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# taz.de -- Parteikongress in Vietnam: KP-Chef mag Rente mit 76 nicht
> Die vietnamesischen Kommunisten wollen eine neue Führung bestimmen. Doch
> ihren angeschlagenen Chef werden sie offenbar nicht los.
Bild: Partei- und Staatschef Nguyen Phú Trong (vorn) und Ministerpräsident Ng…
Berlin taz | Hanoi sieht wieder Rot. Schon seit Tagen sind in Vietnams
Hauptstadt sämtliche Gebäude und Hauptstraßen mit roten Nationalfahnen mit
gelbem Stern und roten Flaggen mit Hammer und Sichel für den am Montag
beginnenden 13. Kongress der Kommunistischen Partei (KP) geschmückt. Die
autoritär regierende Partei mit 5,2 Millionen Mitgliedern lässt bei ihrer
alle fünf Jahre stattfindenden Politshow im Kongresszentrum im Westen
Hanois keine Zweifel daran zu, dass sie die alleinige Macht in dem
südostasiatischen Staat hat.
Nach [1][jeweils zwei PCR-Coronatests] bestimmen die knapp 1.600
Delegierten ein neues Zentralkomitee und dieses wählt dann das Politbüro.
Dieses besetzt die „vier Säulen der Macht“ in Partei und Staat:
Generalsekretär (Parteichef), Staatspräsident, Ministerpräsident und
Vorsitz der Nationalversammlung.
Doch hinter der Fassade kollektiver Führung wird hart um Posten und
Pfründen gerungen. Meist werden die Personalien schon vorab geklärt. Doch
auf dem Vorbereitungsplenum im Dezember blieb die Einigung aus. Vielmehr
waren zuvor alle Diskussionen zu Staatsgeheimnissen erklärt worden, so wie
der Gesundheitszustand der Parteiführer.
Das betrifft vor allem Staats- und Parteichef Nguyen Phú Trong. Der
konservative Hardliner mit einem Doktortitel aus der Sowjetunion ist mit 76
Jahren Vietnams ältester und mächtigster Politiker. Da es eigentlich eine
Altersgrenze von 65 Jahren gibt, hätte der seit 2011 amtierende KP-Chef
schon [2][beim letzten Parteitag] in Rente gehen müssen.
## Der mächtige Trickser Trong
Doch 2016 setzte er für sich eine Ausnahmeregelung durch und [3][schickte
den damaligen Ministerpräsidenten in Pension], der auch Ambitionen auf den
Parteivorsitz hatte. Dabei war dieser einige Jahre jünger als Trong.
Als 2018 der Staatspräsident starb, übernahm Trong auch dessen Amt. Seitdem
hat er zwei der vier mächtigsten Posten inne. Durch eine Kampagne gegen
Korruption, die vor allem die Fraktion des früheren Ministerpräsidenten und
Rivalen Trongs schwächte, bekam er noch mehr Macht.
Im April 2019 brachte ihn jedoch [4][ein mutmaßlicher Schlaganfall] ins
Krankenhaus. Seitdem trat Trong kaum öffentlich auf und wirkt angeschlagen.
Derweil steuerte der seit 2016 amtierende Ministerpräsident Nguyen Xuan
Phuc (66) das Land [5][erfolgreich durch die Coronapandemie]. Bei 97
Millionen Einwohnern gab es laut Johns Hopkins-Universität bisher nur 1.548
Infektionen und 35 Todesfälle.
Viele sahen deshalb den pragmatischen und kommunikativen Phuc als neuen
Parteichef. Doch Trong blockierte das. Seit Mitte Januar kursieren
[6][Berichte] über einen faulen Kompromiss. Sollten sie zutreffen, bleibt
Trong Parteichef, obwohl er nicht nur die Altersgrenze längst überschritten
hat, sondern eine dritte Amtszeit auch gegen das Parteistatut verstößt.
## Altersbegrenzung wird weiter aufgeweicht
Phuc soll demnach jetzt Staatspräsident werden, hätte aber als dieser
weniger Macht als der KP-Chef. Und auch für Phuc müsste die
Altersbegrenzung ausgesetzt werden.
Neuer Ministerpräsident soll demnach Pham Minh Chinh (62) werden, bisher
war er Chef des KP-Organisationskomitees. Als Vorsitzender der
Nationalversammlung ist der Wirtschaftsprofessor Vuong Dinh Hue (63)
vorgesehen, der noch Parteichef von Hanoi ist.
Für den vietnamesischen Ex-Diplomaten [7][Le Hong Hiep] vom Iseas-Institut
in Singapur zeigen die geleakten Personalentscheidungen die Uneinigkeit in
der Parteiführung. Das Ziel sei offenbar nur noch gewesen, „eine Führung zu
finden, die für alle gerade noch akzeptabel war“. Für Trongs Verbleib als
KP-Chef muss jetzt auch noch das Parteistatut geändert werden.
Für großen Unmut dürfte zudem sorgen, dass alle vier Spitzenämter an Männer
aus dem Norden gehen. Normalerweise achtet die Partei bei der Postenvergabe
auf eine Balance zwischen den drei Regionen des Landes und vergibt eines
der vier Spitzenämter an eine Frau.
## „Bewährte Kader“ verzögern Erneuerungsprozess
„Die Brüche mit den Normen und bisherigen Regeln können als Fehlen von
Einigkeit der bestehenden Machtblöcke gewertet werden,“ sagt auch Philip
Degenhardt, Leiter des Regionalbüros Südostasien der
Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hanoi. Um eine stabile Führung zu erreichen,
würde jetzt bewährten Kadern vertraut. Doch dies bremse jüngere Politiker
und verzögere Erneuerungsprozesse, so Degenhardt zur taz.
Politische Reformen waren aber ohnehin nicht zu erwarten. Vielmehr hat in
den vergangenen Jahren die Repression zugenommen. Die Zahl politischer
Gefangener stieg nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in den
letzten fünf Jahren von 60 auf 260.
Am 5. Januar wurden [8][drei Journalisten] wegen „Propaganda gegen den
Staat“ zu Haftstrafen von 11 bis 15 Jahren verurteilt. Hanoi gelang es
auch, [9][Facebook für seine Zensur einzuspannen] und das soziale Netzwerk
in eine Falle für Regierungskritiker zu verwandeln. Am vergangenen Mittwoch
wurde eine Frau zu sieben Jahren Haft verurteilt, die sich auf Facebook
über die KP lustig gemacht hatte.
Außenpolitisch dürfte Hanoi weiterhin den Balanceakt zwischen Peking und
Washington versuchen. Vietnam hat von Donald Trumps Handelskrieg mit China
profitiert, ist bei seinen Importen aber stark von der Volksrepublik und
bei den Exporten und Investitionen von den USA abhängig.
## Angst vor dem mächtigen Nachbarn China
Militärisch dürfte Hanoi weiter wegen Chinas Expansionspolitik im
Südchinesischen Meer aufrüsten, doch gibt es mit dem übermächtigen Nachbarn
im Norden noch einen weiteren Streit um das Wasser des Mekong.
Hanoi ist sehr an guten Beziehungen mit der EU interessiert und schloss
bereits ein Freihandelsabkommen mit Brüssel. Doch nutzt die EU dies nach
Ansicht von Beobachtern zu wenig, um von Hanoi den Schutz der
Menschenrechte einzufordern.
Mit einer [10][Musikshow vor 15.000 Gästen] soll der Parteikongress am 2.
Februar im Nationalstadion enden. Das Politbüro scheint die Partei zwar im
91. Jahr ihres Bestehens im Griff zu haben. Trotzdem können Überraschungen
nicht ausgeschlossen werden. Degenhardt erwartet sie am ehesten bei der
Wahl des Ministerpräsidenten oder des Vorsitzenden der Nationalversammlung.
Doch räumt er auch ein: „Die KP bleibt eine Blackbox.“
25 Jan 2021
## LINKS
[1] https://e.vnexpress.net/news/news/national-party-congress-attendees-to-be-t…
[2] /Parteitag-der-KP-in-Vietnam/!5266587
[3] /Parteitag-von-Vietnams-Kommunisten/!5269831
[4] /Praesident-Trong-scheut-Oeffentlichkeit/!5588752
[5] /Corona-in-Vietnam/!5703935
[6] https://thediplomat.com/2021/01/leaked-vietnamese-personnel-appointments-sh…
[7] https://www.iseas.edu.sg/media/commentaries/the-cpvs-15th-plenum-the-art-of…
[8] https://mailchi.mp/cpj/vietnam-sentences-3-independent-journalists-to-more-…
[9] https://www.asiasentinel.com/p/facebook-falls-in-line-for-vietnam
[10] https://tuoitrenews.vn/news/politics/20210120/hanoi-ready-for-13th-nationa…
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Vietnam
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Schwerpunkt Klimawandel
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