die
Freilassung verhafteter Spione in die BRD ausreisen durfte. Der Bischof war
1954 gestorben.
In Rumänien blieb Pacepa [2][nach 1990] umstritten – auch nachdem 1999 das
Oberste Gericht das Todesurteil gegen ihn rückgängig gemacht hatte. 2004
wurde ihm auch das Vermögen zurückerstattet. Pacepa reiste aber nie wieder
in seine Heimat, sondern schrieb weiter über Verbrechen, an denen er
beteiligt war. Entschuldigt hat er sich nie.
16 Feb 2021
## LINKS
[1] /Geheimdienste-in-Rumaenien/!5451521
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## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Rumänien
Geheimdienst
Nicolae Ceaucescu
Nachruf
Rumänien
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