# taz.de -- Entscheidung über Olympiaaus für Italien: Der Kellner als Koch | |
> Die olympischen Regeln verbieten staatlichen Einfluss auf Sportverbände. | |
> Das IOC könnte Italiens Olympiakomitee nun deshalb sogar ausschließen. | |
Bild: Das italienische Team bei der Eröffnungsfeier von Olympia 2016 in Rio de… | |
Berlin taz | In Italiens Sport ist ein Streit darüber ausgebrochen, wer das | |
Sagen hat. Ist das Nationale Olympische Komitee noch unabhängig, so wie es | |
die Olympische Charta verlangt, oder bestimmt der Staat? Sieht das am | |
Mittwoch tagende IOC-Exekutivkomitee die Unabhängigkeit des Coni gefährdet, | |
droht Italien als Strafe eine Olympiateilnahme ohne Fahne und Hymne. | |
Romantische Erinnerung überwältigt römische Sportfunktionäre, wenn sie sich | |
an das Jahr 1980 erinnern. Damals riefen westliche Politiker wegen des | |
Einmarschs der Sowjettruppen in Afghanistan zum Boykott der Olympischen | |
Spiele in Moskau auf. Die meisten Sportverbände des Westens folgten der | |
Politik. Italien aber scherte aus und schickte eine Abordnung. Grund war | |
damals die totale Autonomie des Coni, des italienischen NOK. | |
„Wir haben uns damals selbst finanziert, aus den Einnahmen des Totocalcio“, | |
erzählt Franco Carraro, zun jener Zeit Präsident des Coni, heute Senator in | |
Rom und Ehrenmitglied des IOC, der taz. Die Finanzierungsquelle des Coni | |
brachte sogar dem Staat noch die Steuer auf die Wetteinnahmen ein. | |
## Finanzier und Wohltäter | |
Heute laufen die Geldströme anders. Zwar gibt es Totocalcio noch. Aber die | |
Umsätze sind eingebrochen. Was übrig bleibt, geht an die Staatsbehörde | |
Sport e Salute. Die gibt auch die 40 Millionen Euro Jahresetat aus dem | |
italienischen Haushalt an das Coni. Sport e Salute ist Italiens mächtigste | |
Sportbehörde, 2018 geschaffen vom Sportminister Vincenzo Spadafora. Sie ist | |
ein Reformprojekt mit manch guter Initiative. „Wir machen unsere | |
Sportstätten zugänglich für die Bevölkerung, haben im Projekt ‚Sport nei | |
Parchi‘ bereits das Tennisstadion in Rom mit Sport und Fitnessgeräten | |
ausgestattet und ermöglichen auch anderen Städten und Kommunen die | |
Aufstellung von Sportgeräten in Parks und öffentlichen Anlagen“, erzählt | |
Goffredo De Marchis, Pressesprecher von Sport e Salute. Das Reformprojekt | |
begrenzt auch die Amtszeiten der Präsidenten der Sportverbände auf drei | |
Mandate mit maximal zwölf Jahren Gesamtdauer – ein echter Anschlag auf die | |
Methusalemstrukturen im Sport. | |
Vor allem der aktuelle Coni-Präsident Giovanni Malago wettert gegen die | |
Reformen – und baut als Drohkulisse mögliche Sanktionen des IOC auf. Das | |
ist tatsächlich ein Erfolg versprechender Hebel. Denn Sport e Salute ist | |
nicht nur Geldgeber des Coni. Auch alle Mitarbeiter des Coni sind formal | |
bei Sport e Salute angestellt, alle Sportanlagen an Sport e Salute | |
übergegangen. Selbst die Büros, in denen die Coni-Mitarbeiter*innen sitzen, | |
gehören zu Sport e Salute. „Wir sind in allem abhängig von Sport e Salute. | |
Selbst wenn wir einen Bleistift kaufen wollen, können wir das nicht selbst | |
tun, sondern müssen ihn über Sport e Salute bestellen“, klagte ein | |
langjähriger Coni-Mitarbeiter. | |
Auch Francesco Carraro, Coni-Präsident von 1987 bis 1987, sieht „die | |
operative und administrative Unabhängigkeit des Coni nicht mehr gegeben“. | |
Hintergrund ist nicht unbedingt böser Wille. „Wenn das Coni 500 Bleistifte | |
will, geben wir ihm 501. Als sie zu den 40 Millionen Jahresetat noch | |
weiteres Geld wegen der Olympiavorbereitung haben wollten, gab Sport e | |
Salute ihnen zusätzliche acht Millionen Euro“, bekräftigt | |
Sport-e-Salute-Sprecher De Marchis. | |
## Entscheidender Konstruktionsfehler | |
Allerdings hat aber derjenige, der das Geld verteilt, mindestens indirekten | |
Einfluss. Die aktuelle Situation ist vor allem Produkt handwerklicher | |
Fehler. | |
Sport e Salute ist die Folgeorganisation von Coni Servizi, einer | |
Dienstleistungsgesellschaft des Olympiakomitees. Coni Servizi war von 2003 | |
bis 2018 im Auftrag des Coni tätig. Mit der Reform 2018 wurde der | |
Dienstleister nun zum Geld- und Arbeitgeber. Diese Situation gilt es nun zu | |
lösen. Sport e Salute schlug eine Modifizierung des Dienstleistungsvertrags | |
vor. Coni-Präsident Malago [1][will hingegen eine Gesetzesänderung]. | |
Das IOC hält sich derweil bedeckt. Die Pressestelle versandte lediglich | |
einen Hinweis, dass nach dem 5. Prinzip der Olympischen Charta und Regel 27 | |
die Nationalen Olympischen Komitees administrative Autonomie haben müssen | |
und „keinerlei politischem, rechtlichem, religiösem und ökonomischen Druck | |
ausgesetzt“ sein dürfen. Legt man diesen Maßstab an, hätte das IOC | |
allerdings schon im Jahre 1997 das NOK Belarus sanktionieren müssen. Seit | |
1997 sitzt Staatspräsident [2][Alexander Lukaschenko] dem Sportgremium vor. | |
Ein Entscheid des IOC in der Italien-Causa würde auch für die Zukunft neue | |
rote Linien in Sachen Unabhängigkeit der olympischen Bewegung setzen. | |
26 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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Lukaschenko | |
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