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# taz.de -- Cholesterin zu Weihnachten: Der Plätzchentrick
> Die Fettstoffwechselsprechstunde: Für Cholesterinpatienten ist sie der
> regelmäßige lästige Kontrollblick aufs Essverhalten. Da hilft nur
> Weihnachten.
Bild: „Sie wissen ja, wie das ist, Herr Doktor!“
Der erfahrene Cholesterinpatient vereinbart einen Termin direkt nach
Weihnachten. So erntet er statt Belehrungen Mitgefühl. Statt Kritik an
einem Alltag voller [1][Plätzchen], Süßgetränke und Alkohol gibt es
Verständnis dafür, dass es an den Feiertagen eben nicht anders geht. Er
darf sich auch selbst ein wenig in dem Glauben wiegen, es handle sich bei
seinen entgleisten Blutfetten um eine Ausnahme.
Das Stichwort, dessen der erfahrene Cholesterinpatient müde geworden ist,
lautet „schnell verstoffwechselbare Kohlenhydrate“, vor allem, wenn er gar
kein klassischer Cholesterinpatient ist, sondern ein Patient mit erhöhten
Triglyzeriden. Diese sogenannten Nahrungsfette lassen sich nämlich im
Gegensatz zu erhöhtem Cholesterin ausgezeichnet durch Ernährungsumstellung,
Sport und Alkoholabstinenz behandeln.
Wer aber verzichtet an Weihnachten auf Süßigkeiten, trinkt keinen Alkohol
und treibt Sport? In der Regel nur Menschen, die eine Wette mit hohem
Einsatz verloren haben. Alle anderen versuchen, für ein paar Tage zu
vergessen, wie undankbar es ist, sich gegen seine Triglyzeride zu stemmen,
und manch einer würde am liebsten ohnehin dauerhaft eine
Anti-Plätzchen-Tablette nehmen und so weitermachen wie bisher.
Besonders ungerecht: auch Fruchtzucker lässt die Triglyzeride in die Höhe
schnellen, und überraschend viele Menschen essen jeden Tag eine Handvoll
Weintrauben. Wenn dies dann eigentlich auch noch begonnen wurde, um
Plätzchen einzusparen, ist der Frust auf die Spielverderberzunft der Ärzte
groß. Die lästigen Kontrollen in der Fettstoffwechselsprechstunde sind wie
der kritische Blick der medizinischen Fachangestellten bei der
professionellen Zahnreinigung. Der eine sieht im Labor das Zuviel an
Plätzchen, die andere im Mund das Zuwenig an Zahnseide – da kann der
Zahnarzt noch so freundlich das Übegebiss rausholen, man weiß, man hat
versagt.
## Aggressiv zuwarten
Und so kommt der erfahrene Patient lieber nicht mehr an einem normalen Tag.
Das Konzept hat sich bewährt. Der Arzt bemängelt die schlechten Werte, der
Patient beruft sich auf Weihnachten, der Arzt nickt verständnisvoll,
liebäugelt dann aber doch mit einer Dosiserhöhung, woraufhin der Patient um
Aufschub bittet, ob denn der Arzt schon wieder vergessen habe, dass gerade
Weihnachten war, woraufhin der Arzt wieder verständnisvoll nickt und eine
Kontrolle in drei Monaten vorschlägt. Fast wünschte er sich, alle Patienten
kämen nach Weihnachten, so voller guter Vorsätze sind die Menschen selten.
„Aggressiv zuwarten“ nennt das sein Oberarzt – der Arzt in der
Fettstoffwechselsprechstunde arbeitet gerne im Januar.
Und der Patient? Auch der ist zufrieden mit dem harmonischen Gespräch, wer
hätte gedacht, dass die Augen des Arztes so empathisch glänzen können.
Warum er so traurig dreinsehe, fragt ihn die Sprechstundenhilfe beim
Rauskommen. „Ach“, sagt er, „ich wünschte, es wäre bald wieder
Weihnachten.“ Darauf die Schwester verschwörerisch: „Erhöhte Triglyzeride
nach den Feiertagen? Da empfehle ich Ihnen einen Termin nach Ostern, Mitte
April wäre noch was frei! Und vielleicht gibt es ja in ihrer Familie im
Sommer eine Hochzeit? Dann hätten Sie den perfekten Rhythmus: Weihnachten,
Ostern, Hochzeit und Halloween.“ „Warum tun Sie das?“, fragt der Patient.
„Mein Arzt ist viel besser gelaunt, wenn er nicht dauernd schimpfen muss“,
sagt die Schwester. Und der Patient bucht zufrieden das
Fettstoffwechselstörungs-Kontrolltermin-Jahrespaket in der
Postfeiertagsversion.
[2][Eva Mirasol] ist Autorin und Ärztin und kennt sich mit
Fettstoffwechselsprechstunden aus.
28 Dec 2020
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## AUTOREN
Eva Mirasol
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