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# taz.de -- Die NBA auf weltweitem Eroberungszug: Darf’s ein bisschen mehr se…
> Schrumpfen im Inland, Wachstum im Ausland: Die NBA startet mehr denn je
> als globale Marke in die neue Basketballsaison.
Bild: Aushängeschild: der Grieche Giannis Antetokounmpo reifte in der NBA zum …
Wie viele Länder gibt es auf der Erde? Die Frage scheint simpel. Die
Vereinten Nationen haben 193 Mitglieder, listen aber 195 Staaten auf. Die
Fifa schickt 211 Nationalmannschaften auf den Platz. Und die NBA verkündet
stolz in einer Presseerklärung, ihre Spiele werden „in 215 Ländern und
Territorien und in mehr als 40 Sprachen“ zu sehen sein.
Wie auch immer die exakten Zahlen aussehen, eines sagen sie auf jeden Fall
aus: Die am kommenden Dienstag beginnende neue Spielzeit der NBA wird so
ziemlich überall auf dieser Welt ein Publikum finden. In den Hallen werden
aufgrund der in den USA weiter ungehemmt wütenden Covid-19-Pandemie zwar
kaum Menschen auf den Rängen sitzen, aber dafür immer mehr Fans weltweit
vor dem Fernseher oder dem Laptop. Für die 30 Klubs der Liga, die
gewöhnlich pro Jahr mindestens 41 Heimspiele bestreiten, wird die
internationale Reichweite umso wichtiger in einer Zeit, [1][in der sie
weitgehend auf Zuschauer verzichten] müssen in Arenen, die oft mehr als
20.000 Menschen fassen.
Alle großen US-Ligen schielen aufs globale Geschäft. Der Branchenführer im
Sportentertainment, die Football-Liga NFL, hat in den letzten Jahren sogar
Spiele der regulären Saison jenseits der US-Grenzen veranstaltet. Auch in
diesem Jahr wären die Gladiatoren wieder in Mexiko City und London
aufgelaufen, wenn Corona nicht wüten würde. Und langfristig, so heißt es
immer wieder, will die NFL sogar ein Team fest in London ansiedeln.
So weit ist die NBA noch nicht, sie hat nur Vorbereitungsspiele auf fremden
Boden organisiert. Und immer noch wird ein Großteil des jährlichen
Umsatzes, zuletzt insgesamt rund 8 Milliarden Dollar, in den USA generiert.
Aber keine andere Liga hat eine solche weltweite Reichweite. Dafür gibt es
verschiedene Gründe, der offensichtlichste ist: Basketball wird überall
verstanden und auch nahezu überall gespielt.
Aufstieg zur globalen Marke
Noch wichtiger für die globale Attraktivität der NBA ist aber die
Popkultur. Der weltweite Siegeszug von HipHop und Sneakers, der in den
Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begann, ist untrennbar mit dem
Namen Michael Jordan und dessen Werbeclips für den Sportartikler Nike
verbunden. Der Auftritt von Jordan und dem Rest des Dream Teams bei den
Olympischen Spielen in Barcelona 1992 war wohl der größte Meilenstein im
Aufstieg der NBA zur globalen Marke. Nur folgerichtig bekannte Ligachef
Adam Silver im vergangenen Jahr, wie wichtig das globale Geschäft ist: „Uns
ist klar, dass die USA weniger als 4 oder 5 Prozent der globalen
Bevölkerung ausmachen – und dass es da draußen eine ganze Welt gibt, die
Basketball und die NBA liebt.“
Diese Globalisierung drückt sich längst auch im Personal aus. Nicht nur
spielten in der NBA in der vergangenen Saison Auslandsprofis aus 38
verschiedenen Nationen, die insgesamt ein Viertel des Gesamtpersonals
ausmachen. Selbst die aktuellen und vor allem auch die kommenden Megastars
der NBA stammen allzu oft nicht mehr aus den USA: Giannis Antetokounmpo,
geboren in Athen, ist in den vergangenen beiden Jahren jeweils zum MVP, zum
wertvollsten Spieler der NBA gewählt worden – auch wenn Fachleute immer
noch LeBron James aus Akron, Ohio, für den besten Spieler der Welt halten.
Antetokounmpo ist erst der zweite Profi ohne US-amerikanischen Pass, der
mehr als einmal die wichtigste Auszeichnung der NBA gewann; der erste war
der Kanadier Steve Nash. Die Liste an Nichtamerikanern, die MVP wurden, ist
eh noch nicht lang: Neben Antetokounmpo und Nash stehen noch der in Nigeria
auf die Welt gekommene Hakeem Olajuwon und ein gewisser Dirk Nowitzki
darauf. Die Experten sind sich aber einig, dass sie bald verlängert wird:
Luka Dončić, das im Diensten der Dallas Mavericks stehende Wunderkind aus
Slowenien, mag erst 21 Jahre alt sein, aber bei der letzten MVP-Wahl kam er
schon auf Platz vier.
Neben den Superstars ist aber auch die zweite Garde wichtig, um die NBA
rund um den Globus im Gespräch zu halten. Spieler wie der gebürtige
Braunschweiger Dennis Schröder, der unlängst zum amtierenden NBA-Meister
Los Angeles Lakers wechselte, oder der für die Washington Wizards tätige
Japaner Rui Hachimura sorgen dafür, dass die Medien ihrer Heimatländer
nicht das Interesse an der Basketballshow auf der anderen Seite des großen
Teichs verlieren. Und wenn der Kameruner Pascal Siakam, 2019 mit den
Toronto Raptors NBA-Champion, aufläuft, dann fiebert ganz Afrika mit.
Dem internationalen Publikum trägt die NBA längst auch durch ihre
Spielplangestaltung Rechnung. Mittlerweile muss man sich als Fan in
Deutschland nicht mehr notgedrungen den Biorhythmus kaputt machen. Ungefähr
40 Spiele, verkündete die Liga kürzlich in einer Presseerklärung, werden so
früh angesetzt, dass sie „in Europa, im mittleren Osten und in Asien zur
Primetime übertragen werden“ können.
Blick nach Asien
Aber Europa ist bereits erobert, nun hat die NBA ihren Blick noch weiter
nach Osten gerichtet. Denn dort vor allem winken lukrative Märkte. Schon
heute wird jeder dritte „League Pass“, das Online-Abo der NBA, mit dem man
alle Spiele sehen kann, in Asien abgesetzt. Die NBA hat ausgerechnet, dass
in China bereits über 300 Millionen Menschen Basketball spielen. Eine
exorbitante und vermutlich geschönte Zahl, aber eines ist tatsächlich nicht
ganz unwahrscheinlich: dass es in China noch eine Menge mehr potenzielle
Kunden gibt. Bereits heute folgen der NBA und ihren Stars auf den diversen
Social-Media-Kanälen der Liga und ihrer Klubs ein paar Hundert Millionen
Chinesen.
Auf diese digitalen Marketingformen setzt die NBA konsequent bei ihrer
aktuellen Globalisierung. In den Neunzigerjahren, als hinter der Ikone
Jordan die NBA erstmals zur internationalen Marke wurde, waren oft
HipHop-Hits Träger der Botschaft. Die Beats und Texte, die Bilder aus
Werbe- und Musikclips verkündeten: Die NBA ist cool. Nun sind es, so
Silver, „die sozialen Medien, in denen die jungen Menschen leben, und über
die wir fremde Märkte sehr schnell infiltrieren konnten“.
Ganz vorn auf der Prioritätenliste von Silver neben China: Indien und seine
1.356 Millionen, von Facebook und Whatsapp schwer begeisterten Einwohner.
Vor allem die Jüngeren unter ihnen stellen allerdings gerade fest, dass die
Highlights ihrer geliebten Nationalsportart Cricket auf einem Handydisplay
lange nicht so spektakulär wirken wie die von Fußball oder Basketball.
Allerdings: Um Cricket wirklich Konkurrenz machen zu können, bräuchte es
wohl einen indischen NBA-Spieler – so wie einst der 2,29 Meter große Yao
Ming während seiner neun Jahre als Profi für die Houston Rockets der NBA in
China zum Durchbruch verhalf. Die globalen Stars versucht die NBA sogar
selbst auszubilden in NBA-Akademien in China, Indien und Australien.
Die NBA geht ein Risiko ein, wenn die prominentesten Gesichter der Liga aus
europäischen Kleinstaaten stammen. Nicht nur, dass es sein könnte, dass der
immer noch unverzichtbare Binnenmarkt sich abwenden könnte. Schon seit
Jahren sinken die TV-Einschaltquoten in den USA, was allerdings auch daran
liegt, dass das im Vergleich zum Football oder Baseball wesentlich jüngere
und urbanere Publikum kaum noch weiß, was ein Fernseher ist – und seine
Unterhaltung längst über digitale Kanäle bezieht.
Chinesische Macht
Ein anderes Problem, auf das die NBA bei ihrer Globalisierung gestoßen ist,
heißt: Politik. Die NBA musste schmerzhaft feststellen, dass im
verführerisch großen Absatzmarkt China im wahrsten Sinne des Wortes andere
Gesetze gelten. Dazu brauchte es nur [2][einen scheinbar unschuldigen Tweet
von Daryl Morey.] Es war ausgerechnet der damalige Sportdirektor der
Houston Rockets, die dank Yao Ming besonders viele Fans in der
Volksrepublik haben, der im Oktober 2019 über den Kurznachrichtendienst
seine Sympathie für die Demokratiebewegung in Hongkong bekundete.
So schnell konnte Morey seinen Tweet gar nicht löschen und die NBA die
Äußerungen bedauern, da hatte die nach dem US-Vorbild organisierte
chinesische Profiliga schon ihre Beziehung zu den Rockets aufgekündigt,
chinesische Offizielle eine Entschuldigung gefordert und die chinesische
Zensur die Houston Rockets weitgehend aus dem Internet verbannt.
NBA-Spiele wurden aus dem Fernsehprogramm gekippt, NBA-Veranstaltungen in
China abgesagt, Sponsorenverträge gekündigt, Morey gab seinen Posten auf.
Schnell war klar: Die Geschäftsaussichten der NBA in China waren ernsthaft
bedroht. So bedroht, dass sogar LeBron James, das Aushängeschild der Liga,
sich genötigt sah, Morey zu unterstellen, er sei nicht „ausreichend
informiert“ gewesen, bevor er seinen Tweet absetzte. Der Kotau hatte
Erfolg: Heute laufen die Geschäfte der NBA in China wieder wie gewohnt,
Daryl Morey hat einen neuen Job bei den Philadelphia 76ers, und NBA-Chef
Silver ließ unlängst wissen, ihr Engagement in China erlaube der NBA „auch
amerikanische Werte zu exportieren“.
20 Dec 2020
## LINKS
[1] /NBA-Basketball-in-Disney-World-verlegt/!5694923
[2] /Politische-Haltung-im-US-Basketball/!5628498
## AUTOREN
Thomas Winkler
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