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# taz.de -- Geheimdienste in Rumänien: Elogen auf einen Verbrecher
> Der letzte Chef der Securitate, Iulian Vlad, ist im Alter von 86 Jahren
> gestorben. Manche Medien feiern ihn als einen wahrhaftigen Patrioten.
Bild: Iulian Vlad bei einer Buchpräsentation im Jahre 2012
Berlin taz | Der letzte Chef der gefürchteten rumänischen Geheimpolizei
Securitate, Iulian Vlad, ist am Samstag im Alter von 86 Jahren in Bukarest
gestorben. Der Tod von Generaloberst Vlad, der von 1987 bis zum Untergang
der nationalkommunistischen Ceauşescudiktatur 1989 an der Spitze der
Securitate stand, löste in Bukarester Medien eine Flut schnulziger
Würdigungen aus.
In zahlreichen Nachrufen, die bereits kurz nach seinem Tod in den
einflussreichen nationalistischen Tageszeitungen Evenimentul Zilei und
Cotidianul erschienen, wurde der frühere Geheimdienstchef als großer
rumänischer Patriot dargestellt. Er habe während des Volksaufstands von im
Dezember 1989 Rumänien davor bewahrt, in einen Bürgerkrieg zu schlittern.
Und im Ton verschwörungstheoretischer Überlegungen heißt es weiter: Er sei
es gewesen, der einen Einmarsch sowjetischer und ungarischer Truppen
verhindert und die von langer Hand geplante Zerstückelung seines
Vaterlandes abgewendet habe.
Der frühere Kanzleichef von Vlad, der pensionierte Brigadegeneral der
Securitate Aurel Rogojan, hob in seinen schwelgenden Nachrufen den
heldenhaften Mut und die professionelle Diskretion seines Vorgesetzten
hervor, der von anti-rumänischen Vaterlandsverrätern 1990 unschuldig zu
einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt wurde.
## Antisemitisch und anti-ungarisch
Seine Ausführungen untermauert Rogojan mit Auszügen aus Interviews mit Vlad
und Zitaten aus dessen Memoiren, die demnächst als Buch erscheinen sollen.
Bezeichnend für die Geisteshaltung des verstorbenen Geheimdienstchefs sind
etliche antisemitisch und anti-ungarisch grundierte Zitate, in denen er von
der jüdisch dominierten kommunistischen Partei spricht und dem von
fremdstämmigen Offizieren durchsetzten Securitateapparat, der erst nach der
Überwindung des Stalinismus unter Ceauşescu in den Dienst des rumänischen
Volkes gestellt werden konnte.
Über den persönliche Beteiligung Vlads in den 1980er Jahren an der
Unterdrückung streikender Arbeiter in Braşov/Kronstadt, am Terror gegen
rumänien-ungarische Regimekritiker und an der Ermordung des Dissidenten
Gheorghe Ursu im Bukarester Securitategefängnis verliert Rogojan kein Wort.
Im Gegenteil: Vlad wird als ein Geheimdienstprofi beschrieben, der im Sinne
urväterlicher rumänischer Werte handelte, Gewalt ablehnte und nur das Wohl
seiner Nation vor Augen hatte.
## Strafanzeige gegen Vlad
Andrei Ursu, der Sohn des ermordeten Dissidenten Gheorghe Ursu ist anderer
Meinung. Er besitzt auch einschlägige Beweise, die Vlad belasten. Im März
stellte er Strafanzeige gegen Vlad, dem er vorwarf, am gewaltsamen Ende
seines 1985 zu Tode geprügelten Vaters mitschuldig zu sein. Einige
Dokumente aus dem Securitatarchiv, die Vlads Beihilfe zum Mord an Ursu
belegen, sind im Internet einsehbar.
Die politische Karriere des 1931 in einem südrumänischen Dorf geborenen
Iulian Vlad begann mit seinem Beitritt zur kommunistischen Partei 1946. Als
Gymnasiast und später als Student des Pädagogischen Instituts in Bukarest
betätigte er sich als Aktivist des Jugendverbandes.
1952 absolvierte er die Offiziersschule für angehende Securitateleute. Im
gleichen Jahr wurde er Leutnant im Securitateapparat. Danach war er in der
Lehranstalt für Geheimdienstoffiziere tätig, die er von 1974 bis 1977
leitete.
Vor seiner Ernennung zum Geheimdienstchef 1987, war er 10 Jahre lang
Staatssekretär im Innenministerium, dann drei Jahre lang stellvertretender
Innenminister.
## Begnadigung nach vier Jahren
Ende Dezember 1989 wurde er verhaftet und wegen seiner Beteiligung an der
Repression der Revolution verurteilt, aber bereits nach vier Jahren
begnadigt.
In den letzten Jahren trat Iulian Vlad immer wieder bei öffentlichen
Veranstaltungen ehemaliger Securitateoffiziere auf und versuchte den
Geheimdienst und seine Rolle innerhalb der politischen Polizei zu
verharmlosen.
Beifall und Unterstützung erhielt er seitens zahlreicher nationalistischer
Organisationen und Medienmacher. Und natürlich von seinen Kameraden.
1 Oct 2017
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
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