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# taz.de -- Rassismusdebatten im Männerfußball: Actionhelden der 90er
> Union Berlins Manager Oliver Ruhnert verteidigt einen seiner Spieler
> gegen Rassismusvorwürfe. Dabei benutzt er selbst rassistisches Wording.
Bild: War da was oder war da nichts? Die Debatte um Florian Hübner (links) hä…
War das nicht schön? Der lockere Thomas Müller. Liebling der Medien, immer
einen Spruch auf den Lippen, wie so ein Actionheld der 90er. Im Grunde ist
er Sylvester Stallone. Irgendwie findet er immer den Move, der durch die
feindlichen Linien hindurchführt. Immer ist es auf vorhersehbare Weise
überraschend! Und immer kucken beide dann, als hätten sie gerade in eine
überdurchschnittlich milde Zitrone gebissen.
Und dann kommt Kiel, und die komplette Kulisse fällt zusammen. Es reicht,
wenn [1][im Post-Match-Interview eine Interviewerin einmal zum Zwecke der
Auflockerung lacht], und schon wird der locker-flockige Thomas Müller zum
eingeschnappten Viertklässler. Es ist nicht ganz so, wie wenn David
Hasselhoff Cheeseburger vom Fußboden isst; aber immerhin ein kurzer Blick
hinter die Kulissen.
Man wird genügsam, also ich zumindest. Vor einem Jahr wäre selbst der
Abstieg des FC Bayern noch nicht genug gewesen als Ausgleich für die ganze
Scheiße, die ich mir habe anhören müssen, allein schon aus dem Munde
Karl-Heinz Rummenigges. Was ist das überhaupt für ein Bereich, in dem eine
derartige Schießbudenfigur zu einem ernstzunehmenden, nein: mächtigen, ja
gefürchteten, Typen werden konnte, obwohl sein Reflexionsbedürfnis ungefähr
auf [2][dem Level der Humboldt-Forum-Betreiber'innen] liegt.
Und für die Scheiße, die er da in Hoffenheim abgezogen hat, diese absolut
lachhafte lächerliche Posse, hat er am Ende – einen Preis gewonnen. Von der
Sport Bild, für die Geste des Jahres. Hierzulande machen Humor Oliver
Pocher, Lisa Eckhart und Dieter Nuhr, also kann man offensichtlich nicht
erwarten, dass Spott eine kontrollierende Wirkung entfaltet. Das ist ein
Bereich, der sich seit Jahren damit rühmt, No to Racism zu sagen. Jahre,
wenn nicht Jahrzehnte.
## Ein 1-a-Rassismus-Move
Und dann verteidigt Unions Manager Oliver Ruhnert einen seiner Spieler,
Florian Hübner, gegen [3][den Vorwurf, sich auf dem Platz rassistisch
geäußert zu haben], indem er sagt, dem Spieler Rassismus „anzudichten“ sei
schon wegen der Hautfarbe von dessen Frau „schwierig“. Jemand müsste mal
Oliver Ruhnert etwas andichten, da scheint es mir Bedarf zu geben.
Einige der Unioner Fans meinten dann, der Vorfall um Florian Hübner müsse
dringend aufgearbeitet werden: Von wem? Wie? Wie soll das aufgeklärt
werden, wenn Oliver Ruhnert da in verantwortlicher Position sitzt? Der hat
ja jetzt selbst einen 1-a-Rassismus-Move hingelegt, und das Erstaunliche
ist, dass das immer noch zieht, dass ein Teil ihm das als Argument
durchgehen lässt, ein anderer sagt: Ja, da muss er noch dazulernen, da war
er eben ungeschickt, und ein dritter sagt: Na ja, Schwamm drüber, Union hat
gewonnen, oléolé.
Und ein vierter Teil wird Rudi Völlers Einschätzung stumm nickend bejahen,
der sich nicht entblödete zu sagen: „Was auf dem Platz gesagt wird, bleibt
auch auf dem Platz.“ Ein ganzes Kraftwerk läuft in diesem Land allein dafür
24 Stunden am Stück, dass jede Bewegung, jedes Detail eines Spieles von
Tausenden Experten durch Hunderte Rechenmaschinen gejagt werden kann.
## Mit der Niederlage aus der Komfortzone
Dutzende Kameras halten alles fest, was auf dem Platz geschieht, man kann
inzwischen millimetergenau bestimmen, ob der Ball hinter der Linie oder der
Stürmer im Abseits gestanden hat, und das Einzige, was übersehen und
überhört werden soll, das Einzige, was nicht interessiert, ist, was
tatsächlich geschehen ist, wenn ein Rassismusvorwurf im Raum steht? Und
dann sagen solche Leute: Das hat sich jetzt erledigt, und dann hat es sich
auch erledigt. Papa hat gesprochen, Halleluja.
Ich wüsste gerne, was Thomas Müller dazu sagt, wenn man ihn mit seiner
Verantwortung zu diesem ganzen Backlash befragt (am besten nach einer
Niederlage, ein verlorenes Spiel scheint ihn ja schon aus der Komfortzone
zu holen). Mesut Özil [4][ist gerade zu Fenerbahçe Istanbul gewechselt], es
gibt also Anlässe genug, unaufgearbeitete Geschichten wieder hochzuholen.
Macht aber niemand, stattdessen bleiben wir auf ewig in den 90ern stecken.
22 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=6V1qYqxb_t0
[2] /Digitale-Eroeffnung-des-Humboldt-Forums/!5735796
[3] https://www.zeit.de/news/2021-01/18/huebner-verletzt-rassismus-untersuchung…
[4] /Transfer-von-Mesut-Oezil-zu-Fenerbahce/!5741823
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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Fußball
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Manchester United
Schwerpunkt Rassismus
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