# taz.de -- Gerichtsurteil zu Sozialleistungen: Geflüchtete Roma gestärkt | |
> Einer Roma-Familie in Hildesheim wurden Sozialleistungen zu Unrecht | |
> gekürzt, so ein Gericht. Die Familie konnte keine Staatsangehörigkeit | |
> nachweisen. | |
Bild: Nach Deutschland geflüchtete Roma wurden durch einen Gerichtsbeschluss e… | |
GÖTTINGEN taz | Die Ansprüche auf Sozialleistungen von nach Deutschland | |
geflüchteten Roma sind durch einen weitreichenden Gerichtsbeschluss | |
erheblich gestärkt worden. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen | |
verpflichtete den Landkreis Hildesheim, einer sechsköpfigen Roma-Familie | |
aus dem Kosovo höhere Sozialleistungen zu gewähren. | |
Mit dem am Montag bekannt gewordenen Beschluss wiesen die Richter eine | |
Beschwerde des Landkreises gegen ein vorausgegangenes Urteil des | |
Hildesheimer Sozialgerichts ab. Dieses hatte den Kreis verpflichtet, der | |
Familie ungekürzte Leistungen zu gewähren und ihr Zugang zum gesetzlichen | |
Krankenversicherungssystem zu ermöglichen. | |
Die Familie hatte seit Jahren trotz erheblicher Bemühungen die eigene | |
Identität nicht nachweisen können, da eine Staatsangehörigkeit weder durch | |
die Behörden des Kosovo noch durch die Serbiens und Nord-Mazedoniens | |
bestätigt wurde. Der Landkreis verweigerte der Familie seit 2015 die | |
Zahlung der üblichen Sozialleistungen mit der Begründung, sie hätten keine | |
Pässe vorgelegt und ihre Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen. | |
Bundesweit müssen Geflüchtete, die etwa wegen verlorener Pässe ihre | |
Staatsangehörigkeit nicht beweisen können und bei der Beschaffung neuer | |
Papiere nicht aktiv mitwirken, mit „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ | |
rechnen, also ihrer Abschiebung. Sie bekommen zudem weniger Zuwendungen als | |
andere Geflüchtete. Viele Roma wie auch kurdisch-arabische Mahalmi sind | |
aber papier- und staatenlos – und haben deshalb oft gar keine Möglichkeit, | |
ihre Identität nachzuweisen. | |
## Systematisch diskriminiert | |
Aus Sicht des Landessozialgerichts ließ sich eine Weigerung der vor Gericht | |
gezogenen Familie, Identitätspapiere zu beschaffen, nicht feststellen. | |
Gleichzeitig verwies es auf UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des | |
internationalen Schutzbedarfs von Personen aus dem Kosovo. Viele Roma | |
lebten dort ausgegrenzt und nicht registriert. | |
Der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam vertritt die Familie. Er sagte, Roma | |
würden im Kosovo „systematisch diskriminiert, auch indem ihnen häufig die | |
Staatsangehörigkeit und das Aufenthaltsrecht abgesprochen wird“. [1][Diese | |
Diskriminierung] setze der Kreis Hildesheim fort. „Die Roma-Familien leben | |
[2][in einer ständigen Diskriminierungsspirale] aus institutionellem | |
Rassismus.“ | |
Auch in einem weiteren Beschluss versetzte das Landessozialgericht dem | |
Kreis Hildesheim eine Ohrfeige. Ein 21-jähriger Rom war dagegen | |
vorgegangen, dass seine Leistungen wegen eines angeblich gemeinsamen | |
Wirtschaftens mit anderen Personen in einem Hildesheimer | |
Flüchtlingswohnheim reduziert wurden. | |
Der Kreis stuft den entsprechenden Komplex als Gemeinschaftsunterkunft im | |
Sinne des Aufenthaltsrechts ein und kürzt den dort lebenden alleinstehenden | |
Erwachsenen die monatlichen Bezüge, da gemeinsames Wirtschaften zu | |
Einspareffekten bei der Haushaltsführung führt. Aufgrund der getrennten | |
Küchen und Sanitäranlagen sei hier jedoch nicht von einer | |
Gemeinschaftsunterkunft auszugehen, entgegnete das Gericht nun. Beide | |
Beschlüsse des Landessozialgerichts sind unanfechtbar. | |
15 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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