# taz.de -- Zum Tod von George Blake: Er bereute nichts | |
> Der Doppelagent Blake spionierte erst für Großbritannien, dann für die | |
> Sowjetunion. Unser Autor traf ihn Anfang der Neunziger in Moskau zum | |
> Gespräch. | |
Bild: George Blake bei einer Pressekonferenz in Moskau im Januar 1992 | |
Dublin taz | Über den englischen Tee, den ich ihm nach Moskau mitgebracht | |
hatte, freute er sich am meisten. Das war 1991. Der KGB-Doppelagent George | |
Blake war – seit seinem Ausbruch aus dem Londoner Gefängnis Wormwood Scrubs | |
Mitte der Sechziger Jahre – damals der meistgesuchte Mann in | |
Großbritannien. | |
Blake spionierte erst für das Vereinigte Königreich, dann für die | |
Sowjetunion. Nun ist er laut russischem Auslandsgeheimdienst SWR im Alter | |
von 98 Jahren gestorben. | |
Der irische Kleinkriminelle Seán Bourke und die beiden Friedensaktivisten | |
Michael Randle und Pat Pottle hatten ihm geholfen, aus der Haft zu | |
entkommen. 25 Jahre später standen Randle und Pottle dafür vor Gericht. | |
Obwohl sie die Tat zugaben, sprachen die Geschworenen sie im selben Saal | |
des Londoner Old Bailey frei, in dem Blake verurteilt worden war. | |
Als Freund der beiden war ich bei der anschließenden Feier in Pottles | |
Londoner Haus zugegen. George Blake rief an und weil ich ohnehin einen Flug | |
nach Moskau gebucht hatte, organisierte Pottle für mich ein Treffen mit dem | |
Spion. Blake empfing mich in seiner Wohnung, in der sich eine umfangreichen | |
Bibliothek mit Büchern in sieben Sprachen befand. Wir redeten fünf Stunden | |
lang, bevor er mir „sein Moskau“ zeigte. | |
## Mit der Strickleiter über die Gefängnismauer | |
George Blake wurde 1922 in Rotterdam geboren, seine Mutter war | |
Niederländerin, sein Vater ein ägyptischer Jude mit britischem Pass. Blake | |
arbeitete im Zweiten Weltkrieg im Widerstand gegen die Nazis und floh 1943 | |
nach Großbritannien. Er trat der britischen Marine bei und wurde 1944 wegen | |
seiner Sprachkenntnisse vom Geheimdienst MI6 angeworben. | |
Der schickte ihn 1948 nach Seoul, um Informationen über Nordkorea, China | |
und die Sowjetunion zu sammeln. 1950 wurde er im Korea-Krieg von | |
nordkoreanischen Truppen bei der Einnahme von Seoul gefangengenommen. | |
Danach spionierte er für die Sowjetunion. | |
Blake leitete unter anderem ein Gemeinschaftsprojekt des MI6 mit der CIA: | |
den Bau eines Tunnels von West-Berlin bis unter die sowjetische | |
Telefonzentrale in der DDR. Das KGB war von Anfang an eingeweiht. | |
Als aufflog, dass Blake die Seiten gewechselt hatte, verurteilte ihn ein | |
britisches Gericht 1961 zu 42 Jahren Haft. Im Gefängnis lernte er Randle | |
und Pottle kennen, die dort eine 18-monatige Haftstrafe für die Besetzung | |
des US-Luftwaffenstützpunkts Wethersfield absaßen. Nach ihrer Freilassung | |
fassten sie den simplen Plan, Blake mit einer Strickleiter über die | |
Gefängnismauer zu verhelfen. | |
Nach einer Odyssee durch verschiedene Verstecke in London schmuggelten | |
Randle, seine Frau Anne und ihre beiden Kinder den Doppelagenten in einem | |
umgebauten Wohnmobil nach Ost-Berlin. Von dort reiste Blake weiter nach | |
Moskau. Er bereue nichts, sagte er mir 1991. „Mein Leben ist wunderbar.“ | |
26 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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